Congo’s hidden secrets

Abandoned places, mining sites and witchcraft

Auf der Suche nach den letzten Geheimnissen des Kongo

2024

May/June

Rating
95
Fotografie
90
Entdeckergeist
75
Militärpräsenz
100
Korruption
Location

Le Mundele est de retour

Schon während meines ersten Trips in die DRC 2019 wurde mir schnell klar: demokratisch ist hier gar nichts. Das ganze Land ist geprägt von Korruption, und das durch alle Schichten.
Je weiter man sich jedoch in abgelegene Gebiete begibt, desto mehr dreht sich der Begriff der Demokratie einfach um. Entscheidungen werden nicht mehr durch den Mehrheitswillen der Bevölkerung gefällt, sondern viel mehr durch den Willen derer, die entweder bewaffnet sind oder in der Gegend das Sagen haben. Das ist nicht nur im Kongo so. Viele andere Länder handhaben das genauso. Für Menschen wie mich sind das eigentlich gute Voraussetzungen – nichts ist unmöglich, alles nur eine Frage des Geldes. Du willst ins Rebellengebiet? Kein Problem.
Du musst in ein abgelegenes Gebiet wohin es keine normale Flugverbindung gibt? Kein Problem, wir packen dich einfach in ein Cargo Plane zwischen Hilfsgüter und Lebensmittel.
Die M23 Rebellen sind bis nach Sake, etwa 20km vor Goma vorgerückt. Nach kurzer Zeit haben sie die Kontrolle über Rubaya erlangt, eine der größen Minen in dem Gebiet. Weiter östlich haben sie eine strategisch wichtige Stadt am Lake Kivu eingenommen.
Nördlich von Goma waren sie ja schon vorher. Im Osten an Goma grenzt Ruanda, der Erzfeind. Heißt konkret: Goma ist umzingelt. Die Stadt auf dem Landweg zu verlassen oder zu betreten ist also insbesondere Richtung Westen quasi nicht möglich. Während meines ersten Trips 2019, bin ich aus dieser Richtung noch den ganzen Weg von Kisangani mit dem Motorrad gekommen.
Man kann also sagen: In den letzten 5 Jahren ist es sicher nicht leichter geworden, den Kongo zu bereisen. Erschwerend kommt hinzu, dass die kongolesische Staatsbank die Situation als so kritisch einschätzt, dass sie Goma komplett den Geldhahn abdreht. Niemand, weder Besucher noch Einwohner haben die Möglichkeit Geld am Automaten abzuheben. Heißt also: Cash ist King.
Ich habe meinen Trip allerdings so geplant, das ich nur 4 Tage in Goma sein würde und die Gegenden, die ich besuchte, nur zu etwa 15% von Rebellen oder lokalen Milizen kontrolliert werden.
Am Ende war es jedoch eine ganz andere Gefahr, welche beinahe dafür gesorgt hätte, dass dies um ein Haar mein letzter Trip gewesen wäre.

Die Planung

Erneut stand meinem Trip eine ausführliche Recherche voran. Fast all meine Reiseziele hatte ich schon mehrere Jahre auf dem Schirm, bis auf ein kleines Dorf im Nordosten, Medje. Dieses Dorf befindet sich südlich von Isiro, der Hauptstadt von Haut-Uele. In dieser Gegend sind die Mangbetu People beheimatet. Eine Volksgruppe, die ursprünglich aus dem Sudan kommt. Sie sind hauptsächlich bekannt für ihre spezielle Kopfform, welche durch gezielte Verformung des Schädels bereits im Säuglingsalter erreicht wird. Außerdem sind sie bekannt für Witchcraft und viele andere Dinge, die der Hexerei und Zauberei zugeschrieben werden. Doch dazu später etwas mehr.

Aufgrund der instabilen Lage musste natürlich für jedes Ziel erstmal ein Security Check gemacht werden. Sah ganz gut aus soweit.

 

Für diesen Trip habe ich mir jedoch zwei Leute ausgesucht, die mich begleiten. Einer der mich in Tschopo bis nach Bas-Uele begleitet und der andere in und um Lubutu Richtung Walikale. Genau dort wollte ich mir einen lang gehegten Traum erfüllen. Der Besuch einer Artisanal Mining Site tief im Dschungel.
So ein Vorhaben ist mit großen Schwierigkeiten verbunden und man braucht jemanden, der sich wirklich gut in der Gegend auskennt und entsprechende Connections hat.

