Arrested for espionage – Central African Republic
2022
Nov/Dec
Bangui - Bouar - Bozoum - Paoua - Bossangoa ........ Gefängnis
Eins vorab: das wird kein Reisebericht, wie ich ihn sonst gewohnt bin zu schreiben. Das hängt ganz einfach mit den Vorkommnissen in Bangui zusammen, die ich während meines Aufenthalts erlebt habe. Doch dazu später mehr.
Wer schon mal nach Reisen in die Zentralafrikanische Republik gesucht hat, wird schnell feststellen, dass der einzig besuchbare Ort der Dzangha-Sangha National Park im Südwesten des Landes ist. Zumindest wenn man seine Reise über Agenturen organisieren möchte. Alles andere ist mit erheblichen Sicherheitsrisiken verbunden und muss dann, wenn unbedingt gewünscht, selbst organisiert werden.
Ein paar Travelblogger haben das bereits getan, sind aber zum Großteil nur in Bangui geblieben und nach 3 Tagen wieder abgereist, oder sind maximal bis nach Boali gefahren, ca. 1,5h von Bangui entfernt. Dort befindet sich, neben dem bereits erwähnten Nationalpark, das zweite – wenn man so will – touristische Highlight des Landes: Les Chutes de Boali. Die Wasserfälle kann man besuchen, wenn man sich gerne anschaut wie Wasser von oben nach unten fällt. Ich habs mir verkniffen.
Möchte man mehr von dem Land sehen, ist man auf verlässliche Partner vor Ort angewiesen, die sich gut auskennen und offizielle Genehmigungen haben, die an den unzähligen Checkpoints vorgezeigt werden müssen, wenn man in bestimmte Gebiete fährt. Aber selbst das hilft nicht immer. Oft wird an den Kontrollpunkten irgendwas erfunden, was angeblich fehlt oder nicht korrekt ist. Das ist keine Ausnahme. Die lokale Bevölkerung ist dem tagtäglich ausgesetzt und kann nichts dagegen tun. Hauptsächlich trifft es die Mototaxi Fahrer, die entweder Personen oder Waren von A nach B transportieren. Details dazu habe ich weiter unten zusammengefasst.
Aus welchem Grund sollte man überhaupt den Rest des Landes sehen wollen, wenn der Dzangha-Sangha National Park und Boali Falls die einzigen Dinge sind, die sehenswert sind? Das und viele weitere interessante Dinge erläutere ich in den folgenden Zeilen. Doch zunächst mal das Wichtigste – Die Planung.
Die Planung
Selten zuvor habe ich eine Reise länger und ausführlicher geplant als diese. Zumal in diesem Fall nicht nur ein – sagen wir mal – sehr schwieriges Land auf mich wartete, welches mit Touristen so gar nix am Hut hat. Es waren sogar zwei Länder, die vom Schwierigkeitsgrad her weit über dem Durchschnitt liegen. Nach 2 Wochen in Zentralafrika sollte es über Bangassou in den Norden der Demokratischen Republik Kongo gehen und von dort auf dem Landweg bis nach Kisangani.
Selbst wenn man Kontakt zu jemanden hat, der sich bereit erklärt einen zu unterstützen, heißt das nicht das derjenige die Gegend kennt. Solche Leute wohnen meist in größeren Städten und für sie gibt es keinen Grund, sich in solch abgelegene Gebiete zu begeben. Schon gar nicht auf dem Landweg bis zur Grenze nach CAR mitten im Nirgendwo. Das kann im Idealfall z.B. von Kisangani bis Bangassou 3 bis 4 Tage dauern, wahrscheinlicher aber ist es, das man für diese Strecke mehr als 1,5 Wochen benötigt. Will man sich also an der Grenze verabreden und weder der eine, noch der andere kann genau sagen, wann er da sein wird, muss man einen sehr flexiblen Plan haben (und ein sehr flexibles Budget). Man zahlt in einem solchen Fall natürlich beide Seiten – auch wenn die Reise in dem zweiten Land noch gar nicht begonnen hat. All das war mir bekannt und durch meine frühere Reise in den Kongo hatte ich bereits gute Kontakte geknüpft, die ein solches Vorhaben in greifbare Nähe rücken ließen. Das einzige „Problem“ war: Die große Unbekannte. Und die hieß: Zentralafrikanische Republik.
