Congo Road Trip
4000 km road trip across eastern congo
Ein Monat voller Erlebnisse, Strapazen und Emotionen.
2019
Nov/Dec
Geilster Trip!
Die Demokratische Republik Kongo, bis 1997 noch unter dem Namen Zaire bekannt, sollte mein nächstes großes Abenteuer werden. Was man hierzulande über den zentralafrikanischen Staat so hört, klingt nicht besonders einladend – Ebolaausbruch im Osten, Kämpfe um illegale Minen, Rebellen töten Zivilisten und liefern sich erbitterte Auseinandersetzungen mit dem Militär um nur einige Headlines zu nennen.
Dies sind nur ein paar Beispiele, weshalb die DR Congo in großen Teilen touristisch völlig unerschlossen ist. Wer sich dennoch dazu entscheidet das Land zu besuchen, tut dies meist nur für einen sehr kurzen Zeitraum und dann auch nur, um die Berggorillas im Virunga Park zu sehen. Meist sind solche Reisen mit Aufenthalten im Nachbarland Ruanda kombiniert und kosten schnell mehrere tausend Euro für ein paar Tage.
Glaubt man den offiziellen Reisehinweisen des Auswärtigen Amts, sollte man den Ostkongo sowieso eher meiden. Selbst in den Nationalparks ist man nicht sicher, da dort schon mehrfach Touristen entführt und die Ranger, bzw. Begleiter von Rebellen erschossen wurden. Wenn überhaupt sollte man möglichst überall wo man hin will, nur mit einem Flugzeug anreisen und schon gar nicht auf dem Landweg. Schwierig, wenn man einen Road Trip plant. Wie üblich, musste ich also abwägen welches Risiko ich bei dieser Reise eingehen würde.
Mit kongolesischen Truckfahrern hunderte Kilometer durchs Hinterland fahren und wenn nötig irgendwo im Freien zu übernachten. Per Cargo-Boat auf dem schwer zu navigierenden Lualaba River (einem Zufluss des Congo River) schippern. Mit dem Motorrad unwegsame Strecken durch den zweitgrößten Regenwald der Erde brettern. Weit abgelegene Gebiete der ehemaligen belgischen Kolonie mit all den verfallenen Kolonialbauten von damals erkunden. Wenn ich Glück habe sogar mit einem der berüchtigten Züge fahren. Die Verlockung war einfach zu groß. Also begann ich bereits im Januar 2019 mit meiner Recherche nach dem nächsten Highlight: Eastern Congo Road Trip.
Die Planung
Meine Recherchen im Vorfeld zeigten, dass unabhängiges Reisen über große Distanzen eher schwierig sein würde. Gerade die weit abgelegenen, ländlichen Gebiete im Osten des Landes gelten als riskant und sehr gefährlich. Als Fortbewegungsmittel muss man das nehmen, was gerade da ist. Egal ob es ein Truck ist, ein Cargo-Boat oder Mototaxi. Da mein Schulfranzösisch und meine Hautfarbe nicht wirklich dafür geeignet waren diese Reise alleine anzutreten, suchte ich nach jemandem, der mich da einigermaßen sicher durchlotsen kann und das Risiko eingeht mit einem Mosungu (weißer Mann) durch Gebiete zu fahren, in denen seit der Kolonialzeit kein Weißer mehr gesehen wurde.
Was von Beginn an klar war: Man kann diesen Trip nicht bis ins kleinste Detail planen. Hauptsächlich aufgrund der katastrophalen Infrastruktur im Landesinneren. Zudem fiel der Zeitraum meiner Reise in die Regenzeit. Alles nicht optimal, aber das machte es ja so spannend und war genau nach meinem Geschmack.
Es gibt auch nicht wirklich eine Möglichkeit Sehenswertes per Google ausfindig zu machen. Deshalb habe ich unterschiedlichste Bücher und Onlineartikel durchforstet, die sich mit der Kolonialzeit beschäftigen, um einen groben Eindruck der Gegenden die wir durchqueren würden zu bekommen.
