Mogadishu, Somalia 2017

One of the most dangerous places on earth
Ein Kurztrip in die somalische Hauptstadt.

2017

Nov

Rating
45
Fotografie
5
Entdeckergeist
15
Schwierigkeitsgrad
100
Militärpräsenz
Location

Do you got any other trousers with you?

Zunächst mal die Frage, welche ich mir vor Beginn der Planung meiner Reise gestellt habe: Wie geht man mit einer Stadt um, die man unbedingt bereisen möchte, von der aber sämtliche offizielle Quellen sagen:

 

“If you do not have an absolutely essential reason to go to Mogadishu, DO NOT DO IT!”?
Ganz einfach, man tut es trotzdem.

 

ABER: Ich muss dazu sagen, das ein Großteil der Sicherheitswarnungen – egal ob offizielle Reisewarnungen vom Auswärtigen Amt, oder auch von Privatpersonen, die schon einmal dort waren – durchaus ihre Berechtigung haben.

 

Das wurde mir spätestens klar, als mein Fixer auf dem Rücksitz des Wagens nervös hin und her rückte, während wir uns unterhielten. Er fragte mich etwas verlegen, ob ich mal beim Militär war. Ich bejahte seine Frage und wollte wissen wieso er das fragt. “Well Sir, I ask because of your trousers and boots.” – Kurze Tarnhose und Haix Boots – mein Standardoutfit für diese Art von Trips. Ich sagte ihm, dass dieses Outfit nichts mit Militär im herkömmlichen Sinne zu tun hat, sondern nur eine Art Outdoor-Sommer-Look ist. Als ich den Unterschied zwischen dem, zugegebener Maßen etwas militanterem BDU/Camouflage Look, wie ich ihn trug und dem aktuellen “DIY Kleiderspende-Look” der Bundeswehr erklären wollte, hakte er kurz ein: “I really like it, but do you got any other trousers with you?” Verunsichert fragte ich nach dem Grund. Die Antwort kam prompt:

 

Punkt 1: Sieht mich das hiesige Militär, werden sie misstrauisch, weil sich die Tarnfarbe der somalischen Sicherheitskräfte von der meinen unterscheidet und ausländisches Militär grundsätzlich nicht so gern gesehen ist.


Punkt 2: Die normale Bevölkerung, hat grundsätzlich ein Verhältnis zum Militär, was man gemein hin als “nich so dolle” bezeichnen könnte.

 

Von da an, blieb meine Tarnhose im Rucksack.

Die Planung

Geplanter Zeitraum meiner Reise nach Somalia war ein Anlass, der für mich persönlich eigentlich keine besondere Rolle gespielt hat: mein 40. Geburtstag.

Das klingt zunächst vielleicht etwas seltsam, aber ich bin nicht der Typ, der zu runden Geburtstagen oder ähnlichen Festivitäten eine große Party schmeißt, um am nächsten Tag völlig verkatert festzustellen: “ich bin zu alt für diesen Scheiß.”

Und eben genau diese Überlegung hat mich dazu bewegt, meinen Geburtstag in Mogadishu zu verbringen.

Mir war bewusst, dass ein solcher Trip eine längere Zeit an Organisation benötigt. Deshalb begann ich bereits im Februar 2017 mit meiner Recherche – 9 Monate vor geplanter Abreise.

 

Erstaunlicherweise wurde ich relativ schnell fündig, was eine organisierte Reise nach Mogadishu angeht – Genauso schnell wurde ich aber auch enttäuscht, zumindest dahingehend, was meine persönlichen Wünsche angeht.

 

Agenturen bieten z.B. 2-Tages Trips an, bei denen alles von ihnen organisiert wird und man sich um nichts weiter kümmern muss. Das klingt zunächst verlockend, aber nachdem wir ein paar mails gewechselt haben, stellte sich relativ schnell heraus, dass ich mich weiter umsehen muss. Grund hierfür: selbst wenn man als Einzelperson reisen möchte, gibt es null Flexibilität, was Anpassungen der festgelegten Orte angeht, die man sehen wird.

