Congo Road Trip

4000 km road trip across eastern congo

Ein Monat voller Erlebnisse, Strapazen und Emotionen.

2019

Nov/Dec

Rating
95
Fotografie
90
Entdeckergeist
75
Militärpräsenz
100
Korruption
Location

Geilster Trip!

Die Demokratische Republik Kongo, bis 1997 noch unter dem Namen Zaire bekannt, sollte mein nächstes großes Abenteuer werden. Was man hierzulande über den zentralafrikanischen Staat so hört, klingt nicht besonders einladend – Ebolaausbruch im Osten, Kämpfe um illegale Minen, Rebellen töten Zivilisten und liefern sich erbitterte Auseinandersetzungen mit dem Militär um nur einige Headlines zu nennen.
Dies sind nur ein paar Beispiele, weshalb die DR Congo in großen Teilen touristisch völlig unerschlossen ist. Wer sich dennoch dazu entscheidet das Land zu besuchen, tut dies meist nur für einen sehr kurzen Zeitraum und dann auch nur, um die Berggorillas im Virunga Park zu sehen. Meist sind solche Reisen mit Aufenthalten im Nachbarland Ruanda kombiniert und kosten schnell mehrere tausend Euro für ein paar Tage.

 

Glaubt man den offiziellen Reisehinweisen des Auswärtigen Amts, sollte man den Ostkongo sowieso eher meiden. Selbst in den Nationalparks ist man nicht sicher, da dort schon mehrfach Touristen entführt und die Ranger, bzw. Begleiter von Rebellen erschossen wurden. Wenn überhaupt sollte man möglichst überall wo man hin will, nur mit einem Flugzeug anreisen und schon gar nicht auf dem Landweg. Schwierig, wenn man einen Road Trip plant. Wie üblich, musste ich also abwägen welches Risiko ich bei dieser Reise eingehen würde.

 

Mit kongolesischen Truckfahrern hunderte Kilometer durchs Hinterland fahren und wenn nötig irgendwo im Freien zu übernachten. Per Cargo-Boat auf dem schwer zu navigierenden Lualaba River (einem Zufluss des Congo River) schippern. Mit dem Motorrad unwegsame Strecken durch den zweitgrößten Regenwald der Erde brettern. Weit abgelegene Gebiete der ehemaligen belgischen Kolonie mit all den verfallenen Kolonialbauten von damals erkunden. Wenn ich Glück habe sogar mit einem der berüchtigten Züge fahren. Die Verlockung war einfach zu groß. Also begann ich bereits im Januar 2019 mit meiner Recherche nach dem nächsten Highlight: Eastern Congo Road Trip.

Die Planung

Meine Recherchen im Vorfeld zeigten, dass unabhängiges Reisen über große Distanzen eher schwierig sein würde. Gerade die weit abgelegenen, ländlichen Gebiete im Osten des Landes gelten als riskant und sehr gefährlich. Als Fortbewegungsmittel muss man das nehmen, was gerade da ist. Egal ob es ein Truck ist, ein Cargo-Boat oder Mototaxi. Da mein Schulfranzösisch und meine Hautfarbe nicht wirklich dafür geeignet waren diese Reise alleine anzutreten, suchte ich nach jemandem, der mich da einigermaßen sicher durchlotsen kann und das Risiko eingeht mit einem Mosungu (weißer Mann) durch Gebiete zu fahren, in denen seit der Kolonialzeit kein Weißer mehr gesehen wurde.

 

Was von Beginn an klar war: Man kann diesen Trip nicht bis ins kleinste Detail planen. Hauptsächlich aufgrund der katastrophalen Infrastruktur im Landesinneren. Zudem fiel der Zeitraum meiner Reise in die Regenzeit. Alles nicht optimal, aber das machte es ja so spannend und war genau nach meinem Geschmack.

Es gibt auch nicht wirklich eine Möglichkeit Sehenswertes per Google ausfindig zu machen. Deshalb habe ich unterschiedlichste Bücher und Onlineartikel durchforstet, die sich mit der Kolonialzeit beschäftigen, um einen groben Eindruck der Gegenden die wir durchqueren würden zu bekommen.

 

Für die detaillierte Recherche erwies sich die Website von Logistic Cluster erneut als sehr gute Anlaufstelle. Deren Hauptaufgabe ist die Koordination von Hilfsorganisationen weltweit. Dementsprechend finden sich auf der Website sehr detailierte Landkarten mit aktuellen Anmerkungen, was z.B. die Beschaffenheit von Straßen etc. angeht.

 

Ein lokaler Kontakt war verhältnismäßig schnell gefunden. Nun ging es darum rauszufinden, ob er der Richtige für mein Vorhaben war. Nach unzähligen mails einigten wir uns auf eine Route, die uns als machbar und relativ sicher erschien. Da es auch für ihn das erste Mal war diese Route zu erkunden, planten wir das Ganze fortan als eine Art “two guys doing a road trip and we will see what happens”. Die Vorstellung gefiel mir sehr gut und wie sich später herausstellen sollte, war es das Beste was mir passieren konnte. Im Nachhinein kann ich sagen: Ich hatte zu keinem Zeitpunkt das Gefühl, mit einem Guide im eigentlichen Sinne unterwegs zu sein. Es war so als würden zwei Freunde einen gemeinsamen Trip machen.

Unterwegs

Wir trafen uns, wie vereinbart, am Flughafen von Lusaka (Zambia) und von dort aus gings direkt ins nahegelegene Guesthouse. Wir verstanden uns auf Anhieb richtig gut. Nicht unwichtig, wenn man mit der Person einen ganzen Monat fast Tag und Nacht zusammen sein wird.

 

Am kommenden Tag starteten wir früh in Richtung Bus Terminal, um von dort nach Kitwe in der Copperbelt Region im Norden des Landes zu fahren. Das sollte unser letzter Zwischenstopp sein, bevor wir unseren eigentlichen Road Trip durch den Kongo starten würden. Nach ca. 7 Stunden Fahrt checkten wir ins Hotel ein und am Abend lernten wir zufällig einen Mann kennen, der uns eine Fahrt zur kongolesischen Grenze am kommenden Tag organisieren konnte. Das kam uns sehr gelegen, da wir bis zu diesem Zeitpunkt noch keine Transportmöglichkeit hatten.

 

Wohlwissend das diese Nacht für lange Zeit die letzte mit fließend Wasser, Dusche und richtigem Bett sein würde, freute ich mich auf einen erholsamen Schlaf. Leider lag das Hotel direkt neben einem Nightclub, dem unsere Anwesenheit völlig egal war. Um 4:00 Uhr morgens kehrte dann endlich Ruhe ein und ich konnte zumindest noch 2 Stunden schlafen. Dann war die Nacht vorbei und wir fuhren Richtung Grenze.
Nach nicht einmal 1,5 Stunden waren wir da und das Abenteuer konnte beginnen.

Chilabombwe

Almost there

Kasumbalesa

Welcome to DRC

Vor Ort

Der Grenzübertritt verlief problemlos und wir organisierten uns sofort eines der shared Taxis, welches uns nach Lubumbashi bringen sollte. Voller Vorfreude verharrten wir im Taxi mit vier weiteren Passagieren, während der Fahrer draußen damit beschäftigt war das Fahrzeug mit noch mehr Ladung zu bestücken. Dann ging alles plötzlich ganz schnell. Ich sah unseren Fahrer – von mehreren Polizisten verfolgt – in Richtung Taxi flüchten. Zum Nachdenken blieb wenig Zeit und bevor ich richtig checkte was los war, wurde unser Fahrer festgenommen und auf dem Fahrersitz saß ein Polizist, der mich mit einem freundlichen “Bonjour ça va?” begrüßte. Sowohl mein rudimentäres Schulfranzösisch, als auch meine latente Angst brachten ein “Ça va très bien.” über meine Lippen. Danach fuhr uns der Polizist zum offiziellen Taxistand ca. 100 m weiter, wo wir dann ein neues Taxi nehmen mussten.

 

Es stellte sich nämlich heraus, dass der Taxifahrer bereits zum wiederholten Mal im Halteverbot direkt an der Grenze stand und deshalb verhaftet wurde. Das mag konsequent sein, aber ihn deshalb mit Schlagknüppeln aus dem Auto zu prügeln erschien mir dann doch etwas übertrieben. Andere Länder, andere Sitten.

Lubumbashi

Train schedule

Lubumbashi Train Station

Abgefahren

Lumumba Assassination location

Secret location

Visit a mine

Near Likasi

Nach ca. 1,5h erreichten wir Lubumbashi – die zweitgrößte Stadt im Kongo und Dreh- und Angelpunkt für den Abbau von Rohstoffen, wie z.B. Kupfer und Cobalt, aber auch Coltan, Gold und Diamanten. Die Zentren der “Mining Industry” Likasi und Kolwezi sind nur ein paar Autostunden entfernt. Dennoch war es für uns nur eine Zwischenstation, bevor es richtig losgehen sollte. Die eigentlich wichtigste Station für mich war aber der Bahnhof von Lubumbashi. Dort wollte ich mich nach den Zügen Richtung Norden erkundigen. Die freundlichen Bahnmitarbeiter gaben mir zu verstehen, dass der Zug in Richtung Kindu am Tag zuvor abgefahren sei – die erste kleine Enttäuschung. Es bestand natürlich noch immer die Möglichkeit, den Zug auf halber Strecke irgendwo einzuholen und aufzuspringen, wenn wir mit einem Truck fahren. Diesen Gedanken im Hinterkopf machten wir uns auf den Weg in die Stadt und später zurück in unsere Unterkunft.

 

Am Abend saßen wir im Außenbereich unseres Hotels, machten Pläne für den kommenden Tag und diskutierten diverse Transportmöglichkeiten. Dabei lernten wir zwei Männer vom Nachbartisch kennen, die uns anboten am nächsten Morgen nach Likasi zu fahren und uns zusätzlich noch Zutritt zu einer Cobaltmine zu verschaffen. Während meiner Vorabrecherche habe ich gelesen, dass wohl auch der Ort von Ex-Premierminister Lumumba’s Ermordung auf dem Weg liegt. Auch dieser Wunsch sollte erfüllt werden.
Das lief mir schon fast ein wenig zu perfekt. Zwei Tage hintereinander im Hotel mit Unbekannten super Transportdeals abschließen? Egal, scheinbar läuft das hier so…dachte ich mir.

 

Wie vereinbart warteten die beiden morgens auf dem Parkplatz und wir waren “ready-to-go”. Auf halber Strecke gings dann über einen Feldweg in Richtung “Lumumba’s Assassination Place”. Nicht ausgeschildert und unspektakulär führt der Weg zu einer echten “secret location”. Plötzlich steht da eine alte DC-4, in der Lumumba damals nach Katanga gebracht wurde, bevor er ermordet wurde. (Das Flugzeug wurde später zu diesem Ort gebracht, um die Erinnerung zu wahren) Angrenzend befindet sich eine Art “Ruine” im Wald. Dort sind Statuen, eine Grabstätte und Grundmauern von Gebäuden. Ein älterer Mann tauchte aus dem Nichts auf und gab zu verstehen, dass er sich um das Areal kümmert. Er möchte uns gerne herumführen. Sollte dem wirklich so sein, hatte er bisher wohl relativ wenig zu tun, denn laut ihm kommt nie jemand zu diesem geschichtsträchtigen Ort. Fakt ist aber: Er hatte richtig Ahnung und konnte bis ins kleinste Detail alles Mögliche erklären.