Durch einen Freund im Kongo erhielt ich Kontakt zu einem NGO Mitarbeiter aus Bangui, der bereit wäre mich bei meinem Vorhaben zu unterstützen. Das hat viele Vorteile, bringt aber auch ein hohes Maß an Eigenverantwortlichkeit mit sich.
Interessanterweise arbeitete derjenige nebenbei an einer App, die Menschen in entlegenen Regionen des Landes Zugang zu Bildungsressourcen gewährt. Dadurch bot sich mir die Möglichkeit, ihn bei diesem Projekt zu unterstützen und somit eine offizielle Einladung der NGO zu erhalten.
Auch das bringt gewisse Vorteile mit sich. Zum einen ist man dann während seines Aufenthalts in einem offiziellen Auftrag unterwegs, dafür benötigt es eine „Order of Mission“. Das ist ein Dokument, welches meine Funktion und mein Vorhaben beschreibt. Zum anderen ist es möglich, den UNHAS (United Nations Humanitarian Air Service) zu nutzen. Das gibt es natürlich nicht for free, aber will man in bestimmte Gebiete, die anderweitig nicht zugänglich sind (Straßenroute ist unter Rebellenkontrolle, Straße ist durch die Regenzeit unbefahrbar geworden, oder man will einfach schnell und sicher ankommen), ist diese Option eine super Möglichkeit dorthin zu kommen wo kein Linienflugverkehr operiert. Außerdem hat man so mal die Möglichkeit mit z.B. einem Mi-8 Helikopter zu fliegen. (Genau das war mein Plan, um von Bangui nach Bambari zu kommen, nachdem wir unsere Overland-Tour durch den Nordwesten absolviert haben).
Das schwierigste bei der Planung einer solchen Reise ist die unvorhersehbare Dynamik, die in solchen Konfliktregionen herrscht. Was heute noch als relativ sicher gilt, kann innerhalb weniger Tage ein Gebiet sein, das nicht mehr unter Kontrolle der Regierung ist und in nicht allzu langer Zeit werden dort vermutlich Kampfhandlungen stattfinden, um wieder Kontrolle zu erlangen.
Das war während meines Besuchs nicht anders und gerade der Nordwesten des Landes gilt als sehr instabil. Noch schlimmer ist es im Südosten. Dort führt eine wichtige – und auch die einzige – Straßenverbindung in Richtung kongolesische Grenze durch Rebellengebiet, welches die UPC (Union for Peace) kontrolliert.
Sowohl in Bambari, als auch in Bangassou sind unterschiedlichste NGOs tätig. Meist sind das lokale NGOs, bzw. Locals die für größere NGOs arbeiten. Da selbst die UNHAS keine Flüge anbietet für diese Strecke, muss man um von A nach B zu kommen, durch das von der UPC kontrollierte Gebiet.
Das war auch mir klar, als es darum ging, wie wir zur kongolesischen Grenze kommen. Glücklicherweise hatte ich Kontakt zu einer in Bangassou ansässigen lokalen NGO, die mir Unterstützung zusagten.
Die NGO Mitarbeiter bleiben nicht immer in ihrem Headquarter, welches in der Regel in einer der größeren Städte in der Gegend ist. Diese Menschen sind größtenteils in der Gegend aufgewachsen und kennen sich sehr gut aus. Hinzu kommt, dass sie nicht nur die Gegend kennen, sondern oft auch gute Kontakte zu den lokal operierenden Rebellengruppen haben. Zum einen aufgrund der meist gleichen Herkunft, da die Rebellen auch aus der Gegend sind. Zum anderen müssen sie gut miteinander auskommen, weil auch die NGO Mitarbeiter zwischen den Dörfern, bzw. nächstgrößeren Städten unterwegs sind. Das bedeutet nicht, dass ihnen keine Gefahr droht, wenn sie auf die Rebellen treffen. Es gibt allerdings keinen Grund für sie, die NGO Mitarbeiter anzugreifen, weil sie, wie der Name ja schon sagt, nicht der Regierung angehören.
Anfangs hatte ich die Idee, mit dem Militär oder der Polizei einen Deal auszuhandeln und für den Weg von Bambari nach Bangassou einen armed escort zu engagieren. Davon wurde mir allerdings abgeraten – eben aus oben genanntem Grund. Je unauffälliger man sich durchs Land bewegt, desto besser. Eine Lektion, die ich noch lernen sollte, wie ich später erfahren musste.