 

Ein weiteres Highlight sollte der Besuch von Yambuku werden, der Ort an dem 1976 der erste Fall von Ebola weltweit dokumentiert wurde. All diese Gegenden waren so abgelegen und schwer zu erreichen, dass ich mir schon ein wenig Sorgen machte, ob alles gut gehen würde.

Unterwegs

Ich kam so gegen 18:00 Uhr in Kigali an und organisierte mir einen Fahrer, der mich noch am gleichen Abend nach Gisenyi bringen sollte. Nach etwa 3,5h waren wir in der Grenzstadt und ich gönnte mir erstmal ne Mütze Schlaf.


Ein Grenzübertritt nach Goma war nicht möglich, weil die Grenze ab nachmittags um 15:00 Uhr geschlossen ist. Am nächsten Morgen gings dann aber Richtung DRC. Der Grenzübertritt verlief problemlos. Keinerlei Kontrolle des Gepäcks auf Waffen oder sonstigen illegalen Sachen.
Mit dieser, für mich neuen Erkenntnis, begrüßte ich meinen Freund auf kongolesischer Seite und sagte zu ihm: „Kein Wunder das ihr hier so viel Trouble habt, wenn ihr jeden unkontrolliert ins Land lasst.“


Nach viel Gelächter liefen wir rüber nach Goma, in den Kongo. Etwa 25m nach der Grenze passierten wir den ersten Checkpoint. So egal wie ihnen illegale Mitbringsel sind, desto wichtiger sind dem Personal an Checkpoints Möglichkeiten, westlichen Besuchern das Geld aus der Tasche zu ziehen. Nachweis zur Gelbfieberimpfung, vollständige Covidimpfung etc. All das ist nicht notwendig!

 

Wenn man Lust und Zeit hat, sich mit denen anzulegen, kann man anfangen zu diskutieren. Allerdings empfiehlt sich dann, am Ende der Diskussion einfach seinen Impfausweis vorzulegen. Das verägert sein Gegenüber dann doch ziemlich doll.
Den Spaß habe ich mir, wann immer möglich, gegönnt. Nachmittags gings dann nach Kisangani, wo mich mein lokaler Kontakt bereits erwartete. Die ersten 2 Wochen hatten wir schon komplett durchgeplant, weshalb wir den Abend in einer der vielen Bars verbrachten.

Goma

volcano eruption site

Kisangani

Airport security

Vor Ort (Banalia)

Am nächsten Morgen fuhren wir in den Norden Kisanganis, zum Tshopo River – einen Nebenfluß des Congo. Dort wartete bereits unser Fahrer. Mit ihm ging es dann weiter Richtung Norden zu unserer ersten Station: Banalia. Eine Gegend in der es viele kleine Goldminen gibt. Von dort aus sollte es am nächsten Tag weiter gehen, nach Buta, Aketi, Bumba bis nach Yandongi, Ebola river source und schließlich Yambuku. Und natürlich den ganzen Weg wieder zurück. Insgesamt ca. 1500 km. Die 120 km bis nach Banalia haben mir nach unserer Ankunft am frühen Abend doch mehr zugesetzt als ich dachte. Na ja, sind ja nur Kopfschmerzen…bis morgen sind die weg. Am nächsten Morgen hat sich meine Anwesenheit bereits rumgesprochen und wir mussten erstmal bei den hiesigen Sicherheitsleuten vorstellig werden. Das funktioniert in der Regel sehr gut in abgelegenen Gebieten. Niemand der verantwortlich ist für Sicherheit in einem Dorf, lässt irgendjemanden wohlwissend um Gefahren auf seiner Route, einfach weiterreisen. Schon gar nicht, wenn es ein Tourist ist. Je nach Gefahrenlage natürlich. Das morgentliche Briefing brachte neue Erkenntnisse über die vor uns liegende Etappe nach Buta, etwa 200 km. Auf unserer Route bei Bambongo (20 km vor Banalia) gab es heftige Kämpfe zwischen Dorfbewohnern. Man sagte uns, in der Regel könne man schon passieren, aber man weiß ja nie was geschieht, wenn sie mich dort sehen. Hm, und dieser Teil der Route galt als sicher. Was nun? Wir diskutierten ein wenig und entschieden uns am Ende dagegen. Es war immerhin erst mein zweiter Tag, und die restlichen 4 Wochen sofort aufs Spiel setzten?! Keine gute Idee. Ich hatte immerhin schon eine Backup-Idee im Kopf.
Bengamisa

on the way to Banalia

Banalia

Mining people

Leute vom DGM waren mittlerweile auch da, zu meiner Überraschung ziemlich empathisch. Auch sie konnten meine Enttäuschung sehen. Diese Situation versuchte ich für mich zu nutzen.