 

Klar, da war sicher auch viel Legendenbildung dabei, wie z.B. eine große Einbuchtung in einem Baum, an dem Lumumba angeblich erschossen wurde. Ein Anhänger Lumumbas soll wohl dafür verantwortlich sein, damit die Nachwelt nicht vergisst, wo der Revolutionsführer zu Tode kam. Ob wahr oder nicht, der Ort selbst ist wirklich faszinierend und zumindest momentan noch ein echter Geheimtipp.

 

Weiter gings Richtung Likasi. Ungefähr 40 km vor Jadotville, wie Likasi bis 1966 noch hieß, bogen wir wieder in einen Seitenweg ab, der uns zur Mine führte. Erstaunlicherweise sind viele Minen nicht wirklich gut gesichert. Es gibt keine Checkpoints oder ähnliches, man kann einfach über die Zufahrtsstraße auf das Gelände fahren und mit etwas Geduld sogar bis zur Mine selbst gelangen. Das wird auch von vielen locals ausgenutzt, die in stillgelegten Bereichen der Mine noch das letzte bisschen Cobalt oder was auch immer gerade vorrätig ist, herausholen und die Ausbeute dann verkaufen. Von den Betreibern wird es geduldet und ist nicht ungewöhnlich.

 

Rund um die Mine bauen Menschen kleine Behausungen und es entsteht tatsächlich so etwas wie ein kleines Dorf, in dem sich alles nur ums Mining dreht. Da werden Werkzeuge verkauft, Nahrungsmittel, Wasser und und und. Natürlich gibt es auch einen Händler, bei dem man seine illegal abgebauten Rohstoffe verkaufen kann – zu einem Spottpreis, im Vergleich zu den offiziell lizensierten Händlern. Hierbei handelt es sich aber nicht um sogenannte “conflict minerals” im herkömmlichen Sinne, die noch immer ein großes Thema sind im Kongo.

Unser Besuch blieb nicht unbemerkt – verständlicherweise. 4 Leute und dazu noch ein Weißer. Allerdings wurden wir nicht von den offiziellen Betreibern angesprochen, sondern von denen, die sich illegal in der Mine aufhalten. Da muss man sehr vorsichtig sein, weil es bei diesen Menschen um ihre Existenz geht. Wir konnten die Situation schnell aufklären und setzten unsere Reise fort.

 

Viel Sehenswertes hat Likasi nicht zu bieten, wenn ich ehrlich bin. Aber auch hier war es so, dass wir nur eine Möglichkeit zum Übernachten benötigten. Diese fanden wir sehr schnell und erkundeten die Stadt nur kurz. Es gibt ein altes Sportgelände, mit verfallenem Pool etc., das hab ich natürlich mitgenommen, aber da sich auf dem ganzen Gelände Menschen einquartiert haben, ist ein Besuch der Gebäude eher schwierig.

 

So richtig sicher was heute geschehen würde waren wir uns nicht, als wir morgens aufwachten. Eins war aber klar: Unser Bus Richtung Kolwezi startet in weniger als 2 Stunden. Der Plan war, mit einem der Trucks die Richtung Norden fahren, bis nach Manono zu kommen. Noch vor einem Tag dachten wir, dass Kolwezi der ideale Startpunkt dafür wäre. Mehrere, unabhängige Quellen bestätigten uns aber, dass wohl Luambo “the place to be” ist, wenn es um Trucks Richtung Norden geht – ein Ort, der ca. 30 min. von Likasi entfernt liegt.

Luambo - Ngoya

Wir stiegen als einzige in Luambo aus und waren sofort von Mototaxi-Fahrern umzingelt. Es war also kein Problem zu dem Ort zu kommen, an dem die Trucks Richtung Norden starten würden. Das Glück schien auf unserer Seite, wir hatten sogar die Möglichkeit, aus zwei Trucks zu wählen. Wir entschieden uns für den – in unseren Augen – Neueren. Nach einem kurzen Gespräch mit dem Fahrer waren uns zwei Plätze im Truck sicher.
Luambo

Truck Stop

Luambo to Ngoya

On Board

Kiubo Falls

Ein kurzer Besuch

Die Route ging von Luambo – Bunkeya – Kiubo – Mitwaba – Ngoya nach Kamina. Das bedeutete für uns, wir müssten in Ngoya ein neues Transportmittel für die restlichen 80 km bis Manono finden. Insgesamt waren wir 6 Leute in der Fahrerkabine. (Der Preis für uns beide lag bei ca. 70$) Das erschien uns fair für eine Strecke von knapp 400 km. Es besteht natürlich auch die Möglichkeit außen mitzufahren, wenn es die Ladung zulässt. In unserem Fall war es ein Container, der ein Mitfahren im Außenbereich nur zwischen dem Container und der Fahrerkabine ermöglicht. Das ist natürlich deutlich günstiger, aber auch um einiges gefährlicher. Auch diese Plätze wurden von zwei weiteren Mitfahrern besetzt. Was mir zu diesem Zeitpunkt nicht bewusst war: wenn es während der Fahrt zu stark regnet, dürfen diese beiden ebenfalls in die Kabine kommen.

 

Knapp 2 Stunden später, nachdem unser Gepäck wasserdicht verstaut war, konnte es dann endlich losgehen. Geplagt von der Hitze machte ich mir Gedanken, wie ich das 400 km aushalten soll. Wie sich später herausstellen sollte, war dieser Truck jedoch das komfortabelste Transportmittel, welches ich während meiner kompletten Reise haben würde.

 

Sowohl für den Fahrer, als auch den Rest der Besatzung war es das erste Mal, dass sie ein Weißer auf einer solchen Tour begleitet. Dieser Umstand bot natürlich viel Gesprächsstoff und an Langeweile war nicht zu denken. Schnell entwickelte sich bei Fahrer und Mitfahrern eine Art tourguideähnliches Verhalten. Niemand kannte die Strecke besser als der Fahrer, und wenn sich schon mal die seltene Möglichkeit bietet seine Kenntnisse weiterzugeben, war das der richtige Zeitpunkt. Alles was entlang der Strecke irgendwie von Interesse sein könnte, wurde mir angekündigt und auf Wunsch sogar angehalten. Das nenn ich mal Service.

 

So hatten wir die Möglichkeit, nach ungefähr 180 km die zwischen dem Upemba und dem Kundelungu Nationalpark gelegenen Kyubo Falls zu besuchen. Der Besuch der Wasserfälle ist für Kongolesen kostenlos. Als Mosungu muss man 20$ zahlen, wenn man nicht in der Lodge eingemietet ist. Weil unser Truck einen Kilometer weiter auf uns wartete und wir nur kurz einen Blick erhaschen wollten, erschien mir das zu teuer. Da wir aber schon mal hier waren und erst am Anfang unseres langen Trips die Urlaubskasse noch prall gefüllt war, sah ich das nicht als so problematisch an. 10 Minuten später waren wir auch schon wieder auf dem Weg zurück, um die letzten 200 km in Angriff zu nehmen.

 

Im Laufe der Fahrt wurde dann schnell klar, wir würden es heute nicht bis nach Ngoya schaffen. Was das allerdings genau bedeutete war mir bis dahin völlig schleierhaft.

Gegen 16:00 Uhr stoppten wir kurz vor Mumbolo an einem kleinen Bach, der als Waschmöglichkeit diente. Eine Stunde später: “on the road again”. Als es dunkel wurde überquerten wir Ausläufer der Mitumba Mountains, die mir zum ersten Mal während der Reise zeigten, wie es sich anfühlt bei schlechten Straßenverhältnissen in einem Truck zu sitzen. Nach und nach sickerten Infos zu mir durch, dass der Streckenabschnitt vor uns nicht sicher sei bei Nacht und wir deshalb in einem kleinen Dorf anhalten und übernachten würden. “Nicht sicher” bedeutete in diesem Fall, dass sich in dem Gebiet Rebellen versteckt halten die vorzugsweise nachts Trucks überfallen oder anderweitig für Ärger sorgen. Die Gegend ist auch bekannt als “Triangle of Death”, welches durch die Städte Manono, Mitwaba und Pweto gebildet wird. In den vergangenen Jahren waren dort hauptsächlich Mai Mai Milizen aktiv, die zwar mittlerweile an Stärke eingebüßt haben, aber dennoch präsent sind.

 

Zurück auf ebener Strecke wurde der Truck plötzlich langsam und Taschenlampen leuchteten auf der Straße vor uns auf. Mit leichter Schnappatmung verkroch ich mich unter meiner Kapuze, um nicht unnötig Aufsehen zu erregen. Da alle anderen aber relativ ruhig blieben war schnell klar, dass die Situation nicht gefährlich war. Es war das Militär die uns darauf hinwiesen, dass die nächsten Kilometer – bis zu unserem Nachtstopp – sicher seien und keine Angriffe zu befürchten wären. Nun ja, das klang doch erstmal beruhigend. Also bedankte man sich bei den Männern, steckte ihnen ein wenig Geld zu und wir fuhren weiter durch die Nacht. Um 23:00 Uhr erreichten wir Mitwaba und parkten den Truck neben ein paar anderen, die es nicht bis Ngoya geschafft haben.

 

Für uns stellte sich noch immer die Frage wie und wo wir übernachten sollten. Die Antwort darauf bekamen wir, als wir sahen wie sich alle, außer dem Fahrer, einen Platz unter dem parkenden Truck, bzw. daneben suchten. Hat sich also schonmal gelohnt, einen nicht unwesentlichen Teil an Stauraum in meinem Rucksack für meinen Schlafsack zu verwenden. Chris war “etwas weniger vorbereitet” und musste die Nacht auf einem Stück Pappe verbringen, die wir dem Truckfahrer abluchsen konnten.

 

Noch vor Tagesanbruch, gegen 4:00 Uhr, hieß es dann für alle: “Aufsatteln”! 3 Stunden später waren wir am Ziel: Ngoya. Hier trennten sich dann unsere Wege. Der Truck fuhr Richtung Westen nach Kamina und wir suchten uns zwei Mototaxis, die uns nach Manono im Norden bringen sollten. Bevor es weiterging besuchten wir aber noch die heißen Quellen, die uns vom Truckfahrer beschrieben wurden. Diese befinden sich auf dem Gelände einer ehemaligen Mining Company.

Overnight

Chris sleeping

Ngoya

Town Center

Ngoya

Hot spring

Ngoya - Manono

Mittlerweile war es 10:30 Uhr und vor uns lagen 80 km Feldweg, die nur mit einem Motorrad zu bezwingen waren. Offiziell gilt dieser Weg allerdings als “national route”, was sich weder mir, noch den Mototaxifahrern erschlossen hat. Die Strecke hatte es wirklich in sich, nicht nur wegen der Beschaffenheit, sondern vielmehr wegen der unzähligen Checkpoints, die total random errichtet wurden.