Der Plan stand also. Zunächst mit dem Motorrad von Bangui über Bouar und Bozoum nach Paoua. Von dort nach Bossangoa und zurück nach Bangui. Nach Bambari nehmen wir den Helikopter und von Bambari nach Bangassou gehts durch Rebellengebiet zur kongolesischen Grenze. Hervorragend! So machen wir das!
Vor Ort
Nach einem 10 Stunden Layover in Douala (Kamerun), war ich froh endlich in Bangui angekommen zu sein. Der M’Poko Airport ist ein sehr kleiner Flughafen und ziemlich chaotisch. Alles sieht irgendwie behelfsmäßig aus und so richtig koordiniert ist da nix. Wer am besten drängeln kann ist am ehesten fertig. Draußen wartete mein Freund von der NGO mit seinem Motorrad, um mich abzuholen. Ich war gespannt wie ein Flitzebogen. Nach einer kurzen Begrüßung gings Richtung Stadtzentrum. Erste Station war mein Motel (Ngakola), wo ich zunächst mal meinen ganzen Kram verstauen konnte. Was die Preise für Übernachtungen angeht, ist das Ngakola ein Motel was verhältnismäßig teuer ist, 25$ pro Nacht. Es gibt auch günstigere Übernachtungsmöglichkeiten, aber speziell in Bangui würde ich die eher meiden. Wer nicht so aufs Geld achten muss, kann auch im „Ledger“ einchecken. Ein überteuertes Hotel, bei dem man mindestens 250$ pro Nacht hinblättern muss.
Wir erledigten die üblichen Dinge, wie z.B. lokale SIM Card kaufen und Geld wechseln. Sightseeing im klassischen Sinne kann man sich sparen – Bangui selbst ist wahnsinnig hässlich. Klar gibt es hier und da interessante Dinge zu sehen, aber das sind eben keine Sehenswürdigkeiten. Wobei, das stimmt nicht ganz…die Jungs von der Wagner Group haben sich ein Denkmal bauen lassen mitten in Bangui. Nix spektakuläres und völlig deplatziert an einer Kreuzung, aber immerhin.
Das eigentlich interessante in Zentralafrika sind die Menschen und ihre Geschichten. Klingt nach Phrase, I know. Ist aber tatsächlich so.
Apropos Wagner Group. Vor meiner Ankunft war ich ja total gespannt, wie es sich so reist in einem Land das russische Söldner, nicht nur im Kampf gegen Rebellen, sondern auch zum Schutz des Präsidenten einsetzt. Vieles was man so hört und liest macht einem ja schon Angst. Übergriffe auf die Zivilbevölkerung, willkürliche Ermordungen und Plünderungen etc. Im Prinzip denkt man, die Russen benehmen sich da wie die Axt im Walde. Das mag alles sein, aber genauso wie Franz Beckenbauer in Katar keine Sklaven gesehen hat, habe ich keine Söldner außer Rand und Band erlebt. Das soll nicht heißen, dass es besagte Vorfälle nicht gibt. Mir kam es vor, als führen sie ein Leben in einer Parallelwelt. Von Integration keine Spur. Es wird z.B. konsequent russisch gesprochen, wenn sie einkaufen und mit den Verkäufern verhandeln. Aber sei’s drum, solange Hände und Füße bei dem Gespräch mitarbeiten, funktioniert das in der Regel ganz gut.
Was das Zusammenleben mit der lokalen Bevölkerung betrifft: Man geht sich eher aus dem Weg, bzw. jeder macht sein Ding.
Die Nordwest Route
Montag, 21.11.2022. Für mein Empfinden starteten wir viel zu spät, es war 13:00 Uhr und wir wollten am gleichen Tag noch Bouar erreichen – eine Stadt nahe der Grenze zu Kamerun, mehr als 400 km von Bangui entfernt.