 

Das heißt, man sieht den alten Leuchtturm, Monument of the unknown soldier, Lido beach und evtl. einen Markt, der sicher genug ist – das war‘s dann auch.
Dieses Vorgehen erklärt sich dadurch, dass sich diese Anbieter als westliche – und somit – ausländische Agenturen, an gewisse versicherungstechnische Vorgaben halten müssen, welche vorsehen, dass der Kunde auch unversehrt wieder zurückkehrt. Eine Art „Extremtourismus light“. Dagegen spricht absolut nichts. Für meine Zwecke war es jedoch ungeeignet.

 

Weitere Recherchen führten mich zu einer Website, die mir – und das ist, wie ich gelernt habe, kein Ausschlusskriterium – doch sehr unprofessionell erschien. (wenige und veraltete Kommentare, keine Updates seit 3 Jahren etc.)
Ich habe dennoch eine mail an den Seitenbetreiber geschrieben und siehe da…eine Woche später – ka-ching – Post!

 

Sämtliche Punkte meiner „Wishlist“ wurden mit „No problem, Sir. We can do it“ bestätigt.

Das war am 19. Februar. Von da an war ich mir sicher meinen Trip, wie von mir geplant, durchzuziehen.

 

Bis Juni haben wir über 100 mails und eine Menge whatsapp Messages ausgetauscht. In dieser Zeit hat sich ein sehr vertrautes und enges Verhältnis aufgebaut, was nicht unwichtig ist, wenn man sich auf eine solche Reise begibt.
Deshalb war ich sehr froh, eine Person gefunden zu haben, der ich – auch wenn das komisch klingt, aber so ist es nun mal – mein Leben anvertrauen konnte. Dann kam der 24. Juni.

 

Ich hatte seit 1 Woche nichts von meinem Kontakt gehört, was nicht ungewöhnlich war, zumal Mitte Mai ca. 2 Wochen Funkstille herrschte, aufgrund einer Malariaerkrankung. Nachdem ich jedoch nach 2 Wochen weder per mail, noch per whatsapp eine Antwort bekam, wurde ich etwas nervös.

Daraufhin checkte ich sein Facebook Profil und sah vergleichsweise viele neue Postings mit traurigen smileys und einer Menge Kommentaren. Alle Nachrichten in Somali verfasst, d.h. der Google Translator musste mir helfen.

 

Mir wurde relativ schnell klar, das etwas Schlimmes passiert ist. Ein paar Kommentare später hatte ich dann Gewissheit…ich musste mir abermals einen neuen Kontakt suchen. Die meisten Kommentare beinhalteten islamische Beileidsbekundungen. Einer von ihnen sagte was geschehen ist: Mein Kontakt wurde am Ende des Ramadan von Unbekannten erschossen, als er auf dem Nachhauseweg von seiner Verlobten war. (Später – als ich in Mogadishu war – erfuhr ich, das er von einem vorbeifahrenden Motorrad aus in den Rücken geschossen wurde. Von wem und wieso ist bis heute nicht bekannt.)

 

Abgesehen von der Tragödie selbst, war ich frustriert, weil ich nach meiner monatelangen Planung wieder bei Null war.

 

Zum Glück habe ich relativ schnell eine Alternative gefunden – ebenfalls eine lokal ansässige Agentur. Auch hier wieder gleicher Eindruck wie zuvor: Sowohl was Inhalt als auch Design angeht, sitzt man da ganz weit hinten im Bus. Als jemand, der aus dem Designbereich kommt, legt man da naturgemäß mehr Wert drauf, als jemand anders. Mittlerweile habe ich gelernt, dass das absolut kein Kriterium sein sollte, wenn man sich nach einem Touroperator in Gebieten umschaut, die – sagen wir mal – weitaus mehr Probleme haben, als responsive Design und social Media Kompetenz. (dazu später ein wenig mehr…)

 

Innerhalb weniger Tage war mein Trip in Sack und Tüten. Das einzige Problem, das ich hatte, war die Flugverbindung – allerdings nur aufgrund meines vorherigen Reiseziels und dem fixen Datum – meinem Geburtstag. An sich ist es nicht sonderlich kompliziert nach Mogadishu zu kommen – zumindest auf dem Luftweg.