Ich dramatisierte ein wenig und gab ihnen zu verstehen, dass jetzt meine ganze Planung hinfällig sei und ich nicht weiß was ich machen soll. Da ich aber auf meiner Rückreise sowieso eine Goldmine in der Nähe besuchen wollte, könnte ich das doch jetzt gleich machen.


Eine Win-Win Situation – DGM verdient etwas Geld und ich kann die Mine besuchen. Na, Deal? Nach 5 Minuten waren wir uns einig. 100$ wechselten den Besitzer und es ging mit 2 Mototaxis in Richtung Mine.
Der Preis war echt ein Schnäppchen. Mit den Minen ist es nämlich so: auch wenn es relativ viele in bestimmten Gegenden gibt, natürlich sind die nicht ausgeschildert und die meisten davon liegen mehrere Kilometer versteckt im Dschungel. Alleine kommt man da nicht hin.
Man benötigt also so oder so jemanden, der einen hilft dorthin zu kommen. Für 100$ hatte ich nun also zwei Offizielle an meiner Seite, einer war für die Mine verantwortlich und der andere war vom DGM – also alles safe.


Die Gegend um Banalia ist bekannt für seine Goldvorkommen. Die Goldminen dort sind nicht zu vergleichen mit den riesigen industriellen Minen im Süden rund um Kolwezi, wo die Chinesen Cobalt, Coltan und Kupfer abbauen. Das erkennt man als erstes schon weit bevor man eine Mine sieht, am Zustand der Straße.
Es ist kein Problem für die Chinesen, bestehende Straßen zu erneuern oder zu teeren, so dass große Trucks leichter passieren können. Das sieht man vor allem im Süden und in Teilen Zentralkongo’s. Dort lohnt sich der Aufwand. Um Banalia lohnt sich das nicht.


Chinesische Bergbaufirmen sind in der Provinz Tschopo nur wenig vertreten. Wenn überhaupt, dann in der Nähe des Congo River, damit der Transport gewährleistet ist.

Da der Besuch dieser „Artisanal Mining Site“ spontan war, hatte ich keine Ahnung was da auf mich zukommt. Etwa 5 km von Banalia stoppten wir, nichts deutete auf eine Mine hin. Linker Hand waren zwei Strohhütten, vor denen 2 Frauen mit ihren Kindern ihren Alltag bewältigten.
Wir gingen an ihnen vorbei, grüßten sie und ich gab ihnen ein paar Kekse und zwei leere Wasserflaschen. Weiter in Richtung Dschungel um 12:00 Uhr mittags, 40° und etwa 80% Luftfeuchtigkeit.

 

Nach nur etwa 15 Minuten erreichten wir durch ein dichtes Waldstück eine Lichtung mit einem Fluss und mehreren kleinen Gruben. Es waren 6 Personen anwesend, die offensichtlich gerade Mittagspause machten. Na super, macht ja gleich ’n guten Eindruck hier bei der Nahrungsaufnahme zu stören. Die Jungs waren aber ganz entspannt und gaben mir einen kleinen Einblick in ihren Arbeitsalltag.

 

1g Gold direkt aus der Mine bekommt man für 50$. An einem Tag machen sie im Schnitt 5 bis 6g. Das ist nicht viel, wenn man bedenkt, das die 6 Leute auch bezahlt werden müssen. Nach einer halben Stunde verabschiedeten wir uns und fuhren zurück nach Kisangani.
Auf dem Rückweg spottete mein Freund in einem kleinen Dorf eine Art Werbeschild für einen lokalen Hexenmeister. Da er gesundheitlich sowieso etwas angeschlagen war und ihm eine Behandlung sicher helfen würde, legten wir einen Stopp ein. Die ganze Prozedur dauerte etwa 50 min. und war trotz der Tatsache das ich kein Wort verstanden habe, wahnsinnig interessant.

Witchcraft

Between Banalia and Bengamisa

Das Isiro Problem

Wieder zurück in Kisangani hieß es: Ein alternativer Plan muss her. Auf dem Landweg nach Yambuku war also zu gefährlich. Mit einem der großen Cargo Boats auf dem Congo River bis nach Bumba und von dort mit dem Motorrad weiter? Hm, dauert superlang. Außerdem gibt es keinen festen Fahrplan.
Ok, wir entschieden uns, das weitere Vorgehen im Innenhof meines Hotels bei ein paar Bier zu besprechen. Als wir zu meiner kleinen Herberge kamen, saßen zwei Männer im Außenbereich an einem Plastiktisch und tranken hochprozentiges – 2 riesige Flaschen Johnnie Walker Red und Blue Label.