Trotz asphaltierter Straße erschien mir dieser Plan sehr gewagt. Wir mussten knapp 1200 km in nicht mal 7 Tagen zurücklegen – und das zu dritt auf einem Motorrad. 2/3 der Strecke waren nicht asphaltiert, und wie sich später herausstellen sollte, einfach mal Feldwege, die man mit maximal 25 km/h Durchschnittsgeschwindigkeit befahren konnte. Aber ok, Zentralafrika ist nur einmal im Jahr und da bekanntermaßen der Weg das Ziel ist, verließ ich mich voll und ganz auf meine beiden Begleiter. Erster Halt war ein großer Checkpoint in Bangui, bei dem wir uns registrieren und unsere Unterlagen vorzeigen mussten. Selbst mit allen offiziellen Dokumenten, inkl. Order of Mission, Lizenz der NGO, Fahrzeugpapiere und Führerschein (was wirklich fast niemand in CAR hat), kam man um ein Bestechungsgeld nicht herum. Da kann man schnell denken: „Ok, 10$ sind echt ok, wenn sie uns hier nur schnell weiterfahren lassen.“ Man muss aber auch bedenken, dass bis nach Bouar noch etwa 20 bis 25 weitere Checkpoints kommen und wenn jeder 10$ abgreift wäre das gelinde gesagt, nicht so geil. Da mir von meinen Begleitern eine Ankunft in Bouar am gleichen Tag in Aussicht gestellt wurde, es jedoch bereits relativ spät war, dachte ich: „Ok, die Nummer können die sicher nicht an jedem Checkpoint durchziehen.“ Kleiner Spoiler : Doch, können sie wohl.
Nach nicht mal 30 km, zwischen Bafinli und Bosele, machte unser Hobel schlapp. Da unser Fahrer, Texans, jedoch ein 1a „Schrauber“ war, konnte das Problem direkt an Ort und Stelle gelöst werden. Gut, das ist jetzt keine mobile Werkstatt und dauerte etwa 1,5 Stunden, aber immerhin keine zusätzlichen Kosten.
Alle Mann an Bord, es konnte weitergehen. Nach ungefähr 15 m Fahrt platzte unser Vorderreifen – Zentralafrika schien mich zu hassen und wollte nicht, das wir weiterfahren. Rückblickend betrachtet bin ich froh, das uns das Teil während der Anfahrt um die Ohren geflogen ist. Nicht auszudenken was passiert, wenn das bei 50 oder 60 km/h auf asphaltierter Straße passiert.
Es wurde kurzerhand entschieden auf ein Ersatzfahrzeug umzusteigen. Will heißen: Der Reifen wurde geflickt und unser Fahrer fuhr zurück nach Bangui, um einen anderen fahrbaren Untersatz zu organisieren. Eine weitere Stunde verging. Das neue Motorrad machte einen deutlich besseren Eindruck und wir starteten nun endlich durch.
Mit ca. 60km/h „bretterten“ wir über Zentralafrika’s einzige geteerte Straße in Richtung Bouar. In Boali machten wir kurz Halt. Nicht nur um was zu essen, sondern weil mal wieder ein Checkpoint zu passieren war – der sechste seit Bangui. Da Boali, wie weiter oben erwähnt, mehr oder weniger das einzige touristische Highlight des Landes bietet, ist das Checkpoint-Personal scheinbar darin trainiert auf besonders kreative Art und Weise dem „Unwissenden Touristen“ einzureden, was er falsch gemacht hat – selbst wenn derjenige nur auf der Durchreise ist. Das nächste Bier finanziert sich schließlich nicht von selbst und mit dem monatlichen Gehalt, was ihnen der Staat zahlt (Je nach Dienstgrad so zwischen 50$ und 80$), geht das schon mal gar nicht.
Deshalb ist man erfinderisch geworden und verlangt Dinge wie z.B. den Nachweis zur Gelbfieberimpfung. Im Normalfall hat man den eigentlich nicht dabei, weil man ihn um das Visum zu bekommen sowieso schon vorlegen musste und die Frage danach redundant ist.
Solche Erklärungen sind dem uniformierten Personal natürlich vollkommen egal. Zum einen weil sie tatsächlich nicht wissen, wie der Prozess einer Visaausstellung funktioniert, zum anderen weil sie denken, ihre Idee mit der Gelbfieberimpfung hat beim letzten Mal auch funktioniert – Warum also nicht jetzt? In diesem Moment war ich ein wenig stolz auf meine gute Vorbereitung, weil ich im Ausland genau wegen solcher Dinge immer meinen Impfausweis bei mir trage. Locker aus der linken Hosentasche zückte ich das gelbe Heftchen und reichte es dem leicht überhopften Kommandeur entgegen. Der staunte nicht schlecht und war ob meiner guten Vorbereitung doch sehr irritiert. Ein anderer hatte dann die Idee nach meiner Covid Impfung zu fragen. Dazu muss man wissen, diese ist nicht notwendig um ins Land zu kommen. Auch das konnte ich sowohl analog, als auch digital nachweisen. „Bähmmm, ihr Penner! Was sagt ihr jetzt?“ Waren meine Gedanken während ich den QR-Code auf meinem Handy langsam vom Gesicht des Kommandeurs wegzog. Da möchte man denken: „Zwei Versuche, kein Treffer. Jungs, lasst es einfach sein.“ Nix da!