Business as usual

Bribing at checkpoints

Manono

City Center

Manono

Overnight

Mal wurde der Weg von der hiesigen Dorfjugend am Ende eines Dorfs mit einem Baumstamm versperrt und erst nach Zahlung von meist nicht mehr als 1$ durfte man passieren. Viele andere Male waren wir der weitverbreiteten Polizeiwillkür ausgesetzt. Sobald sie mich sahen war klar: da ist was zu holen. Die gängigste Methode war es dem Mototaxifahrer etwas anzuhängen. Das waren immer absolut lächerliche Dinge, wie z.B. fehlerhafte Dokumente, falsches Nummernschild, kein Helm, kein Was auch immer…

 

Dafür sollte der Fahrer dann natürlich zahlen, was nie einer tat, denn alle wussten das Ganze geschieht nur weil er mich dabei hat. Entsprechend lange dauerten die Diskussionen an diesen Checkpoints. Ich war wahnsinnig genervt von diesen Aktionen und es lief immer aufs Gleiche hinaus: am Ende hab ich gezahlt und wir durften weiterfahren.

 

Oft haben sie auch gemerkt, dass das andere Mototaxi auch zu uns gehört. So wurde gleich zweimal Kasse gemacht. Stehe ich jetzt weitere 20 min. bei 40° hier rum oder zahle ich eben 1$ oder 2$ und bin schnell hier weg? Anfangs hab ich das noch nicht so kritisch gesehen. Da diese Checkpoints aber immer wieder auftauchen, besonders in sehr abgelegenen Gebieten, kann man sich schnell ausrechnen, dass bei der Zeit und der Strecke die wir noch vor uns hatten, einiges zusammenkommen würde. Die Abzocke der “DGM” (Direction Generale d’Immigration) ist da noch nicht mal berücksichtigt. (dazu gibt es einen kleinen extra Beitrag weiter unten)

 

In Manono angekommen fuhren wir als erstes zu unserer Unterkunft. Ein von der katholischen Kirche betriebener Gebäudekomplex, direkt neben der Kirche im Zentrum der Stadt. (auch das war ein Tipp von einer unserer Mitfahrerinnen im Truck, der sich als sehr hilfreich erwies)

 

Die Frage nach einem “shared room” für zwei männliche Gäste konnten wir uns im streng katholisch geprägten Manono sparen. Für uns hieß das: 20$ pro Zimmer und Person. Kein wirkliches Schnäppchen, aber zumindest hatten wir das Gefühl, sicher untergekommen zu sein. Manono war und ist bis heute ein wichtiges Zentrum der Mining Industry. Rund um die Stadt wird vor allem Coltan abgebaut. Richtig bewusst wird einem das eher indirekt. Hauptsächlich dadurch, dass chinesische Firmen dort allgegenwärtig sind und “1a-Straßen” an strategisch wichtigen Stellen bauen. Wohingegen Straßen die weiter als 2 km vom Stadtzentrum entfernt sind, nach wie vor in einem Zustand sind, der die Bezeichnung “Straße” nicht verdient. Geahnt habe ich die Präsenz der Chinesen schon früher. Bereits auf dem Weg nach Manono, begrüßten mich Kinder im Vorbeifahren mit einem lauten “ni hao”.
Ich genoss das neue Gefühl als Chinese wahrgenommen zu werden.

Wie sonst auch war es in Manono zunächst am wichtigsten, eine Transportmöglichkeit für den kommenden Tag zu finden. Die Stadt selbst liegt nur knapp 50 km vom Lualaba River entfernt. Dort legen in unregelmäßigen Abständen Boote ab, die unterschiedlichste Güter Richtung Norden transportieren. Die Straße nach Myumba – einem kleinen Dorf direkt am Fluß – ist dank chinesischer Hilfe in einem guten Zustand, der es uns ermöglichte in weniger als einer Stunde dort zu sein. Leider wurde uns vor Ort gesagt, dass das nächste Boot erst in 3 bis 4 Tagen eintreffen würde und selbst das war nicht sicher. Das hieß in unserem Fall: wieder Mototaxi.

 

Bei einem abendlichen Sit-In mit den Priestern der Gemeinde wurde noch das ein oder andere Bier getrunken und sich über die Route, bzw. Pläne der kommenden Tage unterhalten. Auch in diesem Gespräch gab es wertvolle Tipps, die uns auf unserer Reise helfen sollten. Einer der Geistlichen erzählte uns von einem Wasserfall, der so spektakulär sein sollte, dass die Kiubo Falls dagegen völlig lächerlich wirken. Das weckte natürlich unser Interesse, da diese Art von Mund zu Mund Propaganda in solch abgelegenen Gebieten wirklich Gold wert sein kann. Der Ort befindet sich in der Nähe von Kongolo und trägt den Namen “Portes d’Enfer” (Das Tor zur Hölle). Das klang vielversprechend und sollte sich im Laufe unseres Trips als absoluter Running Gag etablieren.

DGM

Kongolo Headquarter

DGM (Direction Generale d’Immigration)

DGM Leute tauchen wie aus dem Nichts auf sobald sie mitkriegen, das man in deren Stadt oder Dorf ist. Mal uniformiert, meist aber in zivil sodass man sie von der normalen Bevölkerung nicht unterscheiden kann. Man wird aufgefordert sich zu registrieren und dafür natürlich auch zu zahlen. Kopien vom Pass werden auch gemacht – immer in einem lokalen Copyshop. Das muss man dann auch bezahlen. Die Leute nehmen sich wahnsinnig wichtig und machen ein riesen Ding daraus. Das kann dann durchaus auch mal zwei Stunden dauern und nervt ohne Ende. Es kam auch relativ häufig vor, dass man trotz Touristenvisum nach seiner “mission order” gefragt wurde.

 

Kleiner Tipp: Unbedingt die Kontaktdaten, bzw. Mobilnummer des Mitarbeiters geben lassen, da man in manchen Dörfern gefragt wird, wo man sich zuletzt registriert hat. Kann man nicht nachweisen, dass man sich bereits registriert hat, wird es richtig stressig.

Manono - Ankoro - Kabalo

Die Streckenverhältnisse waren relativ gut, dennoch galt es eine Strecke von insgesamt mehr als 250 km in 2 Tagen zurückzulegen. Noch gönnten wir uns den Luxus von zwei Mototaxis, was im Nachhinein betrachtet eher nicht notwendig war. Dazu muss man sagen, dass Mototaxis innerhalb eines Dorfes oder einer Stadt wahnsinnig günstig sind und man sehr schnell von A nach B kommt. Alles was Overland-Touren angeht, die allein schon One-Way mindestens einen Tag dauern, sind Mototaxis jedoch eine relativ teure Angelegenheit. Klar, oft ist es auch die einzige Möglichkeit, aber da gilt es eben abzuwägen ob eins oder wirklich zwei notwendig sind.
Ankoro

Cathedral

Kabalo

Town Center

Kabalo

SNCC Headquarter

Auf der Strecke von Manono nach Ankoro hatte ich zum ersten Mal das Gefühl “Man, hier bist du echt weit weg von allem, was dir irgendwie bekannt vorkommt.” (Die Einheimischen, die mich im Vorbeifahren gesehen haben, hatten sicher ein ähnliches Gefühl.)

 

Nach ca. 5 Stunden Fahrt durch ein Gebiet, was kaum zu beschreiben ist waren wir da: Ankoro – Für uns ein unbeschriebenes Blatt. Die einzige Information die wir hatten, kam von den Priestern in Manono. Sie haben uns – was auch sonst – die lokale Kirche angepriesen und zu einem Besuch geraten – zu Recht. Natürlich ist dort niemand auf außergottesdienstlichen Besuch vorbereitet, aber umso herzlicher war die Begrüßung als die Priester mich sahen. Ich bekam eine exklusive Führung durch die heiligen Gemäuer und war wirklich beeindruckt.

 

Die Unterbringung in Ankoro war mit 2,50$ pro Zimmer die günstigste, die wir während unserer kompletten Reise hatten. Abends besuchten wir noch den Markt, was nicht wirklich empfehlenswert ist, wenn es um Sicherheit geht. Selbst in absoluter Dunkelheit, die nur durch Taschenlampen und gelegentliche Mototaxilichter erhellt wurde, wusste innerhalb von 10 Minuten jeder um meine Anwesenheit. An einem so abgelegen Ort ist es besser, sich so rar wie möglich zu machen.

 

Am nächsten Morgen starteten wir wieder früh in Richtung Kabalo. Vor uns lagen ca. 130 km unwegsames Gelände, inkl. Flußüberquerungen und so langsam begann sich mein Körper gegen das ständige Motorradfahren zu wehren. Mein Rücken verlangte nach einem Exoskelett und ich wirkte dem Verlangen mit Stops alle 40 bis 50 km entgegen. Nach ca. 5 Stunden erreichten wir unser Ziel – erschöpft, aber glücklich.

 

Kabalo liegt ebenfalls an der Bahnstrecke und bietet somit – zumindest theoretisch – die Möglichkeit, das Bahngelände zu erkunden. Da solche Orte offiziell nicht fotografiert werden dürfen, wollte ich auf Nummer sicher gehen und wir sind direkt in die SNCC Zentrale gegangen, um eine Erlaubnis einzuholen. Nachdem ich mein Anliegen vorgetragen hatte, fühlte man sich sehr geschmeichelt und wollte mir gerne die Möglichkeit bieten, das komplette Gelände zu fotografieren. Bis zu diesem Punkt war bereits fast eine Stunde vergangen. Der lokale SNCC Chef telefonierte noch mit seinem Vorgesetzten und es galt ein Formular auszufüllen. Als auch das erledigt war, sollte ich mir noch vom DGM Büro eine Registrierungsbestätigung für meinen Aufenthalt besorgen. Deren Büro war zu dem Zeitpunkt leider schon geschlossen. Mit dieser Information kehrte ich zurück und musste leider erfahren, dass es so nicht möglich ist. Ich könne allerdings morgen erneut vorbeikommen.

DRC entwickelte sich so langsam zu einem echten Bürokratiemonster und ich mich zu einem “Ist mir doch egal Typ”. Kopfmäßig war mein Zustand so: “Ich fahr 5 Stunden ohne Exoskelett hier her. Alles tut weh. Euer Bahngelände ist das Einzige, was hier was hergibt und ein paar Fotos zu schießen wäre echt super. Und nach 1,5h unnötigen Aufwands sagt ihr mir, es geht nicht? Ein bisschen Promo würde dem sicher nicht schaden.” Das waren so meine Gedanken, bevor ich beschloss mit Chris ohne Genehmigung über das Gelände zu gehen. Klar, mein DSLR Equipment blieb im Rucksack, aber zumindest konnte ich ein paar Fotos mit dem iPhone schießen.

 

Man muss jedoch sagen, dass die Verantwortlichen in der Vergangenheit – laut eigenen Aussagen – schlechte Erfahrungen gemacht haben. Der Chef erzählte, dass vor einigen Jahren eine Dokumentation über die “Congo Trains” gemacht wurde – da wurde ich hellhörig, weil ich die Doku natürlich kannte. Scheinbar wurde da nicht mit offenen Karten gespielt und die Interviews mit dem Lokführer waren nicht genehmigt. Das Bild was die SNCC dabei abgab passte den Verantwortlichen nicht und es gab Ärger. Jeder der die Doku mal gesehen hat kann verstehen, dass man da jetzt vorsichtig ist.