Oha! Was ist da denn los?! Bevor ich mich weiter wundern konnte, fing mein Freund plötzlich an mit einem der beiden zu reden. Es war fast schon eine überschwängliche Begrüßung. Hm, er kennt auch echt jeden…Wahnsinn. „This is my father.“ Hä? Wieso ist sein Vater jetzt bei mir im Hotel und säuft sich hier die Hucke voll?


Die beiden luden uns ein und wir haben uns die nächsten zwei Stunden schön zurecht gemacht.
Das es nicht sein richtiger Vater war, hab ich übrigens erst am nächsten Tag erfahren. Keine Ahnung wie sie das machen, aber die Menschen dort können am Äußeren sehen, ob derjenige vom gleichen Stamm kommt wie man selbst. Will also heißen: Kommt jemand ursprünglich aus der gleichen Gegend, ist es also je nach Alter, Vater, Bruder oder andere Verwandtschaft.
Schön, Familientreffen. Wir erzählten ein wenig von unseren Erlebnissen und davon, dass wir jetzt einen neuen Plan brauchen. Im Laufe des Abends stellte sich heraus, das der andere Typ irgendein hochrangiger Militär war, der in Dungu stationiert ist. Dungu liegt im Norden nah an der Grenze zum Süd Sudan.
Dort in der Nähe liegt auch Isiro. Er hatte ein paar Tage frei, die verbringt er in der Regel in Kisangani mit seinen Bodyguards, die ich am nächsten Tag noch kennenlernen sollte.


Das erklärt auch den teuren Alkohol…der Weg dorthin und die Gegend sind so gefährlich, da kann jeder Tag der letzte sein. Sobald er seinen Sold erhalten hat und ein paar Tage frei, heißt es: YOLO, ihr Penner!
Klar, kongolesischem Militär zu trauen, insbesondere wenn sie besoffen sind, ist keine gute Idee. Er sagte dann, wir können uns die nächsten Tage nochmal unterhalten, vielleicht gibt es eine Möglichkeit, mich nach Isiro zu bringen.
Die folgenden Abende verliefen ganz ähnlich. Einladung folgte auf Einladung. Am 3. Abend wurde es dann konkreter und wir diskutierten die Risiken.

Sect Ops

unterwegs in geheimer Mission

Isiro liegt an der Grenze zwischen Bas-Uele und Haut-Uele. Will man aus Richtung Kisangani auf dem Landweg nach Isiro, muss man unter anderem durch Bafwasende – eine strategisch wichtig gelegene Kleinstadt nahe der Provinz Ituri, welche derzeit als eine der gefährlichsten im Kongo gilt.

Selbst die Tatsache, dass wir mit kongolesischem Militär unterwegs sein werden, bedeutet keinen 100% Schutz. Fährt man durch Gebiete, die teils durch Rebellen kontrolliert werden heißt das auch, das selbst das Militär dieser Gefahr ausgesetzt ist und in manchen Fällen sie sogar Vereinbarungen haben.
Ihr lasst uns in Ruhe, wenn wir euch in Ruhe lassen. Da diese Einheit ständig auf der Strecke unterwegs ist, kennt man sich. Ist dann jemand dabei, der da offensichtlich nicht hingehört, wirft das unnötig Fragen auf und birgt potenzielle Gefahren für alle Beteiligten.

Auf der Strecke passiert man auch zwei Nationalparks, in denen illegale Jagd auf geschützte Tiere stattfindet. Mit solchen Leuten ist nicht zu spaßen. Gerät man in einer so abgelegenen Gegend in einen Hinterhalt, ist sowieso alles vorbei.
Das ganze wird auch kein Touristentrip, wo man ständig anhalten kann, um Fotos zu machen. Ja ja, schon klar…hab ich verstanden. Könnt ihr mich trotzdem mitnehmen? Ich wäre bereit, 800$ springen zu lassen. (Diesen Betrag hätte ich nämlich sowieso zahlen müssen, wenn es einen Flug gegeben hätte.)