Nächster Versuch. Wenn gar nix mehr hilft, wird man auch in der Zentralafrikanischen Republik schnell persönlich. Zu dem Zeitpunkt war zum ersten Mal mein Outfit Thema. Mein Reisepass wurde auch beanstandet. Zitat: „Deutschland sei ein so modernes Land. Wieso hab ich dann so einen zerfledderten Old School Reisepass? Außerdem ist der nicht biometrisch.“ Ähm, hallo?! Zunächst mal, sorry das wir so armselige Pässe haben, außerdem ist der schon viel rumgekommen, deshalb ist er etwas lädiert. Und dann, was soll das heißen, nicht biometrisch? Klar ist das Foto biometrisch. (Keine Ahnung wo sie das mit der Biometrie mal aufgeschnappt haben) Dann wurde durchgeblättert und unter großem Erstaunen meine bisherige Reisehistorie zu Kenntnis genommen. Erfahrungsgemäß ergeben sich aus meinen bisherigen Reisezielen immer interessante Gespräche, sowohl mit Grenzbeamten und Checkpoint Leuten, als auch Flughafenpersonal und eigentlich jedem, der mal einen Blick darauf wirft. Nicht so in der Zentralafrikanischen Republik.
Irak, Afghanistan, Somalia, Pakistan…dann noch die Schuhe und die Hose mit so vielen Taschen und fingerlose Handschuhe. Da stimmt doch was nicht. Glücklicherweise konnten wir die Situation dann mit ca. 15$ bereinigen, weil zum einen wir selbst die ganze Zeit wussten, dass es nur um Geld ging und wir endlich weiter wollten. Zum anderen die Jungs vom Checkpoint nicht wirklich Bock hatten, daraus ein größeres Ding zu machen. Es wurde nur ein Grund gesucht – und der findet sich immer. Glücklich der Situation entkommen zu sein scherzten wir während der Fahrt noch über den Vorfall und einigten uns darauf, mir in Bouar neue Schuhe und eine andere Hose zu kaufen, damit wir zumindest wegen meines Outfits keine Probleme bekommen – Dress like a local.
Es war bereits später Nachmittag und wir hofften, wenn auch spät, noch vor Mitternacht in Bouar anzukommen. Ab 0:00 Uhr ist zudem landesweite Ausgangssperre. Doch da haben wir die Rechnung ohne den miesesten Checkpoint in ganz Zentralafrika gemacht – Bossembélé.
Nur 80 km nach Boali stoppten wir an einem Checkpoint, der uns zum Verhängnis werden sollte. Wie bei allen zuvor und auch danach ist anfangs immer alles, sagen wir mal, witzig oder locker. „Hey, Munju!“ usw. Da ist die Überraschung erstmal groß, jemanden wie mich auf einem Motorrad zu sehen, der laut Order of Mission noch knapp 1000 km vor sich hat. Gleichzeitig merkt man aber auch, wie die Dollarzeichen in den Augen anfangen zu blinken. Die Enttäuschung ist umso größer nachdem sie merken: „Mist, die haben wirklich alle Unterlagen, die man braucht.“ Erschwerend kam hinzu, dass an diesem Checkpoint wirklich die komplette Brigade voll wie ein Eimer war. Insgesamt waren es 6 Soldaten, die uns bedrängten. Meine Begleiter wollten nicht schon wieder darauf eingehen, Geld zahlen zu müssen, obwohl alle Unterlagen vorhanden sind, um hier weg zu kommen. Tja, was soll ich sagen…ganz schlechte Idee, mit solchen Leuten vernünftig diskutieren zu wollen. They got the guns, so they make the rules. Plötzlich hieß es: „Sämtliches Gepäck abschnallen und alles auspacken!“ Meine fingerlosen Handschuhe, die ich beim Motorradfahren immer trage, weckten auch hier großes Interesse. Ein Soldat kam zu mir und wollte sie mir von den Händen reißen, mit der Begründung, es seien Handschuhe für Soldaten und er braucht sie um besser schießen zu können. Diese Behauptung bekräftigte er, indem er sein Maschinengewehr auf mich richtete und mit der Entsicherung spielte. Nicht geradeaus laufen können, aber flink wie ein Wiesel mit dem Sicherheitsmechanismus einer AK-47 spielen können – das erschien mir, na ja…nicht gut.