Kabalo - Kongolo

Luftlinie beträgt die Distanz zwischen beiden Städten nur 80 km. Möchte man die Strecke mit dem Auto zurücklegen, muss man 300 km fahren. Das erschien uns doch sehr merkwürdig. Wir erkundigten uns bei den Mototaxifahrern nach einer Alternative und siehe da: es gibt die Möglichkeit parallel zu den Eisenbahngleisen nach Kongolo zu fahren. Wie sich herausstellte ist das eigentlich nur ein Trampelpfad, der von Einheimischen genutzt wird um diesen Weg zu Fuß zu meistern. Auf der Strecke gibt es viele alte Eisenbahnbrücken, die nicht nur ein super Motiv für Fotos sind, sondern da hieß es dann: “Absteigen und schieben!”
Kabalo

Meet the drivers

Kabalo - Kongolo

Train tracks

Kabalo - Kongolo

A little break on the tracks

Durch die vielen Stops verloren wir wahnsinnig viel Zeit, die ich aber glücklicherweise für Fotos nutzen konnte. In Sachen Motivauswahl ist diese Strecke wirklich ein absolutes Highlight. Es hätte nur noch gefehlt das unser verpasster Zug aus Lubumbashi vorbeikommt – aber so viel Glück hatten wir nicht.

 

Am Ziel angekommen suchten wir uns eine günstige Unterkunft und nach der üblichen Körperpflege mittels kaltem Wasser aus einem Eimer, waren wir sehr gespannt was die Gegend denn so zu bieten hat. Die Stadt selbst besteht fast ausschließlich aus alten Kolonialbauten, die meist noch ziemlich gut erhalten sind. Das ganze Szenario schreit förmlich danach, fotografiert zu werden. Wie sonst auch ist es keine gute Idee, mit Kamera durch die Straßen zu gehen und überall draufzuhalten, ohne beim DGM gewesen zu sein.

 

Dazu muss ich aber sagen, dass selbst mit Genehmigung und nach Zahlung von – teilweise nicht unerheblichen – Beträgen an die Offiziellen, ein “entspanntes” Fotografieren nicht wirklich möglich ist. Man hat zwar ein “Go von ganz oben”, aber entscheidend sind hier ja vielmehr die Bewohner der Stadt, die oft Teil des Fotos sind – ob gewollt oder nicht. Es ist also kein Freifahrtschein und vollkommen verständlich, das man bei Streetphotography im Kongo etwas Fingerspitzengefühl braucht. Eine kleine Auswahl dessen, was ich fotografieren konnte, gibt es unter der Rubrik PHOTOS.

 

Aufgrund des schönen Wetters entschieden wir uns, den von den Priestern in Manono groß angepriesenen “Gates of Hell” einen Besuch abzustatten, bevor wir die kleine Stadt erkunden. Weder die Immigration Office Mitarbeiter, noch die Mototaxifahrer konnten uns sagen wie weit es denn bis dort sei. Mal hieß es 10 km, manche sagten 15 km und andere sagten, es dauert 30 min. Überhaupt kannte man nur die grobe Richtung. Das ließ nur zwei Schlussfolgerungen zu. Entweder diese Wasserfälle sind so schwer zugänglich und abgelegen, dass es ein absoluter Geheimtipp ist. Oder: Der Ort ist so unspektakulär, das niemand weiß wo er eigentlich ist.

 

In der Hoffnung, die Priester würden schon wissen was gut ist, erreichten wir nach ca. einer Stunde Fahrt durch teilweise echt schwieriges Terrain, ein kleines Dorf. Dort wurden wir vom Dorfältesten und mehreren Bewohnern gestoppt. Wohlwissend das der Weg durchs Dorf nur zu den “Gates of Hell” führt, wurde uns gesagt wir dürfen nicht alleine dorthin und müssten etwas zahlen – war ja klar. Ein Dorfbewohner begleitete uns nun und nach ca. 1 km mussten wir die Motorräder abstellen. Von hier an gings zu Fuß weiter, bergab für ungefähr einen weiteren Kilometer. Meine Ohren waren bereits seit den letzten 30 min. so auf Wasserfallgeräusche justiert, das ich je näher wir zum Fluß kamen und ich nichts derartiges hörte, zunehmend verwirrt war. Wir kletterten ein paar Felsen hinunter, gingen durch ein kleines Waldstück und dann waren wir da: The Gates of Hell – Portes d’Enfer.

Portes d’Enfer

Village

Portes d’Enfer

Local guy

Portes d’Enfer

A stone in the middle of a river

Nun ja, was soll ich sagen?! Auf der Habenseite steht sicher: es ist wirklich sehr remote und absolut kein Hotspot. Ok, was ist schon ein Hotspot, wenn es um Tourismus im Kongo geht? Es ist vielmehr eine Art “lost place”, der von jeder Menge Mythen umrankt ist. Der Dorfbewohner, der uns begleitet hat, erzählte jede Menge Geschichten von seinen Ahnen und davon das dieser Ort für alle Bewohner der Gegend heilig ist. Es werden regelmäßig Opfergaben dorthin gebracht, um Geister zu beschwören usw. So gesehen also wirklich ein Ort, der es wert ist besucht zu werden. Neben all dem Aberglauben hat die Stelle auch eine entscheidende Bedeutung für die Schifffahrt. Ab hier wird der Fluß nämlich unnavigierbar.

 

Von all dem abgesehen war es jedoch so, dass sowohl Chris als auch ich, immer noch die Worte der Priester im Kopf hatten: “Die Gates of Hell sind um Längen besser und spektakulärer als die Kyubo Falls.” “Muss man gesehen haben!” Mit diesen Gedanken entwickelte sich folgendes Gespräch, als wir schwitzend und schnaufend dem Berg hinaufliefen:

 

Chris: Hm, what do you think?
Ich: Well, it was ok.
Chris: This is not what I expected.
Ich: You’re right. The priests promised huge falls, better than Kyubo.
Chris: Yes, and you saw what it was?!
Ich: Sure, it was a rock in the middle of the river.
Chris: Yeah! It was a stone in the middle of a river.

 

Die Kernaussage dieses Dialogs sollte uns den Rest unserer Reise begleiten. Fortan wurden alle Orte, die uns vorgeschlagen wurden oder zu denen wir unterwegs waren, von uns unter schallendem Gelächter mit einem “I hope it’s not a stone in the middle of a river” quittiert. Typischer Running Gag, der das Potenzial zu einem Sprichwort hat. Uns hat es oft eine Menge Spaß bereitet und Tage, die anstrengend waren, deutlich angenehmer gestaltet.

 

Dennoch muss ich sagen: Wer in der Gegend unterwegs ist, sollte sich das anschauen. In meiner Situation war es einfach nur ein klassischer Fall von Erwartung/Ergebnis Konflikt. Prinzipiell war es ja eben einer dieser Orte, weswegen ich solche Länder besuche – wenig bekannt und schwer zugänglich.

Kongolo - Kasongo

Auch für diesen Streckenabschnitt war das Mototaxi unsere erste und einzige Wahl. Etwas mehr als 200 km lagen vor uns. Die sind hauptsächlich von sandigen Wegen, mehreren Flußüberquerungen und vielen kleinen Waldabschnitten geprägt. Vergleichsweise wenig aufregend, aber dennoch sehr schön. Hier war ausnahmsweise nicht der Weg das Ziel. Wir konnten es kaum erwarten in Kasongo anzukommen, weil wir gehört haben, dass von dort aus Trucks nach Kindu fahren. Ich brauchte unbedingt eine Pause von den Mototaxis.
Kongolo - Kasongo

River crossing

Crossing

Tanganyika to Maniema province

Kasongo

Le Palmier

Nach 70 km überquerten wir die Provinzgrenze von Tanganyika. Von nun an befanden wir uns in der Provinz Maniema. Was mir zu diesem Zeitpunkt erstmals so richtig aufgefallen ist: Man denkt ja immer, in so abgelegenen Gegenden sieht man wilde Tiere an jeder Ecke. Fakt ist aber, die hiesige Fauna schien auf Urlaub – Big Five am Arsch. Alles was ich bis dahin gesehen habe war eine Schlange die wir fast überfahren hätten, kleine Gekkos die an den Wänden unserer Zimmer entlang liefen und einen Frosch. Kein Wunder, das “sehenswertere” Getier tümmelt sich eher in den vielen Nationalparks und ich war ja auch nicht zum Animal Spotting da. Als Tier hat man es im Kongo auch nicht immer leicht. Diese Erfahrung konnte ich einen Tag später machen.

 

Am späten Nachmittag, nach 8 Stunden Fahrt, waren wir endlich da und bezogen unser Quartier. Wenn man nach günstigen Übernachtungsmöglichkeiten sucht, ist es übrigens immer eine gute Idee die Mototaxifahrer zu fragen. Bei langen Fahrten müssen sie oft in der jeweiligen Stadt oder dem Dorf übernachten. Da sie nicht überall jemanden kennen, der ihnen eine kostenlose Bleibe bieten kann, suchen sie sich das Preiswerteste aus. Deshalb ist ihr Tipp immer lohnenswert und führte uns dieses Mal ins “Hotel Le Palmier”. Für umgerechnet 8$ pro Person konnte man hier übernachten. Wasser musste man sich zwar selber aus dem Brunnen holen, aber das war ich mittlerweile gewohnt.

 

Die Unterkunft dient hauptsächlich als geheimer Ort für außerehelichen Beischlaf – leicht zu erkennen an den Kondomen, die neben dem Bett lagen und den offensichtlichen Angeboten, die einem des Öfteren vom Personal gemacht wurden. Chris und ich blieben unserer Linie aber treu und gaben uns – wie auch schon mehrfach zuvor – als der Kirche zugewandt aus. Durch unseren “Auftrag von GANZ OBEN” konnten wir den Angeboten immer sehr gut ausweichen und es wurden auch keine Fragen gestellt. All denen, die der käuflichen Liebe nicht abgeneigt sind kann ich aber sagen: Preislich bewegt sich das in einem Rahmen von einstelligen bis maximal sehr, sehr geringen zweistelligen Dollarbeträgen.

 

Es mag komisch klingen aber es war tatsächlich so, das ich überall als erstes gefragt wurde, ob ich Priester sei und welcher Kirche ich angehöre – insbesondere von älteren Menschen. Wahrscheinlich ein Überbleibsel aus der Zeit in der hier noch kräftig missioniert wurde.

Unsere wahre Mission war klar: Wir müssen weiter nach Kindu, im Idealfall gleich am nächsten Tag. Auch hier schien uns das Glück wohlgesonnen. Direkt vor unserer Unterkunft befand sich der Platz, an dem die Trucks nach Norden die Nacht verbrachten. Also nix wie raus und eine Transportmöglichkeit erfragen bevor es jemand anders tut. Hier bot sich ein Vorteil der nicht zu unterschätzen ist. Ich konnte im Le Palmier – und somit unentdeckt – bleiben, während Chris sich vor der Tür durchfragte. So konnte er einen deutlich günstigeren Preis für die Fahrt nach Kindu aushandeln. Schwarzer Turm schlägt weißen Bauern.

 

Mit der frohen Botschaft im Gepäck kam er zurück und wir feierten das mit einer ordentlichen Portion “Kwanga”. Ein aus Wurzelknollen hergestelltes und nach absolut Nichts schmeckendem maniokbasierten Grundnahrungsmittel. Eingewickelt in Bananenblättern hält das mehrere Tage und war seit über einer Woche unsere Hauptnahrungsquelle. Als Beilage gabs Dosensardinen, die ich liebevoll “Mobutu Fish” nannte. Chris sagte mir nämlich, dass die marokkanische Firma, welche den Fisch in Dosen packt, einer Tochter von Ex-Präsident Mobutu gehört.