Alles klar. Deal! Ja cool, übermorgen geht’s los. Er müsse nur noch in Kinshasa anrufen und seinem Vorgesetzten Bescheid sagen, dass sie jemanden mitnehmen. Das hörte sich für mich eher nach einer reinen Formalität an.
Am nächsten Morgen traf ich ihn im Außenbereich des Hotels und er hatte schlechte Nachrichten im Gepäck. Sein Vorgesetzter in Kinshasa hat abgelehnt, dabei hat er ihm noch nicht mal gesagt das ich Mundele bin. Mist!

Kisangani - Basoko - Bumba

Um hier die nächsten zwei Wochen nicht vollends dem Alkoholismus anheim zu fallen, musste jetzt dringend eine Möglichkeit gefunden werden, doch noch nach Yambuku zu kommen – zumindest erstmal bis nach Bumba.


Die Chance jemanden zu finden, der uns in so ner Nußschale bis nach Bumba und zurück fährt ging gegen Null. Aber Kongo wäre nicht Kongo, wenn es nicht irgendwo ein paar Verrückte gibt, die für Geld alles machen. So auch am Hafen von Kisangani.
2 Typen mit einer motorisierten Pirogue waren offenbar auch in Abenteuerlaune und sagten zu, uns bis nach Bumba und zurückzubringen – 700km. Formalitäten und finanzielles wurde geklärt, so dass wir einen Tag später morgens starten könnten.


Das Boot war ein ausgehöhlter Baumstamm, nicht mal 1m breit. Keine Möglichkeit Schutz vor Regen oder Sonne anzubringen. Ein kleiner Außenboarder drangeschraubt, der dem ganzen Rest zu einer maximalen Geschwindigkeit von 18km/h verhilft.
Da Sprit, je weiter man sich von Kisangani entfernt umso teurer wird, luden die beiden noch ein 300l Fass Benzin mit ein. Unser kleines Reise-Ensemble wurde abgerundet durch zwei Plastikstühle, die wir uns von einem Obststand am Hafen „ausgeliehen“ haben.
Alle Mann an Bord?! Yep, kann losgehen!

 

So eine Bootsfahrt auf dem Congo River ist vorallem eins: langweilig. Rundherum nur Wasser und kilometerweit nur Ufer mit Bäumen und spielenden Kindern, falls mal ein Dorf auftaucht. Interessant wird es höchstens mal, wenn man irgendwo anlegt um Nahrungsvorräte aufzufüllen.
Ansonsten ist man den Witterungsbedingungen gnadenlos ausgesetzt. Bei zu starkem Regen, Blitz und Donner war eine Weiterfahrt zu riskant und wir mussten entweder am Ufer oder an einer der vielen Inseln Halt machen.
Bei Dunkelheit zu fahren ist auch nicht so gut, weil man die Netze der Fischer in Ufernähe nicht sieht und sich diese in der Schraube des Außenborders verheddern können. Manchmal sind wir aber doch für 2 bis 3 Stunden in absoluter Dunkelheit gefahren, um z.B. ein größeres Dorf zu erreichen wo wir übernachten konnten.
So erreichten wir nach etwa 16 Stunden und 200km Basoko. Es war schon mitten in der Nacht und es gab kein Hotel weit und breit. Am Hafen sprach uns ein Typ an, dem eine Bar gehört. Wir könnten für 10$ in seiner Abstellkammer pennen.
Wir tranken noch ein Bier und wollten es uns gerade zwischen 3 Generatoren und vergammelten Matratzen gemütlich machen, da stand plötzlich ein sturzbesoffener DGM Typ vor uns. Och nö! Es dauerte fast 40 min ihn von 30$ auf 10$ runterzuhandeln. Dann lies er uns aber in Ruhe.
Nach 4 Stunden war die Nacht vorbei und wir gingen Richtung Hafen, wo unsere beiden Skipper im Boot gepennt haben. 4:30 morgens gings wieder los, nochmal knapp 200km bis Bumba.


Mit Sonnenuntergang erreichten wir Bumba, eine wichtige Stadt für Händler aller Art. Von hier aus starten viele nach Norden an die Grenze zur Zentralafrikanischen Republik. Die meisten davon mit Fahrrädern, die sie bis oben hin beladen und den ganzen Weg schieben.