All unsere Rucksäcke mussten bis aufs letzte ausgeräumt, und der Inhalt schön auf dem Boden nebeneinander aufgereiht werden. Was geht denn jetzt ab, denke ich. Die Jungs hatten scheinbar größere Pläne mit uns. Da wir schon weit außerhalb unseres Zeitplans waren und mit dieser Aktion eine Ankunft in Bouar am gleichen Tag hinfällig, war ich etwas angepisst. Mein Reisepass war für sie das allerbeste, weil in ihren Augen nun ausreichender Verdacht gegen mich bestand. Verdacht gegen was? Gute Frage. Die habe ich auch gestellt. Einfach erstmal verdächtig. Wer geht schon freiwillig nach Afghanistan oder Irak? Wieso fährt er mit Motorrad hier rum, obwohl es so gefährlich ist? Er führt was im Schilde, was wir nur noch nicht wissen. Aber wir werden es herausfinden. Es wurde gedroht mit Anrufen beim Innenminister und sonstigen wichtigen Leuten, dann würden wir ja sehen was passiert. Zum „Beweis“ gingen dann drei von ihnen mit Telefon im Anschlag weg und kamen nach 5 Minuten wieder, um uns zu sagen sie hätten mit dem Ministerium gesprochen und die meinen, es müsse sichergestellt werden, dass von uns keine Gefahr ausgeht. Alle Anwesenden, inkl. uns drei wussten, dass sie sich diese Story in den 5 Minuten, in denen sie weg waren, ausgedacht haben. Mittlerweile war es dunkel und Bouar in weiter Ferne. Als Außenstehender mag man denken: „Wenn es sowieso nur um Geld geht. Warum gibt man ihnen es nicht einfach?“ Berechtigter Einwand. Zum einen ist es so, dass diese Leute genau wissen, dass sie nicht explizit danach fragen dürfen. Ansonsten droht ihnen nämlich Gefängnis. Zum anderen ist es so, dass man selbst nie weiß wann der richtige Zeitpunkt ist, ein wenig Verhandlungsmasse ins Spiel zu bringen. Ein solches Angebot kann beim Gegenüber schnell als Schuldeingeständnis gesehen werden und je nachdem wie sie drauf sind, können sie dich an Ort und Stelle festnehmen wegen Bestechungsversuch. Es ist also eine verzwickte Lage. Nach knapp 2 Stunden zähen Verhandelns durften wir dann passieren. Kosten: 20$. Einen ganzen Tag verloren wegen diesen Idioten und das wegen 20$.
Da ist man froh endlich der Situation entkommen zu sein, fährt quasi als Einziger durchs nächtliche Zentralafrika in Richtung Bouar und denkt: Schlimmer kanns zumindest heute nicht mehr kommen. Weit gefehlt.
Nach knapp 60 km, kurz vor Yaloké ein weiterer „Problemcheckpoint“, vielmehr ein „Großes Problem Checkpoint“ und somit auf Platz 2 der miesesten Checkpoints. Gleiches Prozedere wie in Bossembélé, nur eben in kompletter Dunkelheit am Straßenrand mit Taschenlampe. Erneut alles auspacken und aufreihen. Erklären wieso man fast ausschließlich in Krisengebiete reist und was das eigentlich für geile Schuhe und Handschuhe sind, der Rucksack sieht auch so aus als könne man ihn viel besser für sich selbst verwenden. Da alles fast 1 zu 1 exakt so ablief wie 60 km zuvor, war unsere Vermutung, dass die anderen denen Bescheid gesagt haben, dass wir kommen würden und da durchaus die eine oder andere „schnelle Mark“ verdient werden kann.