Für die detaillierte Recherche erwies sich die Website von Logistic Cluster erneut als sehr gute Anlaufstelle. Deren Hauptaufgabe ist die Koordination von Hilfsorganisationen weltweit. Dementsprechend finden sich auf der Website sehr detailierte Landkarten mit aktuellen Anmerkungen, was z.B. die Beschaffenheit von Straßen etc. angeht.
Ein lokaler Kontakt war verhältnismäßig schnell gefunden. Nun ging es darum rauszufinden, ob er der Richtige für mein Vorhaben war. Nach unzähligen mails einigten wir uns auf eine Route, die uns als machbar und relativ sicher erschien. Da es auch für ihn das erste Mal war diese Route zu erkunden, planten wir das Ganze fortan als eine Art “two guys doing a road trip and we will see what happens”. Die Vorstellung gefiel mir sehr gut und wie sich später herausstellen sollte, war es das Beste was mir passieren konnte. Im Nachhinein kann ich sagen: Ich hatte zu keinem Zeitpunkt das Gefühl, mit einem Guide im eigentlichen Sinne unterwegs zu sein. Es war so als würden zwei Freunde einen gemeinsamen Trip machen.
Unterwegs
Wir trafen uns, wie vereinbart, am Flughafen von Lusaka (Zambia) und von dort aus gings direkt ins nahegelegene Guesthouse. Wir verstanden uns auf Anhieb richtig gut. Nicht unwichtig, wenn man mit der Person einen ganzen Monat fast Tag und Nacht zusammen sein wird.
Am kommenden Tag starteten wir früh in Richtung Bus Terminal, um von dort nach Kitwe in der Copperbelt Region im Norden des Landes zu fahren. Das sollte unser letzter Zwischenstopp sein, bevor wir unseren eigentlichen Road Trip durch den Kongo starten würden. Nach ca. 7 Stunden Fahrt checkten wir ins Hotel ein und am Abend lernten wir zufällig einen Mann kennen, der uns eine Fahrt zur kongolesischen Grenze am kommenden Tag organisieren konnte. Das kam uns sehr gelegen, da wir bis zu diesem Zeitpunkt noch keine Transportmöglichkeit hatten.
Wohlwissend das diese Nacht für lange Zeit die letzte mit fließend Wasser, Dusche und richtigem Bett sein würde, freute ich mich auf einen erholsamen Schlaf. Leider lag das Hotel direkt neben einem Nightclub, dem unsere Anwesenheit völlig egal war. Um 4:00 Uhr morgens kehrte dann endlich Ruhe ein und ich konnte zumindest noch 2 Stunden schlafen. Dann war die Nacht vorbei und wir fuhren Richtung Grenze.
Nach nicht einmal 1,5 Stunden waren wir da und das Abenteuer konnte beginnen.
Vor Ort
Der Grenzübertritt verlief problemlos und wir organisierten uns sofort eines der shared Taxis, welches uns nach Lubumbashi bringen sollte. Voller Vorfreude verharrten wir im Taxi mit vier weiteren Passagieren, während der Fahrer draußen damit beschäftigt war das Fahrzeug mit noch mehr Ladung zu bestücken. Dann ging alles plötzlich ganz schnell. Ich sah unseren Fahrer – von mehreren Polizisten verfolgt – in Richtung Taxi flüchten. Zum Nachdenken blieb wenig Zeit und bevor ich richtig checkte was los war, wurde unser Fahrer festgenommen und auf dem Fahrersitz saß ein Polizist, der mich mit einem freundlichen “Bonjour ça va?” begrüßte. Sowohl mein rudimentäres Schulfranzösisch, als auch meine latente Angst brachten ein “Ça va très bien.” über meine Lippen. Danach fuhr uns der Polizist zum offiziellen Taxistand ca. 100 m weiter, wo wir dann ein neues Taxi nehmen mussten.