 

Alternativen gibt es aber auch – zu Land und Wasser. Ich persönlich bin der Meinung, das eine Einreise über den Landweg nicht zu empfehlen ist, aufgrund erhöhter Entführungs- und Anschlagsgefahr.

 

Der Seeweg ist durchaus möglich – wenn auch ähnlich gefährlich, beispielsweise von Mombasa aus mit einem kleinen Handelsschiff. Im Prinzip ist das eine Art Schiffskutter, mit dem man bis zu 4 Tagen unterwegs ist. Kosten belaufen sich auf ca 100,- $ +/- (das muss man mit dem Kapitän direkt vor Ort am alten Hafen von Mombasa verhandeln) Wer also nicht nur abenteuerlustig, sondern auch seetauglich ist, kann das gerne in Erwägung ziehen. Da ich selbst auf der Fähre von Hamburg nach Helgoland das halbe Unterdeck vollgekotzt habe, kam diese Option für mich leider nicht in Frage.

 

Aufgrund meines Trips, den ich vorher organisiert habe, war ich relativ unflexibel, was meine Anreise angeht und wurde vor Herausforderungen gestellt, die teilweise komplizierter waren, als die Teilnahme an einer christlichen Sonntagsmesse in Mogadishu.

 

Zum Zeitpunkt meiner Reise konnte man über Nairobi, Djibouti, Hargeisa, Dubai oder Istanbul Flüge mit diesen Airlines buchen:

 

Jubba Airways | African Express Airways | Dalloo Airlines | Fly SAX | Turkish Airlines

 

Dazu muss ich sagen, dass alle Airlines, außer TA, “geblacklisted” sind. Das bedeutet: Über herkömliche Flugbuchungswebsites wird man diese Airlines nicht finden und somit automatisch zu TA geleitet. (Hin- und Rückflug Berlin -> Mogadishu via Istanbul und Djibouti ca. 1100,- EUR)

 

Das ist doch relativ teuer, wenn man bedenkt, dass die Kosten für Mogadishu pro Tag zwischen 600,- und 800,- Dollar betragen. Aus diesem Grund würde ich empfehlen, eine Reise nach Mogadishu mit einem anderen Trip zu kombinieren, idealerweise in eines der Länder, welche Direktflüge anbietet, bzw. eines der Nachbarländer – und genau diesen Weg habe ich gewählt.

 

Bevor ich also meine Reise nach Somalia antrat, habe ich 8 Tage im Omo Valley (Äthiopien) verbracht. Bei dieser Art von Planung muss man jedoch bedenken, das oben erwähnte Airlines nicht täglich fliegen, d.h. wenn man z.B. an einem Donnerstag von Nairobi nach Mogadishu fliegen will, ist das nur mit African Express Airways möglich. (Addis Abeba -> Nairobi wird natürlich täglich bedient)

 

Da ich aber bereits einen Tag vor meinem Geburtstag in Mogadishu ankommen wollte, hatte ich keine Wahl und musste diese Option wählen. Eigentlich kein Problem, dachte ich mir als ich sah, das AEA Flüge anbietet und man auch online buchen kann. Allerdings habe ich den Buchungsvorgang vorab nicht getestet – das war ein großer Fehler. Es hat sich nämlich rausgestellt, dass AEA keine Kreditkartenzahlung akzeptiert. Das ist, selbst für eine “exotische” Airline recht ungewöhnlich, zumal beispielsweise “Jubba Airways” und auch “Dalloo Airways” Kreditkarten akzeptieren. AEA jedoch bietet nur das für Afrika typische “mobile payment” an. Unzählige Versuche einer Kontaktaufnahme mit der Airline scheiterten.