Die Jungs waren zwar nicht ganz so besoffen wie ihre Kollegen zuvor, dafür waren sie aber darauf aus, uns das Leben so schwer wie möglich zu machen. Lange Rede, kurzer Sinn…wir wurden am Weiterfahren gehindert und da sie keine rechtliche Grundlage hatten uns festzunehmen, aber wir dennoch irgendwie verdächtig waren, wurden wir ins nahegelegene Yaloké gebracht und mussten dort die Nacht in einem, von den Soldaten ausgewählten, runtergekommenem Motel verbringen. Wir durften die Stadt nicht verlassen und ebenso wenig das Motel. Am kommenden Morgen sollten wir uns im Polizeirevier melden, um die Sache zu klären. Wie vereinbart standen wir früh um 7:00 Uhr auf der Matte. Mit der Pünktlichkeit ist es generell nicht weit her und gegen 9:30 Uhr durften wir endlich ins Büro des hiesigen Polizeichefs. Erstaunlicherweise war der völlig entspannt und meinte, es gibt keine Probleme mit meinem Pass und auch sonst ist alles in Ordnung. Dennoch dauerte das Gespräch ca. 1 Stunde und am Ende gabs natürlich was für die Kaffeekasse.
On the road again…noch mehr als 200 km bis Bouar und wir hingen einen Tag hinter unserem Zeitplan. Wenn das so weitergeht, musste ich mir was einfallen lassen. An diesem Tag schien das Glück jedoch auf unserer Seite – sämtliche Checkpoints bis Bouar passierten wir ohne größere Zwischenfälle.
In Bouar angekommen organisierten wir für mich erstmal eine große Tasche, in der wir meinen Rucksack verstecken konnten – was unauffälliges mit Blümchenmuster. Eine andere Hose habe ich von einem meiner Begleiter bekommen. Die Schuhe behielt ich an, weil es einfach zu viel unnötiger Ballast gewesen wäre, diese noch zu verstauen. Mehr „local“ wollte ich dann auch nicht sein.
Obwohl wir unserem Zeitplan hinterherhingen, besuchten wir ein paar interessante Orte in Bouar. Wir kletterten auf eine riesige Felsformation im Osten der Stadt – dort und auch sonst fast überall gibt es eine Menge Megalithen zu sehen. Entstanden während der Steinzeit findet man die Steine in jeder Ecke der Stadt, oft verziert mit religiösen Inschriften der Bewohner. Ein weiteres Highlight war das Treffen mit einem alten Mann, der noch die Kolonialzeit miterlebt hat und aus dem Nähkästchen plauderte. Er zeigte mir in einem seiner Felder versteckt, ein altes Munitionslager der Deutschen, die damals auch in Bouar gewesen sind. Nicht nur von diesem Mann, sondern auch von vielen anderen in Bouar wurde mir von einem speziellen, magischen Ort erzählt. Dieser Ort soll dafür verantwortlich sein, dass es zu bestimmten Zeiten in Bouar deutlich kälter ist als im Rest des Landes. Angeblich weil dort unter der Erde – Achtung, jetzt wirds echt weird – jemand eine Art Tor zum Erdinneren aufmacht, durch das dann kalte Luft heraus strömt und für ein angenehmes Klima sorgt. Mir selbst war arschheiß, weshalb ich fragte wann derjenige denn wieder zu Gange ist und mal für ordentlich Durchzug sorgt. Alles geheim – darf man mir nicht sagen, aber ich könne hinfahren und es mir anschauen.
Oha, gegen ein bisschen Magie am späten Nachmittag hatte ich nichts einzuwenden und wenn das alles noch in einer wohl temperierten Umgebung stattfindet, warum nicht? Gut, man steht dann zwar am Tor zur Hölle während unten einer auf und zu macht, aber das Risiko war ich bereit einzugehen. Angeblich steckt hinter der Geschichte eine Familie, die der Hexerei bezichtigt wurde und verbannt wurde. Verbannt wird keiner gerne, deshalb wurde das Dorf durch magische Kräfte ins Erdinnere gezogen und war für immer verschwunden. So oder so ähnlich soll es sich zugetragen haben.
In Erwartung eines riesigen Sinkholes, wie man sie z.B. aus dem Irak, Syrien oder Yemen kennt, gings dann mit dem Motorrad etwas außerhalb der Stadt in ein abgelegenes Gebiet. Wir schlugen uns zu Fuß durch meterhohes Gestrüpp und erreichten nach ca. 20 min. besagte Stelle. Kein Sinkhole. Niemand da, der auf und zu macht. Das mysteriöse Loch in der Erde war einfach ein größerer Erdrutsch, der etwas von der normalen Erdoberfläche weggetragen hat, sodass man eine Art Schneisse sehen konnte. Mein persönlicher „Stone in the middle of the river“ Moment in Zentralafrika. (Wer meine Story aus dem Kongo kennt, weiß wovon ich rede). Ein wenig entzaubert zogen wir wieder ab und verbrachten den Abend in einer Bar.