Kisangani

Nußschale

Basoko

Overnight im Schuppen

Bumba

Port

Ebola River und Yambuku

Oh man ich hätte dieses Ziegenfleisch, welches mir gestern Abend aus dem Halbdunkeln angeboten wurde nicht essen sollen. Mir war kotzübel am Morgen und in einer halben Stunde sollte es losgehen zu meinem ersten richtigen Highlight: Ebola Patient Zero Hospital in Yambuku. Nachdem ich die Ziege wieder losgeworden bin und eine Zigarette geraucht habe, gings aber ganz schnell wieder besser. Mein Freund hat in der Zeit, während ich mich noch etwas regeneriert habe, ein Mototaxi für uns klargemacht – guter Mann.


110km lagen vor uns und die Streckenverhältnisse waren genau so, wie man sie sich im Nord-Kongo vorstellt. Noch schlimmer als die Strecke selbst, war die Dichte an Checkpoints. Jedes Dorf hat seine eigene lokale Miliz positioniert. Das kostet wahnsinnig viel Zeit, Geld und Nerven.
Mit einem kleinen Trick konnten wir das aber größtenteils umgehen.
Nimmt man von Bongolu einen 60km Umweg Richtung Nord-Osten kommt man im absoluten Nirgendwo zur Quelle des Ebola River. Auch dieser Ort war mir besonders wichtig. Im Nachhinein betrachtet kann ich sagen: Nochmal würde ich nicht dorthin. Es ist wenig späktakulär und die Straßen, bzw. Wege sind so schlecht, das man wirklich ewig braucht.
Von der Quelle des Flusses gings dann wieder zurück nach Bongolu und von da nach Yandongi, ein etwas größeres Dorf ungefähr 10km von Yambuku entfernt. Wir legten eine kurze Pause ein und starteten unsere letzte Etappe in das kleine Dorf, in dem 1976 der weltweit erste Patient mit Ebola diagnostiziert wurde.

Ebola River

Source of Ebola River

Yambuku

Ebola Patient Zero Hospital

Yambuku Hospital

Pricelist

Yambuku – Ebola Patient Zero

Bei erstaunlich guten Straßenverhältnissen flogen wir fast durch das kleine Waldstück, das die beiden Dörfer trennt. Immer geradeaus und dann scharf rechts – et voilá, da waren wir. Das Krankenhaus von Yambuku besteht aus 6 langen, flachen Gebäuden, weitestgehend ohne Inneneinrichtung. Vereinzelt sieht man mal ein Bett, in dem man keinesfalls liegen möchte, wenn man krank ist.


Handgemalte Anleitungen für Operationen oder andere Behandlungen kann man z.B. im „Labor“ anschauen. Ich fiel draußen auf dem Gelände natürlich auf wie ein bunter Hund. Das war wohl auch der Grund, warum nach nur 2 min. jemand aus einem der Gebäude kam und uns ansprach.
Ich erklärte ihm warum ich den weiten Weg auf mich genommen habe und fragte ihn, ob ich mich mal umschauen könnte. Auch wenn dort so gar nichts an Krankenhaus erinnert, kann man als Unbefugter nicht einfach so durch die Gebäude laufen, ist klar.


Der nette Herr war ganz angetan von meinem Interesse und konnte es nicht glauben, das ich wegen seinem Krankenhaus einen so weiten Weg zurückgelegt habe. Wie sich nämlich herausstellte, war er der Chefarzt und Leiter dieser Einrichtung.


Nach einem kleinen Schnack in seinem Büro gabs Chefarztbehandlung, d.h. er führte mich durch alle Gebäude, Patientenzimmer, Labor, Leichenhalle, Verwaltung und und und. Viele Patienten hatten sie nicht, abgesehen von einem Mann der draußen an der Wand stand und einen etwas desolaten Eindruck machte. Verband am Hals und Kopf, ein Auge war komplett weiß und hing auf halb acht.
Den stellte er mir gleich vor und meinte, das er ihn gestern operiert hatte und er schon wieder auf dem Weg der Besserung wäre. Auf meine Frage, was denn passiert sei hieß es: Arbeitsunfall. Machete unter dem Kinn schräg durch den Hals und oben am Kopf wieder raus.


Mir wurde kurz schlecht und ich schaute ihn nochmal an…das sah tatsächlich so aus. Ein paar seiner Familienmitglieder standen um ihn herum und stützten ihn. Nichts für ungut, aber nicht ein einziger Raum dort sah so aus, als könnte man eine solche Operation durchführen.


Es gibt keine Türen und Fenster, alles sieht aus wie ein Rohbau, steril ist da auch nix. Ernsthaft krankwerden möchte man dort nicht, so viel ist sicher. Die meisten Patienten, die dorthin kommen sind Frauen, wenn sie Probleme bei der Geburt haben und es sich leisten können.