 

Irgendwann habe ich einen Verantwortlichen in Nairobi erreicht und habe ihm telefonisch das Problem geschildert. Sagen wir mal so: er hat sich bemüht, konnte aber auch nichts machen. Daraufhin habe ich die Airline bei Facebook kontaktiert und bekam, zu meinem Erstaunen, innerhalb von wenigen Stunden die Antwort, man würde sich darum kümmern. Zwei Tage später hatte ich eine Reservierungsbestätigung in meinem E-Mailpostfach, mit dem Hinweis mein Ticket direkt am Schalter in Nairobi abholen zu können. Perfekt!

Unterwegs

Ich kam um 1:20 Uhr nachts in Nairobi an und habe versucht, die Zeit bis 8:30 morgens mit etwas Schlaf zu überbrücken – das gelang mir nur bedingt. Nachdem ich morgens am African Express Airways Schalter mein Ticket abgeholt habe, konnte es endlich losgehen. Zu meiner Überraschung war die Maschine fast ausgebucht. Was weniger überraschend war: Ich war der einzige Weiße unter den Passagieren.

 

Der Flug dauert nur 1h 30 min und ist, abgesehen von meiner Vorfreude endlich anzukommen, nicht sonderlich spannend. Was jedoch sofort auffällt, wenn man im somalischen Luftraum ist und nach unten schaut, sind die leeren Felder und nicht bepflanzten Areale, die aufgrund der anhaltenden Dürre einfach brach liegen und die Menschen dazu gezwungen haben, diese Gegend zu verlassen.

 

Der Großteil derer, die alles aufgeben mussten, bzw. alles verloren haben, was sie besessen haben, leben jetzt in IDP Camps in Mogadishu, bzw. etwas außerhalb. Von diesen Camps gibt es hunderte in Mogadishu und es leben mehrere tausend Menschen dort. Ohne externe Hilfe von Organisationen, wie z.B. UNICEF, würden diese Menschen nicht überleben können. Ich hatte während meines Aufenthalts sogar die Möglichkeit eines dieser Camps zu besuchen. Lange durfte ich mich jedoch nicht in dem Camp aufhalten, weil diese Camps teilweise als Brutstätte für Terrorismus gelten und genau dort Organisationen, wie Al Shabab neue Mitglieder anwerben.

Vor Ort

Man denkt ja immer “So schlimm wirds schon nicht sein. Leute übertreiben auch gerne mal.” Das mag stimmen, aber als ich das Flughafengebäude verlassen habe und Richtung Parkplatz gelaufen bin, wurde mir schlagartig bewusst: Das ist kein Spaß hier.

 

Überall Stacheldraht, Wachtürme, Schlagbäume, bewaffnete und vermummte Menschen. Das Flughafengelände befindet sich in der sogenannten “Green Zone”. Ein, für die Verhältnisse vor Ort sicherer Bereich, der vorallem Hilfsorganisationen und teilweise auch den African Union Truppen als Unterkunft dient. Mein Fixer kam mir entgegen und nach einer kurzen Begrüßung gingen wir gemeinsam zum Parkplatz, wo der Pickup wartete, der mich die kommenden drei Tage von A nach B und eventuell C bringen sollte. Mit Kamera und GoPro im Anschlag hab ich es mir auf dem Beifahrersitz bequem gemacht.

 

Alles in allem soweit eine sehr gemütliche Angelegenheit, was den Fahrkomfort betrifft. Rundum mit Spiegelfolie versehen und die Frontscheibe tatsächlich bis zur Hälfte abgeklebt damit man auch von vorne nicht sehen kann, wer drin sitzt – das kann in manchen Situationen sehr entscheidend sein.