Kasongo Le Palmier

Wanna have a shower?

Kasongo

Spezialkommando Mitbewohner

Kasongo

Car Transport

Kasongo - Kindu

Um 5:00 Uhr endete die Nacht und eine Stunde später sah ich zum ersten Mal das Fahrzeug, welches uns nach Kindu bringen sollte – eine einzige Katastrophe. Da hat wirklich gar nichts gestimmt. Die komplette Front war quasi nicht existent, die Stoßstange war aufs Dach geschnallt und zwei der vier Räder waren mit Notreifen bestückt. Abgerundet wurde das Bild durch eine dicke Schlammschicht, die den Wagen komplett einhüllte. Neben uns gab es noch weitere Fahrgäste, zwei Frauen mit Kind und drei lebende Hühner, die an ein Seil gebunden in den Fußraum geschmissen wurden. Es konnte losgehen und nach ungefähr 800 m war die Fahrt schon wieder beendet. Zu dem Zeitpunkt haben wir Kasongo noch nicht mal verlassen. Aufgrund der widrigen Straßenverhältnisse und des übermütigen Fahrstils, wurde die Ölwanne komplett aufgerissen.

Kasongo Transport

Upgrade

Kasongo

Stuck for 10 hours

45° view for 10 hours

Surrounded by mud

Das einzig Gute an der Sache war: wir mussten kein Mototaxi rufen, wir waren ja nicht weit gekommen und konnten zum Le Palmier laufen. Dort freute man sich, uns so zeitnah wiederzusehen und wir bezogen unsere Zimmer. Eine Planänderung musste her. Wir hatten den ganzen Tag Zeit, uns um eine neue Transportmöglichkeit zu kümmern. Die fanden wir am späten Nachmittag direkt vor unserer Haustür: Ein Truck, der am nächsten Morgen direkt nach Kindu fährt.

 

Start war wieder 6:00 Uhr und wir waren guter Dinge, die knapp 250 km bis Kindu eventuell sogar innerhalb eines Tages zu schaffen. Diese Hoffnung wurde nach etwa 1,5 km zunichte gemacht. Unser Truck war der letzte in einem kleinen Konvoi aus drei weiteren. Der erste Zwischenfall war nicht so dramatisch, ein Reifenschaden des ersten Trucks. Wir mussten warten bis der Reifen gewechselt war, da es keine Ausweichmöglichkeiten gab. Das dauerte ungefähr 1 Stunde und dann gings weiter…allerdings auch nur knapp 100 m. Die Spurrinnen haben sich zu tiefen Wasserlöchern entwickelt, in denen die beiden vor uns fahrenden Trucks steckengeblieben sind – es begann stark zu regnen und wir saßen erneut für 1,5 h fest.

 

Man beschloss, sich von einem Baustellenfahrzeug das in der Nähe war, herausziehen zu lassen. Kosten hierfür: 50$. Zu zahlen vom Fahrer aus eigener Tasche. Jetzt war es an uns. Schaffen wir es durchzukommen oder bleiben wir auch stecken? Zwei unserer Crewmitglieder leisteten Vorarbeit, indem sie versuchten die Vertiefungen mit allerlei Zeug zu füllen und Wasser mit Schaufeln herauszubefördern. Allein vom Zuschauen war ich fix und fertig. Langsam bewegte sich die Maschine Richtung Wasserloch. Kurze Zeit später befand sich unser Truck im 40° Winkel nach rechts geneigt in genau der Lage, die für alle das absolute Horroszenario war. Gedanklich sah ich uns schon wieder zurück ins Le Palmier laufen.

 

Anstatt den Bulldozer zum Herausziehen zu organisieren setzte unsere Crew auf Muskelkraft und Ausdauer. Diese Entscheidung erfüllte mich mit wenig Hoffnung, aber die nächsten 10 Stunden hatten wirklich sehr hohen Unterhaltungswert. In den Augen der Crew war ich wohl der Experte für Immigrationsfragen. Eine spannende Fragerunde rund ums Thema “Was muss man tun, um nach Deutschland zu kommen?” entwickelte sich. Sie erzählten mir von ihren Träumen und Wünschen – da erschien mir die nahezu ausweglose Situation, in der wir uns befanden schon fast nichtig. Alle paar Stunden schauten wir aus dem Fenster, um uns nach dem aktuellen Wasserstand unter uns zu erkundigen. Der Rest der Crew leistete da unten Schwerstarbeit, aber der Neigungswinkel wollte einfach nicht kleiner werden. Nach 7 Stunden versuchten wir es erneut, ohne Erfolg.

So langsam wurde allen Anwesenden bewusst, dass wohl kein Weg daran vorbeiführt, die Planierraupe zu reaktivieren. Zugehörige Baustelle befand sich nur ein paar hundert Meter entfernt, aber die Preisverhandlungen zogen sich über mehrere Stunden. Die Bauarbeiter wussten, dass wir ohne ihre Hilfe nicht rauskommen würden. Was also macht der clevere Kongolese in einem solchen Fall? Er macht das, was jeder andere auch machen würde: er dreht an der Preisschraube. Aus den ursprünglichen 50$ wurden mal eben 100$, was unseren Fahrer logischerweise ziemlich nervte. Ein zweistündiger Verhandlungsmarathon begann und am Ende einigte man sich auf 75$.

 

Kurz darauf waren wir “back in the game” und es wurde schon fast dunkel. Die Straßenverhältnisse waren recht gut und wir konnten mehr oder weniger “durchbrettern”. Unsere Route führte uns auch durch ein kleines Dorf, welches in ganz Zentralafrika als der Hotspot für Zauberei und Hexerei bekannt ist. In der Fahrerkabine kam richtig Lagerfeuerstimmung auf, als davon erzählt wurde. Eine weitere ungeplante Übernachtung stand dennoch an – dieses Mal jedoch hatte ich das große Privileg, mir die Kabine mit dem Fahrer zu teilen. Noch bevor es 4:00 Uhr morgens war starteten wir wieder.

Bushmeat for sale

3$ monkey

Kindu

Die Provinzhauptstadt von Maniema war für uns ein strategisch wichtiger Ort was den restlichen Reiseverlauf angeht. Hier sollte sich entscheiden, ob wir mit einem Boot nach Ubundu fahren können oder die Strecke auf dem Landweg zurücklegen müssen. Der kürzeste Weg führt über den Lualaba River. Bis Ubundu sind es etwas mehr als 300 km, mit Truck oder Mototaxi ist die Strecke fast doppelt so lang.

 

Auch die Gegend um Kindu ist reich an Bodenschätzen, das erklärt wohl warum die Hotelpreise hier deutlich höher sind. Man kann für 100$ übernachten und hat dort sogar fließend Wasser. Wir haben uns für die Variante 30$ und Wassereimer entschieden. Nach einer kurzen Grundreinigung war Kindu-Port-Empain unser erstes wichtiges Ziel. Hier sollte es etwas kompliziert werden. Der Hafen selbst ist einfach nur ein ca. 200 m langer, sandiger Bereich ohne viel Schnick Schnack. Wir fragten uns kurz durch und bekamen so Kontakt zum DGM Verantwortlichen. In seinem auf 6 Bambusstämmen mit Bananenblättern bedachten Headquarter begann eine einstündige Diskussion. In der äußerte er nicht nur seine Bedenken darüber, dass ich mitfahren möchte, er gab uns vielmehr zu verstehen, dass es quasi nicht möglich sei.

 

Seine Begründungen waren hauptsächlich durch die Angst geprägt, mir könne was zustoßen und wenn das geschieht, würde der deutsche Botschafter bei ihm auf der Matte stehen und fragen, wieso er mich auf das Boot gelassen hat. Er würde seinen Job verlieren und jede Menge Ärger bekommen. Ich fand seine Gedankengänge wirklich erstaunlich und witzig zugleich. Zum Lachen war mir trotzdem nicht, weil von ihm abhing ob wir aufs Boot kommen oder eben nicht. Meine Erklärungsversuche prallten völlig an ihm ab.

Kindu

Port

Kindu

Mosque

Kindu

Train Station

Am Ende des Gesprächs machte er folgenden Vorschlag: Wir sollten am kommenden Morgen nochmal vorbeischauen. Der Bootseigner muss für meine Sicherheit garantieren, indem er irgendwas unterschreiben sollte. Sobald das geschehen ist, wäre er aus dem Schneider und wir könnten mitfahren. Ähm, what? Wer soll denn bitte garantieren, das auf 300 km Bootsfahrt nichts passiert? Gerade auf dieser Route passiert ständig irgendwas, weil es so schwer navigierbar ist. Besagtes Boot sollte zwei Tage später starten, somit hatten wir also noch anderthalb Tage Zeit.

 

Uns war relativ schnell klar, dass das ein zugegebenermaßen trickreiches Manöver war, um etwas nebenbei zu verdienen. Der nächste Morgen sollte Klarheit bringen, und siehe da: den Bootseigner, der angeblich für meine Sicherheit bürgen sollte, hatte er gleich mitgebracht. Chris und ich waren sicher: der Typ hat ganz sicher nichts unterschrieben und hat keine Ahnung von dem Deal. All das war uns aber ziemlich egal, weil er schon vorab mit uns den Preis verhandelt hat. Für insgesamt 80$ sollten wir sogar eine “VIP Area” auf dem Boot bekommen – was auch immer das bedeuten würde. Dann hieß es, die Bootscrew muss zusätzlich motiviert werden, damit wir sicher und schnell ankommen – 20$ on top. Völlig egal in dem Moment, ich hätte auch 50$ gezahlt. Ich war einfach froh alles eingetütet zu haben.

 

Den Nachmittag verbrachten wir damit, das Bahngelände und den alten Hafen zu erkunden – mit Genehmigung versteht sich. Genehmigung bedeutet, wie überall sonst auch, dem jeweiligen Verantwortlichen unauffällig ca. 15$ zuzustecken. Dafür wurde einem aber auch jemand zur Seite gestellt, der dir überall Zutritt verschaffte. Selbst die Werkstätten mit alten belgischen Maschinen konnte ich bis ins kleinste Detail inspizieren. All das ist wirklich sehenswert. Gedanklich war ich aber längst auf dem Lualaba River in Richtung Ubundu.

 

Am Abend trafen wir uns noch mit zwei ehemaligen Kommilitonen von Chris und sprachen über die Zukunft Kongos. Rückblickend kann ich sagen, dass insbesondere solche Begegnungen am prägendsten für mich gewesen sind. Junge Menschen die ihr Land verändern wollen…studiert und den Kopf voller Ideen…ABER aufgrund vieler Probleme ihres Landes so limitiert, was die Umsetzung ihrer Visionen angeht. Dann sitzt da jemand wie ich und redet mit ihnen über den eigenen Job und Möglichkeiten, die einen so die letzten Wochen bewusst geworden sind, während man das Land durchquert – und die Jungs saugen einfach alles auf wie ein Schwamm. Können gar nicht genug kriegen von der Meinung anderer. Das war wirklich faszinierend für mich.