Es stellte sich nämlich heraus, dass der Taxifahrer bereits zum wiederholten Mal im Halteverbot direkt an der Grenze stand und deshalb verhaftet wurde. Das mag konsequent sein, aber ihn deshalb mit Schlagknüppeln aus dem Auto zu prügeln erschien mir dann doch etwas übertrieben. Andere Länder, andere Sitten.
Nach ca. 1,5h erreichten wir Lubumbashi – die zweitgrößte Stadt im Kongo und Dreh- und Angelpunkt für den Abbau von Rohstoffen, wie z.B. Kupfer und Cobalt, aber auch Coltan, Gold und Diamanten. Die Zentren der “Mining Industry” Likasi und Kolwezi sind nur ein paar Autostunden entfernt. Dennoch war es für uns nur eine Zwischenstation, bevor es richtig losgehen sollte. Die eigentlich wichtigste Station für mich war aber der Bahnhof von Lubumbashi. Dort wollte ich mich nach den Zügen Richtung Norden erkundigen. Die freundlichen Bahnmitarbeiter gaben mir zu verstehen, dass der Zug in Richtung Kindu am Tag zuvor abgefahren sei – die erste kleine Enttäuschung. Es bestand natürlich noch immer die Möglichkeit, den Zug auf halber Strecke irgendwo einzuholen und aufzuspringen, wenn wir mit einem Truck fahren. Diesen Gedanken im Hinterkopf machten wir uns auf den Weg in die Stadt und später zurück in unsere Unterkunft.
Am Abend saßen wir im Außenbereich unseres Hotels, machten Pläne für den kommenden Tag und diskutierten diverse Transportmöglichkeiten. Dabei lernten wir zwei Männer vom Nachbartisch kennen, die uns anboten am nächsten Morgen nach Likasi zu fahren und uns zusätzlich noch Zutritt zu einer Cobaltmine zu verschaffen. Während meiner Vorabrecherche habe ich gelesen, dass wohl auch der Ort von Ex-Premierminister Lumumba’s Ermordung auf dem Weg liegt. Auch dieser Wunsch sollte erfüllt werden.
Das lief mir schon fast ein wenig zu perfekt. Zwei Tage hintereinander im Hotel mit Unbekannten super Transportdeals abschließen? Egal, scheinbar läuft das hier so…dachte ich mir.
Wie vereinbart warteten die beiden morgens auf dem Parkplatz und wir waren “ready-to-go”. Auf halber Strecke gings dann über einen Feldweg in Richtung “Lumumba’s Assassination Place”. Nicht ausgeschildert und unspektakulär führt der Weg zu einer echten “secret location”. Plötzlich steht da eine alte DC-4, in der Lumumba damals nach Katanga gebracht wurde, bevor er ermordet wurde. (Das Flugzeug wurde später zu diesem Ort gebracht, um die Erinnerung zu wahren) Angrenzend befindet sich eine Art “Ruine” im Wald. Dort sind Statuen, eine Grabstätte und Grundmauern von Gebäuden. Ein älterer Mann tauchte aus dem Nichts auf und gab zu verstehen, dass er sich um das Areal kümmert. Er möchte uns gerne herumführen. Sollte dem wirklich so sein, hatte er bisher wohl relativ wenig zu tun, denn laut ihm kommt nie jemand zu diesem geschichtsträchtigen Ort. Fakt ist aber: Er hatte richtig Ahnung und konnte bis ins kleinste Detail alles Mögliche erklären.
Klar, da war sicher auch viel Legendenbildung dabei, wie z.B. eine große Einbuchtung in einem Baum, an dem Lumumba angeblich erschossen wurde. Ein Anhänger Lumumbas soll wohl dafür verantwortlich sein, damit die Nachwelt nicht vergisst, wo der Revolutionsführer zu Tode kam. Ob wahr oder nicht, der Ort selbst ist wirklich faszinierend und zumindest momentan noch ein echter Geheimtipp.