Sollte man in einer solchen Gegend ernsthaft erkranken, bedeutet das meist das Todesurteil.

Mich interessierte natürlich insbesondere die Zeit um 1976 und den ersten Fall von Ebola. Aus erster Hand konnte der Arzt nicht berichten, dazu war er zu jung. Er holte aber eine Schwester hinzu, die etwas älter war und während dieser Zeit im Krankenhaus anwesend.
Im Schwesternwohnheim hingen sogar Fotos der Missionare, die 1976 dort tätig waren und bei dem ersten Ausbruch ihr Leben verloren. Eigentlich dachte ich, dass das wie eine Art Hotspot zu der Zeit war und es dort wahnsinnig viele Fälle gegeben hat. Das war aber nicht der Fall.
Es gab „patient zero“ und 5 Missionare, einer war Arzt, die 4 Frauen waren als Schwestern tätig. Danach gab es bis heute keinen einzigen Fall von Ebola, der dort im Krankenhaus diagnostiziert wurde. Liegt mit Sicherheit auch daran, dass die Betroffenen und Angehörigen wissen, das man da wenig bis gar nix machen kann.


Bevor also wieder Leute mit Schutzanzügen durch ihr kleines Dorf rammeln, wird die Verwandtschaft still und heimlich im Garten verbuddelt damit es niemand mitbekommt. All das war wahnsinnig interessant und ich wäre am liebsten noch zwei/drei Tage länger dort geblieben. Darüber sollte man mal ne Dokumentation machen.

Belgika Island

Am späten Abend waren wir zurück in Bumba und leisteten uns zur Feier des Tages das teuerste Hotel für 30$. Vor uns lagen immerhin wieder 2 Tage auf dem Congo River, bis wir in Kisangani ankommen würden.
Für den Rückweg habe ich mir allerdings ein weiteres kleines Highlight aufgehoben. Ungefähr 2 Stunden von Kisangani entfernt liegt eine etwas größere Insel mitten im Congo River – Belgika Island.


Weitestgehend unbekannt für Touristen, aber mit einer interessanten Geschichte. Während der Kolonialzeit wurde dort im großen Stil Kautschuk produziert. An manchen Stellen finden sich noch alte Maschinen, überwuchert vom Dschungel.
Momentan leben auf der Insel 20 Familien. Jeder von ihnen, insbesondere die älteren, haben spannende Geschichten zu erzählen. Deren Vorfahren haben als Sklaven für die Belgier gearbeitet.


Vor kurzem hat ein Investor aus Kinshasa diese Insel gekauft. Sein Plan ist es, die Kautschukproduktion wieder anzukurbeln. Gut für die Inselbewohner, weil dadurch dringend benötigte Arbeitsplätze geschaffen werden.

Belgika Island

House

Belgika Island

Colonial machines

Lubutu - Amisi - Ntufia

Wieder in Kisangani angekommen, mussten wir uns als erstes um eine Transportmöglichkeit nach Lubutu kümmern. Lubutu ist etwa 200km von Kisangani entfernt und für den kommenden Tag war heftiger Regen angesagt, deshalb entschieden wir uns für ein Auto. Das ist dann zwar gleich 8x so teuer, aber sowohl die Strecke, als auch das Unwetter waren jeden Cent wert.


Die Fahrt dauerte etwa 5 oder 6 Stunden. Lubutu besteht zu ca. 50% aus zwielichtigen Gestalten, die im Mining Business tätig sind. Überall trifft man auf Chinesen, die wharscheinlich nicht nur gefühlt, sondern tatsächlich seit mehreren Jahren in diversen Hotels dort leben.
Das sieht man ihnen rein äußerlich zwar auch an, aber das sind absolute Profis. Sie sprechen die lokale Sprache und verstehen sich mit jedem bestens. Ideale Voraussetzungen um gute Geschäfte zu machen.


Am Abend traf ich dann in einer Bar auf einen alten Bekannten aus Kindu. Wir haben uns 2019 kennengelernt, er arbeitete damals schon im Mining Business. Mittlerweile ist er verantwortlich für den Transport von Kassiterit aus Lubutu über Uganda nach Mombasa.
Ihm habe ich es zu verdanken, das ich am nächsten Tag die Erlaubnis bekam, einige der Kassiteritminen tief im Dschungel zu besuchen.
Der Weg dorthin ist allerdings nicht so leicht zu bewältigen, wie der zu der Goldmine in Banalia. Es geht 20km durch unwegsames Gelände, hüfthohes Wasser, steile An-/und Abstiege, etc. Start dieses Trips war allerdings nicht Lubutu, sondern Amisi – ein kleines Dorf ca. 2 Stunden mit dem Motorrad entfernt. Den restlichen Abend verbrachten wir in einer Bar unter den Blicken zwielichtiger Chinesen.