Kindu - Ubundu

Nach 2 Tagen in Kindu war es dann endlich soweit und es hieß: Ahoi! Vom DGM Chef persönlich an Bord gebracht bezogen wir zunächst unsere Kajüte. Einen ca. 2,50 m langen und nicht mal 2 m breiten Verschlag, der eigentlich die Brücke sein sollte, von der aus der Kapitän das Schiff navigiert. Als Schlafmöglichkeit diente ein 90 cm breites Holzbrett mit einer Schaumgummiauflage, die gefühlt älter war als das Boot selbst. Im Gegensatz zu den anderen Passagieren hatten wir aber so wenigstens einen Rückzugsplatz und konnten unser Gepäck sicher verstauen.

 

Von Deck aus beobachteten wir wie die anderen Passagiere an Bord kamen. Schätzungsweise 40 Leute befanden sich nun mit uns auf dem Boot und gegen 12:00 Uhr hieß es dann: Leinen los! Das Deck war zugestellt mit Gepäck und jeder versuchte einen bequemen Platz zu ergattern. Ich schaute in fragende Gesichter – alle schienen ziemlich irritiert zu sein ob meiner Anwesenheit. Das Boot selbst ist kein Passagierschiff, sondern dient zum Transport von Waren jeglicher Art.

 

Mit weniger als 4 Knoten verließen wir den Hafen und tuckerten flußabwärts. In der Hoffnung wir würden bald einen Zahn zulegen, rechnete ich mir nach einer Stunde Fahrt aus, wie lange wir wohl brauchen mit dieser Geschwindigkeit und kam zu einem unzufriedenstellenden Ergebnis. Die Reise würde ungefähr 4 Tage dauern, vorausgesetzt es gibt keine Probleme unterwegs. All das ist vollkommen egal, da man sowieso nichts dagegen tun kann. Man muss sich mit den Gegebenheiten arrangieren und das tat ich dann auch. Mir ist auch völlig schleierhaft, wie Leute Gefallen daran finden, mit einer Fähre von Kinshasa nach Kisangani zu fahren. Das dauert zwei bis drei Wochen und muss wirklich langweilig sein nach ein paar Tagen. Man ist auf so einem Boot gefangen und kann nichts machen. Hin und wieder legt man mal bei einem kleinen Dorf an und das wars. Wenn mich jemand fragt: 3 Tage auf einem Boot reichen vollkommen aus. Auf dem Lualaba River zu fahren ist da sicher noch spannender als auf dem riesigen Congo River, aber das muss jeder für sich entscheiden.

 

19:00 Uhr schlug das Wetter um. Regen, Blitz und Donner schüttelten den Kahn heftig durch und wir stoppten für zwei Stunden. Tag eins neigte sich dem Ende und bis 23:00 Uhr konnte noch einigermaßen sicher navigiert werden. Die ganze Navigation selbst ist sehr abenteuerlich – am Bug, bzw. auf dem Vorderdeck laufen Crewmitglieder von einer Seite auf die andere und geben dem Steuermann am Ende des Boots mit Handbewegungen zu verstehen, wie die Verhältnisse sind.

 

Die erste Übernachtung an Bord stand an. Ungefähr ein viertel unserer Mitreisenden waren Kinder und Kleinkinder, die schräg unter unserer Kajüte nächtigen sollten mit all den anderen Passagieren. Das bedeutete vor allem eins: wenig Schlaf. Eingehüllt in den Dieselgeruch der Motoren und gestresst vom Lärm lagen Chris und ich entgegengesetzt in unserem 90 cm Bett. Durch die Bretter konnte ich das untere Deck sehen, dort stapelten sich die Leute und mir war klar: Besser wirds nicht.

 

Der Morgen startete freundlich was das Wetter angeht und die Neugier der Passagiere eröffnete Gesprächsmöglichkeiten. Die vorherrschende Meinung zu mir war: Ich bin ein Nachfahre ehemaliger Kolonialherren und würde jetzt die Inseln im Fluß und die Ufer erkunden, weil dort zu Kolonialzeiten Schätze und ähnliches versteckt wurden. Für mich klang das alles wie aus einem Abenteuerfilm, aber selbst Leute der Crew zeigten mir hin und wieder Orte am Fluß, an denen noch Überbleibsel dieser Zeit vorhanden sein sollen. Mit der Zeit in Vergessenheit geraten und überwuchert, aber immer noch da. Wahnsinnig spannend und inspirierend, finde ich.

VIP room

Our "terrible house"

Kindu

On board

Kindu to Ubundu

On board

Kindu to Ubundu

Kids are very bored

Kindu to Ubundu

Such a great view

Im Laufe des Tages wurde das Wetter schlimmer, so schlimm das wir nicht mehr weiterfahren konnten. Heftige Gewitter und starker Regen zwangen uns zu einer Pause. Ein paar Stunden später setzten wir uns wieder in Bewegung und befanden uns erneut in einer Gegend die von gewalttätigen Konflikten geprägt ist. Solange man auf dem Wasser ist besteht relativ wenig Gefahr. In der Vergangenheit war es jedoch so, dass Rebellen mit kleinen Booten von Land aus Richtung Boot kamen und alles plünderten. Mir wurde zwar gesagt, dass das jetzt eigentlich nicht mehr vorkommt und wenn überhaupt dann eher an Land, aber ein wenig Restzweifel blieb.

 

Trotz alledem musste natürlich auch auf diesem Streckenabschnitt bei den unterschiedlichsten Dörfern angelegt werden. So kam es, dass wir um 16:00 Uhr in Kowe Halt machten – ein völlig unscheinbares Dorf am Fluß, welches aber ein echter Stresstest für uns werden sollte. Das übliche Prozedere…für zwei bis drei Passagiere war hier Endstation, andere kauften Nahrung von den Dorfbewohnern, Treibstofffässer wurden abgeladen und ich versuchte mich so gut wie möglich rar zu machen.

 

Der Stop erschien mir unverhältnismäßig lang und nach einer Stunde ging ich aufs Vorderdeck. Am Ufer war bereits das ganze Dorf versammelt und es wurde heftig diskutiert. Grund hierfür: Eines der Treibstofffässer fehlte und der Besitzer drängte auf eine Lösung. Mittlerweile war meine Anwesenheit auf dem Boot ein größeres Thema als das Fass. Mosungu, Mosungu Rufe der Kinder und Jugendlichen blieben auch dem örtlichen DGM nicht verborgen. Ja, selbst hier gibt es wohl Leute, die dem DGM zugehörig sind. Es war schon 19:00 Uhr und stockdunkel als Taschenlampen aufblitzten und drei Männer an Bord kamen – DGM. Obwohl ich das Boot nicht verlassen habe, wollten sie abkassieren und nahmen meine Daten auf. Ich hatte keine Lust irgendwelchen random Leuten schon wieder Geld zu geben, deshalb einigten wir uns darauf, am kommenden Morgen bottled Water und einen kleinen Geldbetrag abzugeben.

 

Nachdem etwas Ruhe eingekehrt war, wurde mir erstmals so richtig bewusst, in welcher Lage wir uns befinden. Wir lagen am Ufer eines Dorfs, von dem alle um meine Anwesenheit wissen. Die Gegend ist gefährlich, weil bewaffnete Konflikte ausgetragen werden. Wir wissen nicht, in welcher Beziehung die Dorfbewohner zu den Rebellen stehen und eventuell Informationen darüber verbreiten. Das mag paranoid klingen, aber in einer solchen Situation musst du versuchen alle Risiken so gut wie möglich zu minimieren. Und das hier war ein sehr großes Risiko. Wir beratschlagten uns kurz, redeten mit dem Kapitän und der Crew – die waren nicht gewillt weiterzufahren. In diesem Gespräch stellte sich heraus, dass die 20$ (Motivation für die Crew) die ich in Kindu gezahlt habe, nie bei der Crew angekommen sind. Geahnt habe ich das zwar schon vorher, aber jetzt war das wirklich ein sicherheitsrelevantes Thema.

 

Völlig aufgewühlt rief der Kapitän den Bootseigentümer an, der sich das Geld in die eigene Tasche gesteckt hat und forderte es ein. Der hatte wohl nicht mit unserer misslichen Lage gerechnet und gestand den Betrug. Trotz seiner Zusage, Crew und Kapitän würden das Geld später bekommen, war die Motivation an Bord nicht die Beste. Obwohl ich so langsam knapp bei Kasse war wusste ich, hier kommt man nur mit Geld weiter. 25$ sollten Abhilfe schaffen und wir starteten tatsächlich kurze Zeit später. Heftige Gewitter zwangen uns von 1:00 Uhr bis 6:00 Uhr morgens zu warten. Weiter gings dann Nonstop und wir erreichten den Hafen von Ubundu 16:45 Uhr.

Ubundu - Kisangani

Praktischerweise nahm uns der örtliche Immigration Officer direkt in Empfang als wir von Bord gingen. In seinem Büro, einer heruntergekommenen Bruchbude an der Bahnstation, erledigten wir die üblichen Formalitäten und fragten wann denn ein Zug fahren würde. Ubundu und Kisangani sind durch eine Bahnstrecke verbunden, weil der Lualaba River von hier flußabwärts nicht befahrbar ist. Eigentlich ideal für meine Zwecke, weil es nur ca. 130 km sind und man so nicht, wie bei sehr langen Strecken Gefahr läuft, für mehrere Wochen unterwegs zu sein. Uns wurde jedoch gesagt, dass ein Zug der auf dem Weg nach Ubundu war, entgleist wäre und es noch länger dauert bis das Problem behoben ist. Planbar ist das sowieso nicht, da der Zug auf dieser Strecke nur alle paar Monate fährt.

 

Wir bezogen zwei Zimmer in einem der wenigen Guest Houses und organisierten uns mit Hilfe von Einheimischen zwei Mototaxifahrer für den nächsten Tag. Als Abendessen gabs dann noch zwei gegrillte Maiskolben und sehr teures Bier. Der Preis für Bier ist nicht nur abhängig von der Lage des Ortes selbst, sondern auch von unvorhersehbaren Ereignissen wie eben einer Zugentgleisung – kommt kein Nachschub, steigt der Preis. Pünktlich um 6:30 Uhr morgens trafen unsere Fahrer ein und unterrichteten uns über den Zustand der “Straße”. Für 130 km bräuchten wir 8 bis 10 Stunden, weil die Verhältnisse wohl “very bad” sein sollen. Was genau das bedeutete erfuhr ich dann wenige Stunden später.

Ubundu

Ali Fils Guest house

Ubundu - Kisangani

Road conditions

Die ersten 30 bis 40 km waren durchaus ok, dann wurde es mit jedem Kilometer schlimmer. Riesige Wasserlöcher, wo eigentlich Straße sein sollte, zwangen uns unzählige Male abzusteigen. Alle mussten mit anpacken, um die Motorräder durch Schlamm und Matsch zu schieben. Von den 130 km sind wir bestimmt insgesamt 6 bis 7 km gelaufen. Kein Auto oder Truck kann diese Strecke in dem Zustand befahren. Vorteil der widrigen Bedingungen: Kein Checkpoint weit und breit.