Weiter gings Richtung Likasi. Ungefähr 40 km vor Jadotville, wie Likasi bis 1966 noch hieß, bogen wir wieder in einen Seitenweg ab, der uns zur Mine führte. Erstaunlicherweise sind viele Minen nicht wirklich gut gesichert. Es gibt keine Checkpoints oder ähnliches, man kann einfach über die Zufahrtsstraße auf das Gelände fahren und mit etwas Geduld sogar bis zur Mine selbst gelangen. Das wird auch von vielen locals ausgenutzt, die in stillgelegten Bereichen der Mine noch das letzte bisschen Cobalt oder was auch immer gerade vorrätig ist, herausholen und die Ausbeute dann verkaufen. Von den Betreibern wird es geduldet und ist nicht ungewöhnlich.
Rund um die Mine bauen Menschen kleine Behausungen und es entsteht tatsächlich so etwas wie ein kleines Dorf, in dem sich alles nur ums Mining dreht. Da werden Werkzeuge verkauft, Nahrungsmittel, Wasser und und und. Natürlich gibt es auch einen Händler, bei dem man seine illegal abgebauten Rohstoffe verkaufen kann – zu einem Spottpreis, im Vergleich zu den offiziell lizensierten Händlern. Hierbei handelt es sich aber nicht um sogenannte “conflict minerals” im herkömmlichen Sinne, die noch immer ein großes Thema sind im Kongo.
Unser Besuch blieb nicht unbemerkt – verständlicherweise. 4 Leute und dazu noch ein Weißer. Allerdings wurden wir nicht von den offiziellen Betreibern angesprochen, sondern von denen, die sich illegal in der Mine aufhalten. Da muss man sehr vorsichtig sein, weil es bei diesen Menschen um ihre Existenz geht. Wir konnten die Situation schnell aufklären und setzten unsere Reise fort.
Viel Sehenswertes hat Likasi nicht zu bieten, wenn ich ehrlich bin. Aber auch hier war es so, dass wir nur eine Möglichkeit zum Übernachten benötigten. Diese fanden wir sehr schnell und erkundeten die Stadt nur kurz. Es gibt ein altes Sportgelände, mit verfallenem Pool etc., das hab ich natürlich mitgenommen, aber da sich auf dem ganzen Gelände Menschen einquartiert haben, ist ein Besuch der Gebäude eher schwierig.
So richtig sicher was heute geschehen würde waren wir uns nicht, als wir morgens aufwachten. Eins war aber klar: Unser Bus Richtung Kolwezi startet in weniger als 2 Stunden. Der Plan war, mit einem der Trucks die Richtung Norden fahren, bis nach Manono zu kommen. Noch vor einem Tag dachten wir, dass Kolwezi der ideale Startpunkt dafür wäre. Mehrere, unabhängige Quellen bestätigten uns aber, dass wohl Luambo “the place to be” ist, wenn es um Trucks Richtung Norden geht – ein Ort, der ca. 30 min. von Likasi entfernt liegt.
Luambo - Ngoya
Die Route ging von Luambo – Bunkeya – Kiubo – Mitwaba – Ngoya nach Kamina. Das bedeutete für uns, wir müssten in Ngoya ein neues Transportmittel für die restlichen 80 km bis Manono finden. Insgesamt waren wir 6 Leute in der Fahrerkabine. (Der Preis für uns beide lag bei ca. 70$) Das erschien uns fair für eine Strecke von knapp 400 km. Es besteht natürlich auch die Möglichkeit außen mitzufahren, wenn es die Ladung zulässt. In unserem Fall war es ein Container, der ein Mitfahren im Außenbereich nur zwischen dem Container und der Fahrerkabine ermöglicht. Das ist natürlich deutlich günstiger, aber auch um einiges gefährlicher. Auch diese Plätze wurden von zwei weiteren Mitfahrern besetzt. Was mir zu diesem Zeitpunkt nicht bewusst war: wenn es während der Fahrt zu stark regnet, dürfen diese beiden ebenfalls in die Kabine kommen.