Amisi to Ntufia

Porter

Ntufia

Street kids

Ntufia

Mining site

Der nächste Morgen stand zunächst mal im Namen des Herrn. Mein Freund und ich hatten uns nämlich für einen gemeinsamen Kirchbesuch verabredet. Das verspricht immer großes Entertainmentpotenzial. Wir fuhren also mit Mototaxi zur Kirche, die schon rappelvoll war.
Zum Gottesdienst ist immer so viel los, das sie Platzanweiser brauchen – geht einer raus, darf einer rein und seinen Platz einnehmen. Nach 2 Stunden hatte ich das Gefühl mein Soll gegenüber „Mon Dieu“ erfüllt zu haben und machte Platz für Nachrücker, die noch immer in großer Anzahl draußen warteten.

 

Danach hieß es dann auch schon: „Sattel die Hühner! Wir reiten nach Texas!“ Die Strecke bis nach Amisi ist vergleichsweise leicht zu bewältigen. Größtenteils asphaltierte Straße, dafür aber zwei größere Checkpoints die es in sich haben.


Dort angekommen quartierte ich mich in einem Hinterhofhotel ein und wartete auf Leute, die sich angekündig haben, um nochmal mit mir zu sprechen wegen meinem Vorhaben. Was das hieß war klar: Zahltag.

 

So kam es dann auch…Chief of Police, Village Chief, Chief of Intelligence und noch zwei andere, die eigentlich keine Funktion hatten, aber auch dringend Geld benötigten. Nach etwa einer Stunde hatten wir uns dann geeinigt und ich konnte mich ruhigen Gewissens in meine Gemächer zurückziehen.

Lubutu

Church

Die Nacht war schnell vorbei. Um 4:00 Uhr hieß es: Aufstehen! Sachen packen! Los gehts! Wir haben uns am Abend zuvor noch 2 Träger organisiert, die Teile unseres Gepäcks bis nach Ntufia tragen sollten. Das ist ein einträglicher Job in Amisi. Die Träger transportieren alles und werden nach Kilogramm bezahlt. Normalerweise transportieren sie das Kassiterit aus den Minen nach Amisi, von wo es dann mit Motorrädern nach Lubutu gefahren und dort auf Trucks geladen wird, bevor es dann nach Uganda geht.


Der früh morgentliche Nebel verzog sich sehr schnell. Nach etwa einem Kilometer Fußmarsch knallte die Sonne schon extrem auf die Murmel. Während die ersten zwei Kilometer unter freiem Himmel bewältigt werden mussten, ging es dann in den Dschungel.
Das half zwar Sonnenbrand vorzubeugen, änderte aber nichts an der Strecke selbst und der Hitze. Mit jedem Kilometer, den wir geschafft haben, wurden die Abstände in denen wir Pause machten, kürzer. Am Ende legten wir alle 400 bis 500 m eine Pause ein.

 

Als würden die körperlichen Strapazen nicht schon ausreichen, hat die Natur vor Ort natürlich immer noch die ein oder andere Überraschung für einen parat. So mussten wir z.B. eine „Straße“ von Wanderameisen überqueren, die etwa 10m breit war. Es waren so viele riesige Ameisen da, dass man sie laufen hören konnte.


Kräfte sammeln und rennen, damit möglichst wenige am Körper bleiben und wenn man es geschafft hat sie zu passieren auf und ab springen, um die Hartnäckigen abzuschütteln. Das hat ganz gut funktioniert, aber ein paar haben es dennoch geschafft sich unter den Klamotten durchzubeißen.
Es kommt auch schon mal vor, dass man plötzlich vor einem See mitten im Dschungel steht. Links und rechts kein Vorbeikommen, will heißen: mitten durch. Hat man Glück und es hat nicht geregnet, kommt man mit nassen Schienbeinen durch. Hat man Pech, wie wir, ist man nass bis an die Sacknaht.
Irgendwann, nach etwa 10h, kamen wir aus dem Dschungel bergauf heraus und vor uns erschienen kleine Hütten, ein kleiner Teich und tatsächlich ein paar Menschen. Wir waren in Ntufia angekommen. Alhamdulillah!

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