 

Wir erreichten Kisangani gegen 14:00 Uhr und weil wir das Gefühl hatten, es verdient zu haben, checkten wir ins Hotel “La Riviera” ein. Mit 50$ pro Nacht und Zimmer die bisher teuerste Unterkunft. Stanleyville selbst, wie Kisangani noch bis 1966 hieß, ist “eher so mittel” würde ich sagen. Es gibt jedoch ein paar “versteckte”, weniger bekannte Orte die durchaus sehenswert sind. Insbesondere die Kolonialbauten “Hotel Regina” und “Hotel des Chutes”, aber auch die Kisangani Mosque. Es gibt auch ein altes Gebäude in dem Präsident Mobutu mal gelebt hat (Palais du Léopard), welches mittlerweile durch Einheimische besetzt wurde. Auch diesen Ort haben wir besucht und mit den Leuten vor Ort gesprochen, allerdings waren sie nicht so fotobegeistert wie ich und ich konnte nur kurz mit der GoPro draufhalten.

 

Ähnlich lief es beim “Guerre des six jours” Friedhof ab. Kurz vor Betreten des Friedhofs wurden wir von einem wütenden Mob daran gehindert und es entbrannte eine hitzige Diskussion. Mal wieder wurde vermutet, ich wäre auf der Suche nach wertvollen Mineralien und ähnlichen Dingen, die sich auf dem Friedhof befinden. Als die Lage zu eskalieren drohte, entschieden wir uns zum Rückzug.

 

All diese Orte kann man innerhalb eines Tages besuchen und dann einen fetten Haken hinter Kisangani machen. Am Abend überraschten mich meine neuen kongolesischen Freunde mit einem Geburtstagskuchen und wir feierten noch ein wenig.

Kisangani

Hotel des chutes

Kisangani

Palais du Léopard

Kisangani

Guerre de 6 jours cemetery

Kisangani - Lubutu - Walikale

Nach 3 Wochen sollte es nun schon fast auf die Zielgerade gehen. Die Strecke bis nach Goma ist nicht nur schwierig, sondern in mehreren Abschnitten auch sehr gefährlich. Es gab zwei Optionen.

 

Option 1: Die nördliche Route über Beni und Butembo. Aufgrund anhaltender Unruhen in und um Beni war das keine kluge Wahl. Ein paar Tage zuvor wurde dort das Rathaus und das MONUSCO Headquarter gestürmt und angezündet. Das Gebiet war zudem schwer betroffen von der aktuellen Ebolaepidemie. Die aktuellen News berichteten von wahllosen Übergriffen auf Europäer, egal ob Hilfsorganisationen oder UN-Truppen zugehörig. Einziger Vorteil wäre gewesen, das wir die Strecke auf vier Rädern hätten zurücklegen können.

 

Option 2: Direkt über Lubutu und Walikale durchs Masisi Territorium. Auch hier gab es große Sicherheitsbedenken, insbesondere ab Walikale muss man auf der Hut sein. In Wanie-Rukula, einem Dorf 60 km von Kisangani entfernt, war zudem eine Brücke eingestürzt und wir waren nicht sicher, ob wir danach per Truck fahren konnten.

Wir entschieden uns für die zweite Option, welche in unseren Augen weniger gefährlich war, auch wenn das bedeutete im worst case 700 km mit Motorrad fahren zu müssen. Die 60 km bis Wanie-Rukula fuhren wir mit zwei Mototaxis, dort angelangt mussten wir den Fluß mit einer Pirogue überqueren. Auf der anderen Seite angekommen standen gleich mehrere Trucks, aber keiner würde heute Richtung Lubutu starten. Hieß für uns erneut: Mototaxi. Die Straßenverhältnisse waren sehr gut, weshalb wir uns für nur ein einziges Motorrad entschieden und zu dritt fuhren. Lubutu erreichten wir am späten Nachmittag und erkundigten uns sofort nach Trucks Richtung Walikale – leider ohne Erfolg.

 

Wir verließen Lubutu wieder sehr früh am Morgen, um die 200 km vor Anbruch der Dunkelheit zu schaffen. Auch diesen Tag verbrachten wir komplett “on the road”, aber große Teile dieser Strecke waren asphaltiert und wir kamen sehr gut voran.

 

Bereits am frühen Nachmittag erreichten wir Walikale. Die Stadt und alles was so drumherum liegt ist bekannt für riesige Gold- und Kassiterit-Vorkommen, was es zu einer Hochburg von Konfliktrohstoffen macht. Was für uns aber relevanter war: Das mehr als 23.000 km² große Gebiet ist größtenteils unter der Kontrolle von Mai Mai Milizen und anderen bewaffneten Gruppierungen, die regelmäßig Gewalt gegenüber der Zivilbevölkerung ausüben. Ein weiterer, sicherheitsrelevanter Punkt sind Kämpfe innerhalb lokaler ethnischer Gruppen, die oft dazu führen, dass tausende von Menschen aus ihren Dörfern fliehen müssen. Klingt erstmal sehr theoretisch, aber wie Chris sagen würde: “this is a big issue”.

 

Glücklicherweise bleiben einem solche Gefahren ja meist verborgen, auch wenn man deren Auswirkungen dort sehen und spüren kann. So war es auch in unserem Fall. Klar ist auch: Die Bewohner Walikales oder des Masisi Territoriums haben keinerlei Bezug zu Tourismus oder jemandem wie mir, der auf einmal plötzlich da ist. Man könnte schnell den Eindruck bekommen, das Gastfreundschaft hier kein Thema ist. Das ist aber nicht der Fall. Sobald man nicht mehr als eine Art Fremdkörper wahrgenommen wird, mit den Menschen ins Gespräch kommt und z.B. Gründe für seine Anwesenheit erklärt, ändert sich das Bild.

 

Ich muss aber sagen, dass selbst noch so ausführliche Erklärungsversuche was meine Reisegewohnheiten etc. angeht, bei vielen Menschen noch mehr Fragen aufgeworfen haben als sie sowieso schon hatten. Wieso man sich als Europäer solchen Strapazen und Gefahren aussetzt, um gerade dieses Dorf oder die Stadt zu besuchen usw. Das war dann aber ok für mich, weil ich genau solche Fragen auch in Deutschland gestellt bekomme. Als ich ihnen das sagte, war das Eis dann meist gebrochen.

 

Wir organisierten uns noch ein Mototaxi für den nächsten Tag und ließen den Tag bei heftigem Gewitter in einer Bar ausklingen. Wohlwissend die Strecke ist eine der gefährlichsten auf unserem Road Trip, einigten wir uns darauf 3:30 Uhr nachts zu starten, um bestenfalls 12 Stunden später in Goma einzureiten. Bei leichtem Regen und der Hoffnung das Wetter wird nicht schlechter schliefen wir nicht mehr als 4 Stunden.

Wanie Rukula

Collapsed bridge

Lubutu

Kids

Lubutu - Walikale

Short break

Walikale

Road sign

Walikale - Goma

Der Regen hatte etwas nachgelassen, als wir mit Mini-Taschenlampe und Headlamp ausgestattet unser Gepäck aufs Motorrad schnürten. Chris hatte erste Symptome von Malaria, die sich im Laufe des Tages noch verstärken sollten. Dank meines wohlsortierten Medipacks war das aber nach drei Tagen auskuriert. Trotz meiner Abenteuerlust hielt sich das Verlangen loszufahren in Grenzen. Ich schob das gedanklich auf den Schlafmangel und versuchte mich zu motivieren – nicht leicht bei zunehmendem Regen und 230 km Strecke vor uns. In kompletter Dunkelheit verließen wir Walikale bergauf über die nördliche Route in Richtung Goma.

 

In der Ferne zuckten Blitze auf und der Untergrund wurde zunehmend schlimmer durch den Regen. Ein Weiterfahren war nicht mehr möglich und wir pausierten in Mutakato, einem kleinen Dorf zwischen Walikale und Mpofi, um zumindest das Gröbste abzuwarten. Es wurde langsam hell und wir sahen einen Dorfbewohner, der seinen Laden öffnen wollte. Zu unserem Glück hatte er Plastiktüten im Angebot, welche wir von nun an als Regenschutz verwenden konnten.

 

Im Zeitplan hingen wir ziemlich hinterher, weshalb der Fahrer übermütiger wurde und wir einen Unfall bauten. Nichts schlimmes, eingeklemmter Knöchel, blaue Flecken etc. Kurz darauf kamen wir in bergiges Gebiet, wo uns unzählige Schlammlawinen mehrfach den Weg versperrten. So richtig bewusst wurde uns die Gefahr erst, als wir in einer Lawine steckten und 10 m hinter uns der halbe Berg runterkam, während wir versuchten uns zu befreien. Von ungefähr 10 Schlammlawinen, die wir passieren mussten, war die Hälfte sehr gefährlich. Ein falscher Schritt und man muss sich keine Sorgen mehr um den restlichen Reiseverlauf machen. Oft wurde uns auch von Dorfbewohnern geholfen, mal mit Machete, mal mit Muskelkraft.

Wanie - Goma

Landslide

Wanie - Goma

Collapsed bridge

Wanie - Goma

Road conditions

Völlig erschöpft erreichten wir nach 16 Stunden Fahrt Nyabiondo, ein Dorf 170 km von Walikale entfernt. Auch hier galt es eher nicht so viel Aufmerksamkeit zu erwecken, weshalb wir hinter den Mauern unserer Unterkunft schnell schlafen gingen. Wir starteten 7:30 Uhr Richtung Goma durch das wunderschöne Masisi Territory, das in Teilen sehr an die Schweiz erinnert. Obwohl wir uns hier der längsten und somit nervigsten Kontrolle durch DGM aussetzen mussten (mehr als 2 Stunden), waren wir freudig gestimmt bald Goma zu erreichen. Am frühen Nachmittag war es dann soweit und wir passierten Sake, die letzte Stadt vor Goma.

Goma

Zunächst mussten wir uns ein zweites Motobike organisieren, da es in Goma nicht erlaubt ist mit mehreren Personen auf einem zu fahren. Nach all den stressigen Tagen war ich sehr froh in eins der besten Hotels der Stadt einchecken zu können – das Cap Kivu Hotel. Wunderschön gelegen am Lake Kivu und hauptsächlich von Hilfsorganisationen als Unterkunft genutzt.

 

Leider konnten wir uns aufgrund der anhaltenden Unruhen in der Stadt nicht wirklich frei bewegen. Es gab heftige Proteste gegen die UN-Truppen und auch hier gab es vereinzelt Angriffe auf Ausländer. Ein Großteil der stationierten Truppen wurde aus Sicherheitsgründen ins benachbarte Ruanda gebracht – nicht der beste Zeitpunkt für Sightseeing.

 

Am kommenden Tag wurde es nicht besser, aber wir versuchten uns in Teilen der Stadt aufzuhalten, in denen es nicht all zu gefährlich war. Wir nutzten die Zeit, um uns am Hafen Tickets für ein Speedboat nach Bukavu, mit Zwischenhalt auf Idjwi Island zu kaufen.
Den Abend verbrachten wir mit Freunden und erzählten beim gemeinsamen Abendessen von unseren Erlebnissen der letzten Wochen.

Goma

UN toy

Goma

Cap Kivu hotel

Idjwi Island

Auf den letzten Metern meines Trips sollte es nochmal richtig spannend werden. Die Fahrt bis Port Ruhundu, im südlichen Teil von Idjwi Island gelegen, dauert ungefähr 2 Stunden. Dorthin verirrt sich wirklich sehr selten mal jemand von außerhalb, dementsprechend unvorbereitet ist man auf Besuch. Als ich dort war, gab es tatsächlich nur ein kleines Hotel im Norden der Insel und ein bis zwei offizielle Guesthouses. Eigentlich erstaunlich wenn man bedenkt, dass es die zweitgrößte Inlandinsel Afrikas ist. Für uns aber kein Problem – wir hatten die große Ehre, die Nacht im Haus einer befreundeten Familie zu verbringen.