Knapp 2 Stunden später, nachdem unser Gepäck wasserdicht verstaut war, konnte es dann endlich losgehen. Geplagt von der Hitze machte ich mir Gedanken, wie ich das 400 km aushalten soll. Wie sich später herausstellen sollte, war dieser Truck jedoch das komfortabelste Transportmittel, welches ich während meiner kompletten Reise haben würde.
Sowohl für den Fahrer, als auch den Rest der Besatzung war es das erste Mal, dass sie ein Weißer auf einer solchen Tour begleitet. Dieser Umstand bot natürlich viel Gesprächsstoff und an Langeweile war nicht zu denken. Schnell entwickelte sich bei Fahrer und Mitfahrern eine Art tourguideähnliches Verhalten. Niemand kannte die Strecke besser als der Fahrer, und wenn sich schon mal die seltene Möglichkeit bietet seine Kenntnisse weiterzugeben, war das der richtige Zeitpunkt. Alles was entlang der Strecke irgendwie von Interesse sein könnte, wurde mir angekündigt und auf Wunsch sogar angehalten. Das nenn ich mal Service.
So hatten wir die Möglichkeit, nach ungefähr 180 km die zwischen dem Upemba und dem Kundelungu Nationalpark gelegenen Kyubo Falls zu besuchen. Der Besuch der Wasserfälle ist für Kongolesen kostenlos. Als Mosungu muss man 20$ zahlen, wenn man nicht in der Lodge eingemietet ist. Weil unser Truck einen Kilometer weiter auf uns wartete und wir nur kurz einen Blick erhaschen wollten, erschien mir das zu teuer. Da wir aber schon mal hier waren und erst am Anfang unseres langen Trips die Urlaubskasse noch prall gefüllt war, sah ich das nicht als so problematisch an. 10 Minuten später waren wir auch schon wieder auf dem Weg zurück, um die letzten 200 km in Angriff zu nehmen.
Im Laufe der Fahrt wurde dann schnell klar, wir würden es heute nicht bis nach Ngoya schaffen. Was das allerdings genau bedeutete war mir bis dahin völlig schleierhaft.
Gegen 16:00 Uhr stoppten wir kurz vor Mumbolo an einem kleinen Bach, der als Waschmöglichkeit diente. Eine Stunde später: “on the road again”. Als es dunkel wurde überquerten wir Ausläufer der Mitumba Mountains, die mir zum ersten Mal während der Reise zeigten, wie es sich anfühlt bei schlechten Straßenverhältnissen in einem Truck zu sitzen. Nach und nach sickerten Infos zu mir durch, dass der Streckenabschnitt vor uns nicht sicher sei bei Nacht und wir deshalb in einem kleinen Dorf anhalten und übernachten würden. “Nicht sicher” bedeutete in diesem Fall, dass sich in dem Gebiet Rebellen versteckt halten die vorzugsweise nachts Trucks überfallen oder anderweitig für Ärger sorgen. Die Gegend ist auch bekannt als “Triangle of Death”, welches durch die Städte Manono, Mitwaba und Pweto gebildet wird. In den vergangenen Jahren waren dort hauptsächlich Mai Mai Milizen aktiv, die zwar mittlerweile an Stärke eingebüßt haben, aber dennoch präsent sind.
Zurück auf ebener Strecke wurde der Truck plötzlich langsam und Taschenlampen leuchteten auf der Straße vor uns auf. Mit leichter Schnappatmung verkroch ich mich unter meiner Kapuze, um nicht unnötig Aufsehen zu erregen. Da alle anderen aber relativ ruhig blieben war schnell klar, dass die Situation nicht gefährlich war. Es war das Militär die uns darauf hinwiesen, dass die nächsten Kilometer – bis zu unserem Nachtstopp – sicher seien und keine Angriffe zu befürchten wären. Nun ja, das klang doch erstmal beruhigend. Also bedankte man sich bei den Männern, steckte ihnen ein wenig Geld zu und wir fuhren weiter durch die Nacht. Um 23:00 Uhr erreichten wir Mitwaba und parkten den Truck neben ein paar anderen, die es nicht bis Ngoya geschafft haben.