Der kommende Tag führte uns nach Bozoum – keine leichte Strecke und schon gar keine sichere Gegend. Ordnungsgemäß meldeten wir uns bei der Gendarmerie in Bouar ab und erhielten unseren Stempel auf der Rückseite unserer Order of Mission.
Ab hier wurden die Straßenverhältnisse deutlich schlechter, was natürlich eine längere Fahrt bedeutete. Etwas mehr als 100 km war Bozoum entfernt. Nach knapp 5 Stunden Fahrt waren wir endlich da. Auch hier war man uns an den Checkpoints, die wir unterwegs passieren mussten, nicht wohl gesonnen. Aber kein Vergleich zu Bossembélé. Hier ein kleiner Tipp:
Normalerweise gibt es ca. 10 bis 15m vor jedem Checkpoint einen Verkehrskegel und eine Schranke aus Baumstämmen. Am Kegel muss man anhalten und bis zu den, meist 3 bis 6 Leuten, hinlaufen. Oft nehmen sie den Kegel einfach weg und machen neben der Schranke ein bisschen Platz, so dass man mit dem Motorrad vorbeifahren kann. Die Polizei selbst hängt besoffen in ihrem Verschlag ab und wartet bis jemand durchfahren will. Sobald das jemand versucht, schießen sie aus ihrem Versteck und schreien dich an, warum du ohne Überprüfung weiterfahren wolltest. Das wird natürlich sofort als Verkehrswidrigkeit geahndet und kostet.
Wir wurden mal wieder im örtlichen Polizeirevier vorstellig und mussten erneut erklären, wieso wir hier sind, wieso wir mit dem Motorrad reisen, was unser Job ist, was macht der Munju (weißer Mann) hier und und und. Sowas dauert – kostet Zeit, Nerven und Geld. Am Ende hat man dann im Idealfall einen Stempel, ist offiziell registriert und kann sich relativ frei bewegen.
Was uns erlaubte ins ca. 20 km entfernte Bata zu fahren. Ein kleiner Ort in Richtung Bossangoa, der „berühmt“ ist für seine Priester Schule. Das Dorf ist eigentlich ein kleiner Campus. Angehende Priester kommen aus ganz Afrika hier her und werden unterrichtet. Wir liefen über das Gelände und schauten in einen der Klassenräume, wo gerade Unterricht stattfand. Der Lehrer kam kurz heraus und wir plauderten ein wenig. Ein wahnsinnig netter Mann, der die Jungs da unterrichtete.
Meine Anwesenheit war wohl so ungewöhnlich, dass er mich bat, doch kurz in die Klasse zu kommen und „Hallo“ zu sagen, was ich dann auch tat. Auch hier, alles wahnsinnig nette junge Typen, die, wenn man ihnen ins Gesicht schaut, sich nicht unterscheiden von denen, die sich z.B. einer Rebellengruppe angeschlossen haben oder mit Staatserlaubnis Leute ausnehmen, wie eben die jungen Soldaten und Polizisten. Das war schon sehr erstaunlich für mich zu sehen.
Der 24.11., mein Geburtstag, sollte uns nach Paoua bringen. Zum Zeitpunkt meiner Reise, eine der gefährlichsten Strecken, die wir zu absolvieren hatten. Landschaftlich ein absolutes Highlight, riesige Felsformationen wo man nur hinschaut. Megalithen in den Wäldern, und sicherlich auch hier und da versteckt, Petroglyphen. Das sollte übrigens einer der Höhepunkte meiner Reise werden – die Petroglyphen im Südosten des Landes. In der Gegend um Bangassou und insbesondere Rafai, gibt es uralte, in Stein gehauene Felsbilder, die seit Jahrzehnten niemand mehr gesehen, bzw. besucht hat. Doch dazu später mehr.
Nach 120 km und etwa 5 Stunden Fahrt hieß es: „Hallo Paoua!“. Nahe der Grenze zum Tschad gelegen ist Paoua die Hauptstadt der Präfektur Lim-Pendé. Eine krisengebeutelte Stadt, die in den vergangenen Jahren einiges mitgemacht hat. Eine Vielzahl nationaler und internationaler Hilfsorganisationen haben dort ihren Sitz. Wir checkten in einem Motel ein, welches zu einem lokalen Radiosender gehört – natürlich erst nachdem wir uns im örtlichen Polizeirevier ordnungsgemäß registriert haben.