 

Von der Anlegestelle fuhren wir mit Motobikes direkt zu unserer Unterkunft und waren natürlich sofort von neugierigen Dorfbewohnern umringt. Der “Herr des Hauses”, ein wahnsinnig netter Typ, begrüßte uns mit einem Gebet im Wohnzimmer des kleinen Häuschens, in dem er mit seiner Frau und 5 Kindern lebt. Eigentlich unfassbar, das man uns beiden bei so wenig Raum, sogar ein eigenes Zimmer zur Verfügung stellt. Gut, das Zimmer war nicht größer als das Bett was darin stand, aber die Geste selbst war für mich schon echt unglaublich.

 

All zu viel hat die Insel nicht zu bieten, aber nach einem kurzen Gespräch mit den Mototaxifahrern und ein paar anderen Bewohnern einigten wir uns auf eine grobe Route. Ein weiteres Gebet sollte uns auf dem Weg schützen und heil zurückbringen – mit Erfolg, wie sich gezeigt hat.

 

Wir besuchten eine verlassene Kaffee-Fabrik und schauten zu, wie Zimmermänner aus Holzstämmen Bretter sägten. Dem “Königspalast” (ehemals Mobutu Residence) statteten wir ebenfalls einen Besuch ab und lernten so auch die Queen Mom kennen, die gerade alleine zu Hause war. Ein kurzer Stop bei einem Fußballspiel zog soviel Aufmerksamkeit auf uns, dass das Spiel zur Nebensache wurde und wir ein paar Minuten später wieder durchstarteten. Der Besuch eines kleinen Pygmäen-Dorfes war da noch das Spannendste. Insbesondere diese Menschen leiden sehr unter ethnischen Konflikten und haben sehr wenig zum leben. Die meisten können weder schreiben, noch lesen und Jobs gibt es nicht.

 

So langsam gingen die Ideen aus, was man denn noch machen könnte. Plötzlich hieß es aber: “We have a local witch here with snakes, skulls and stuff…” Na bitte, geht doch! Gedanklich schon im “Hänsel und Gretel Modus” konnte ich es kaum erwarten, die olle Hexe zu sehen. Wo mag es wohl hingehen? Ein schmaler Weg, der uns zu ihrem Hexenhäuschen führt, weit abgelegen vom Dorf? Wie riecht so eine Hexe eigentlich? Nach alter Frau? Was wird sie wohl tragen? Ein schwarzes Gewand mit Kapuze und verhülltem Gesicht?

 

Alles falsch. Die Hexe von heute trägt Nike und hat frühs um 10:00 Uhr schon dermaßen einen sitzen, dass man sich Sorgen machen möchte.

Idjwi Island

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Pygmy village

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Ruzuba - the local witch

Wir hielten völlig unvermittelt in einem kleinen Dorf an, warteten und etwa 10 Minuten später kam ein Mann aus einer Bar, das Primus Bier noch in der Hand. Chris flüsterte mir zu: “This is the witch.” Ich fragte ihn: “Are you serious?”. War er.
Ich hab sofort auf Entertainment-Mode umgeschaltet und wusste, das kann nur gut werden. Mittlerweile war das ganze Dorf um uns herum versammelt und war sichtlich erstaunt von der Tatsache, dass ich dem hiesigen Hexenmeister einen Besuch abstatten wollte. Die Preisverhandlungen liefen auf Hochtouren und die erste Runde des Salesmeetings lieferte das Ergebnis 120$. What? Das erschien mir doch, nicht zuletzt ob des Outfits und Alkoholpegels, ein wenig hoch und die Verhandlungen gingen weiter. Am Ende einigten wir uns darauf, nicht die komplette Bandbreite seiner skills zu sehen und der Zuschlag erfolgte bei ca. 30$.

 

Man möge ihm folgen. Wankend aber mutigen Schrittes gings dann ungefähr einen Kilometer westwärts. Chris und ich waren noch immer fix und fertig das dieser Typ “the local witch” sein soll. Begleitet von mehreren Kindern aus dem Dorf kamen wir seinem “Hexenhaus” näher. Sehr gut vorbereitet wurden Plastikstühle im Halbkreis seines Hofs verteilt. Let the show begin!

 

Vor uns wurden allerlei Utensilien verteilt, u.a. ein Totenschädel, gebogene Hörner, ein Tierfell, eine lebende Schildkröte, ein großes Glasgefäß mit einer Flüssigkeit, die angeblich hochgiftig sei und teilweise aus Menschenhaut besteht, darin schwimmend eine Ratte ohne Kopf. Rein äußerlich eine Mischung aus Bloody Mary und Campari Orange, passend dazu steckte sogar ein Strohhalm drin. Das Highlight kam aber zum Schluß, als ein anderer Mann eine hochgiftige Schlange aus einem Plastiksack schüttete, die unkontrolliert direkt vor unseren Stühlen umherschlängelte. Es war angerichtet.

Idjwi Island

Ruzuba's tools

Ruzuba's assistant

Der Zauberlehrling

Get ready for...

Ruzuba's show!

Die Schlange wurde von Ruzuba’s Assistenten mit der Tüte, aus der sie kam, so gut es ging in Schach gehalten. The witch himself war sehr gesprächig und kommentierte jede einzelne Bewegung. Auch die einzelnen Tools wurden bezüglich ihrer Funktionsweise beschrieben. Laut eigener Aussage tötet Ruzuba fast täglich andere Menschen, so wurde mir übersetzt. Allerdings nicht direkt, sondern vielmehr durch seine Zauberei. Wird also jemand des Diebstahls oder anderer Vergehen bezichtigt, kommt der Geschädigte zu Ruzuba und zahlt den üblichen Tarif, denjenigen aus dem Weg zu schaffen. Die Art und Weise kann man sich dem Preismodell entsprechend auch aussuchen – meist werden Unfälle gewählt, sagte man mir. You got a problem? Better call Ruzuba!

 

Mehrfach blies er in den Strohhalm und lies das Gebräu aus dem Glas blubbern, sprang dabei torkelnd und mit aufgerissenen Augen zurück und sprach Zaubesprüche aus, während er in meine fragenden Augen schaute. Keinem der Anwesenden erschien das irgendwie komisch, schon gar nicht all den Kindern die uns aus dem Dorf gefolgt sind und dem Schauspiel ängstlich beiwohnten. So merkwürdig und lustig einem das als Außenstehenden scheint, so ernst ist es aber allen auf Idjwi Island. Hier wird WITCHCRAFT noch groß geschrieben und jeder weiß anscheinend um Ruzuba’s Macht und glaubt man dem was man so hört, hat er eine sehr hohe Erfolgsquote. Don’t mess with Ruzuba!

 

Im Laufe der Zeremonie schien die Schlange dann nicht mehr geneigt im Nirgendwo zu schlängeln, sondern lieber in Angriffsmodus zu gehen. Der Assistent mit dem Plastiksack versuchte sein Bestes, aber es half nix. Sämtliche meiner Begleiter sprangen von ihren Stühlen auf und verschanzten sich mehrere Meter dahinter. Füße einziehen und Kamera draufhalten hat aber auch funktioniert – zumindest bei mir.

 

Abschließend wurden wir noch in sein kleines Hexenhäuschen geführt, wo er eine Art Pressekonferenz gab – kein Witz. Man konnte Fragen stellen, da ließ ich mich nicht lumpen. Ob er denn heute schon jemanden getötet hat, war meine erste Frage. Nein, heute habe er bislang nur Krankheiten geheilt. Ok dachte ich, es war ja auch erst kurz nach Mittag, wer weiß was der Tag noch so bringt. Frage 2: wenn meinerseits Bedarf an seinen Fähigkeiten besteht, müsse ich da anwesend sein oder kann man das auch irgendwie fernmündlich oder durch jemand anders an ihn herantragen? (Ich frag nur für einen Freund) Die Antwort: Das ist kein Problem, solange der fällige Betrag gezahlt wird geht das weltweit. Tja, Ruzuba ist eben auch Geschäftsmann.

 

Es ist nur eine Frage der Zeit, bis er seine Dienste auch online anbietet. Momentan scheint das für ihn aber kein Thema zu sein, da sogar Menschen aus dem benachbarten Burundi den weiten Weg auf sich nehmen, um ihn zu besuchen. Mundpropaganda ist da ein riesen Ding. Gut für Ruzuba, der uns auf dem Weg zurück ins Dorf noch begleitet hat und nach einem Zauberspruch, für einen sicheren Verlauf unserer Reise, wieder in der Bar verschwand. Cheers, mate!

 

Idjwi Island selbst hat nicht so viel Sehenswertes zu bieten, umso interessanter sind aber die Geschichten der Bewohner und sie selbst. Dazu kann ich eine Menge erzählen, was aber den Rahmen hier und jetzt eher sprengen würde.

Bukavu

to be continued…
Bukavu Cathedral

Our Lady of Peace Cathedral

Bukavu - Panzi hospital

Nobelpreis für Denis Mukwege

Fazit

Dieser Trip war mit Abstand der härteste und anstrengendste, den ich bis dahin gemacht habe. Zugleich war er aber auch der interessanteste und erlebnisreichste. Wer Lust auf extreme Abenteuer hat und sich mit einem absoluten Minimum an Komfort begnügen kann, dem würde ich einen solchen Trip wärmstens empfehlen. Es muss nicht gleich ein ganzer Monat sein, aber da man nie weiß was der nächste Tag bringt, ist es besser zeitlich etwas flexibel zu sein. Die größte Herausforderung besteht tatsächlich darin: Wie komme ich von A nach B.

 

Ein Monat klingt erstmal lang, aber all das was ich währenddessen gesehen und erlebt habe, ist nur ein Bruchteil von dem, was es noch zu entdecken gibt. Allein die versteckten Überbleibsel der Kolonialzeit mitten im Jungle entlang des Lualaba River schreien förmlich nach einem weiteren Besuch.

 

edem sollte aber auch klar sein, dass Sicherheitshinweise sehr ernst zu nehmen sind. Auch wenn ich es ohne echten schwerwiegenden Zwischenfall geschafft habe, heißt es nicht automatisch, dass es kein Problem mit der Sicherheit gibt. Ist man der Sprache nicht mächtig und als Europäer zu erkennen, sollte man eine solche Reise nicht alleine antreten. Selbst in Begleitung eines Einheimischen kann es, je nach Region in der man sich aufhält, zu Schwierigkeiten kommen.

 

Die Infrastruktur ist wirklich eine Katastrophe und macht das Reisen “sehr spannend”. Falls man in eine Notsituation geraten sollte oder krank wird, hat man insbesondere in sehr abgelegenen Gebieten keine Chance auf ausreichende Versorgung. Mit etwas Glück kann man die Hilfe von NGOs in Anspruch nehmen, aber selbst die sind meist nur in etwas größeren Städten anzutreffen.

 

Abschließend kann ich nur sagen, dass dies sicher nicht mein letzter Besuch im Kongo gewesen sein wird. Insbesondere Ituri, Upper und Lower Uele im Norden und Nordosten interessieren mich doch sehr.

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