Für uns stellte sich noch immer die Frage wie und wo wir übernachten sollten. Die Antwort darauf bekamen wir, als wir sahen wie sich alle, außer dem Fahrer, einen Platz unter dem parkenden Truck, bzw. daneben suchten. Hat sich also schonmal gelohnt, einen nicht unwesentlichen Teil an Stauraum in meinem Rucksack für meinen Schlafsack zu verwenden. Chris war “etwas weniger vorbereitet” und musste die Nacht auf einem Stück Pappe verbringen, die wir dem Truckfahrer abluchsen konnten.
Noch vor Tagesanbruch, gegen 4:00 Uhr, hieß es dann für alle: “Aufsatteln”! 3 Stunden später waren wir am Ziel: Ngoya. Hier trennten sich dann unsere Wege. Der Truck fuhr Richtung Westen nach Kamina und wir suchten uns zwei Mototaxis, die uns nach Manono im Norden bringen sollten. Bevor es weiterging besuchten wir aber noch die heißen Quellen, die uns vom Truckfahrer beschrieben wurden. Diese befinden sich auf dem Gelände einer ehemaligen Mining Company.
Ngoya - Manono
Mittlerweile war es 10:30 Uhr und vor uns lagen 80 km Feldweg, die nur mit einem Motorrad zu bezwingen waren. Offiziell gilt dieser Weg allerdings als “national route”, was sich weder mir, noch den Mototaxifahrern erschlossen hat. Die Strecke hatte es wirklich in sich, nicht nur wegen der Beschaffenheit, sondern vielmehr wegen der unzähligen Checkpoints, die total random errichtet wurden.
Mal wurde der Weg von der hiesigen Dorfjugend am Ende eines Dorfs mit einem Baumstamm versperrt und erst nach Zahlung von meist nicht mehr als 1$ durfte man passieren. Viele andere Male waren wir der weitverbreiteten Polizeiwillkür ausgesetzt. Sobald sie mich sahen war klar: da ist was zu holen. Die gängigste Methode war es dem Mototaxifahrer etwas anzuhängen. Das waren immer absolut lächerliche Dinge, wie z.B. fehlerhafte Dokumente, falsches Nummernschild, kein Helm, kein Was auch immer…
Dafür sollte der Fahrer dann natürlich zahlen, was nie einer tat, denn alle wussten das Ganze geschieht nur weil er mich dabei hat. Entsprechend lange dauerten die Diskussionen an diesen Checkpoints. Ich war wahnsinnig genervt von diesen Aktionen und es lief immer aufs Gleiche hinaus: am Ende hab ich gezahlt und wir durften weiterfahren.
Oft haben sie auch gemerkt, dass das andere Mototaxi auch zu uns gehört. So wurde gleich zweimal Kasse gemacht. Stehe ich jetzt weitere 20 min. bei 40° hier rum oder zahle ich eben 1$ oder 2$ und bin schnell hier weg? Anfangs hab ich das noch nicht so kritisch gesehen. Da diese Checkpoints aber immer wieder auftauchen, besonders in sehr abgelegenen Gebieten, kann man sich schnell ausrechnen, dass bei der Zeit und der Strecke die wir noch vor uns hatten, einiges zusammenkommen würde. Die Abzocke der “DGM” (Direction Generale d’Immigration) ist da noch nicht mal berücksichtigt. (dazu gibt es einen kleinen extra Beitrag weiter unten)
In Manono angekommen fuhren wir als erstes zu unserer Unterkunft. Ein von der katholischen Kirche betriebener Gebäudekomplex, direkt neben der Kirche im Zentrum der Stadt. (auch das war ein Tipp von einer unserer Mitfahrerinnen im Truck, der sich als sehr hilfreich erwies)
Die Frage nach einem “shared room” für zwei männliche Gäste konnten wir uns im streng katholisch geprägten Manono sparen. Für uns hieß das: 20$ pro Zimmer und Person. Kein wirkliches Schnäppchen, aber zumindest hatten wir das Gefühl, sicher untergekommen zu sein. Manono war und ist bis heute ein wichtiges Zentrum der Mining Industry. Rund um die Stadt wird vor allem Coltan abgebaut. Richtig bewusst wird einem das eher indirekt. Hauptsächlich dadurch, dass chinesische Firmen dort allgegenwärtig sind und “1a-Straßen” an strategisch wichtigen Stellen bauen. Wohingegen Straßen die weiter als 2 km vom Stadtzentrum entfernt sind, nach wie vor in einem Zustand sind, der die Bezeichnung “Straße” nicht verdient. Geahnt habe ich die Präsenz der Chinesen schon früher. Bereits auf dem Weg nach Manono, begrüßten mich Kinder im Vorbeifahren mit einem lauten “ni hao”.
Ich genoss das neue Gefühl als Chinese wahrgenommen zu werden.
Wie sonst auch war es in Manono zunächst am wichtigsten, eine Transportmöglichkeit für den kommenden Tag zu finden. Die Stadt selbst liegt nur knapp 50 km vom Lualaba River entfernt. Dort legen in unregelmäßigen Abständen Boote ab, die unterschiedlichste Güter Richtung Norden transportieren. Die Straße nach Myumba – einem kleinen Dorf direkt am Fluß – ist dank chinesischer Hilfe in einem guten Zustand, der es uns ermöglichte in weniger als einer Stunde dort zu sein. Leider wurde uns vor Ort gesagt, dass das nächste Boot erst in 3 bis 4 Tagen eintreffen würde und selbst das war nicht sicher. Das hieß in unserem Fall: wieder Mototaxi.
Bei einem abendlichen Sit-In mit den Priestern der Gemeinde wurde noch das ein oder andere Bier getrunken und sich über die Route, bzw. Pläne der kommenden Tage unterhalten. Auch in diesem Gespräch gab es wertvolle Tipps, die uns auf unserer Reise helfen sollten. Einer der Geistlichen erzählte uns von einem Wasserfall, der so spektakulär sein sollte, dass die Kiubo Falls dagegen völlig lächerlich wirken. Das weckte natürlich unser Interesse, da diese Art von Mund zu Mund Propaganda in solch abgelegenen Gebieten wirklich Gold wert sein kann. Der Ort befindet sich in der Nähe von Kongolo und trägt den Namen “Portes d’Enfer” (Das Tor zur Hölle). Das klang vielversprechend und sollte sich im Laufe unseres Trips als absoluter Running Gag etablieren.
DGM (Direction Generale d’Immigration)
DGM Leute tauchen wie aus dem Nichts auf sobald sie mitkriegen, das man in deren Stadt oder Dorf ist. Mal uniformiert, meist aber in zivil sodass man sie von der normalen Bevölkerung nicht unterscheiden kann. Man wird aufgefordert sich zu registrieren und dafür natürlich auch zu zahlen. Kopien vom Pass werden auch gemacht – immer in einem lokalen Copyshop. Das muss man dann auch bezahlen. Die Leute nehmen sich wahnsinnig wichtig und machen ein riesen Ding daraus. Das kann dann durchaus auch mal zwei Stunden dauern und nervt ohne Ende. Es kam auch relativ häufig vor, dass man trotz Touristenvisum nach seiner “mission order” gefragt wurde.
Kleiner Tipp: Unbedingt die Kontaktdaten, bzw. Mobilnummer des Mitarbeiters geben lassen, da man in manchen Dörfern gefragt wird, wo man sich zuletzt registriert hat. Kann man nicht nachweisen, dass man sich bereits registriert hat, wird es richtig stressig.