 

Da das gesamte Flughafenareal militärischer Sicherheitsbereich ist, wurde ich angewiesen, meine Kameras nicht offen zu zeigen, da sie ansonsten konfisziert oder zerstört werden. Und das ist kein Witz. Da wird nicht gefragt “wieso filmen sie denn hier?” oder “filmen und fotografieren ist nicht erlaubt, bitte packen sie die Kamera weg.” Man bekommt sein Equipment einfach aus der Hand gerissen und wenn man dann nicht gewillt ist, einen gewissen Betrag zu zahlen, bleibt das Zeug in somalischem Besitz – Diskutieren ist da keine Option. Eine halbe Stunde nachdem man zum ersten Mal somalischen Boden betreten hat, will man ja auch nichts riskieren.

 

Mein Hotel (Sahafi Hotel) war nur wenige Kilometer vom Airport entfernt und nach ca. 20 min. und 4 Checkpoints später waren wir da. Die Unterkunft war erstaunlich gut besucht. Auf meine Nachfrage wer denn hier so alles eincheckt, wurden mir im Laufe der kommenden zwei Tage sogar ein Teil der Gäste persönlich vorgestellt – der somalische Minister für Tourismus und Information, der Chef vom Airport und natürlich der Hotelmanager. Diese Menschen sind nicht in dem Hotel weil sie Urlaub machen. Sie leben dort. Manche sind dort schon seit über 5 Jahren, weil das Hotel einfach ein sicherer Ort ist und die Leute selbst ein potenzielles Ziel für Entführungen oder sonstige Angriffe sind.

 

Ich selbst war immer noch ein wenig angeschlagen von meiner äthiopischen Grillsession zwei Tage zuvor bei den Hamar und mir war wirklich nicht nach Essen zu Mute. Der Höflichkeit halber begab ich mich dennoch zu Tisch und nach zwei, drei Bissen von der Beilage, musste ich mich leider verabschieden und sagte, dass ich nach ca. 1 Stunde, nachdem ich mich geduscht habe, wieder wie neu wäre und wir uns dann wieder treffen würden. Gesagt, getan – in meinem Zimmer angekommen hab ich mich erstmal meiner Klamotten entledigt und mich unter die Dusche begeben.

 

Mir war noch immer speiübel. Das Bad war für meinen Zustand wie geschaffen – kein Schnick Schnack, kein Duschvorhang, die Toilette direkt vor der Dusche. Diese Konstellation eröffnete mir die Möglichkeit, mich während des Duschens direkt übergeben zu können. Nachdem ich nun also kurzzeitig den weißen, somalischen Porzelangott angebetet habe und mir die Essensreste vom Körper geduscht habe, fühlte ich mich fast wie neu geboren.

Mogadishu Airport Exit

Herzlich willkommen!

Mogadishu

On the road

Armed escort

Nur so darf man sich in der Stadt bewegen

Old Lighthouse

Safety first

Hotel Room

Komfortabel und angemessen

First Floor Guard

Schichtwechsel ahead

Wir trafen uns im Innenhof des Hotels und nachdem die Security-Mannschaft zusammengetrommelt war gings auch schon los. Erstes Ziel: der alte Leuchtturm von Mogadishu – eigentlich DAS Wahrzeichen der Stadt. Danach gings zum Fishmarket, zum Lido Beach und wir fuhren mit einem kleinen Boot auf dem indischen Ozean. Der erste “Außeneinsatz” war ziemlich abenteuerlich für mich. Ich hatte ja keine Ahnung wie das so abläuft. Mir war schnell klar, das man nicht von A nach B fährt, aussteigt, Fotos macht, im Idealfall mit jemandem redet und dann wieder weiterfährt.

 

Der Ablauf ist immer folgender: Man kommt an, die Securitycrew springt vom Pick-Up und sichert die Gegend, während ich im Auto sitzen bleibe und auf ein “Go” warte. Der Chef der Sicherheitsleute kommt dann zur Beifahrertür und gibt mir Zeichen, das ich jetzt aussteigen könne.

 

Diese ganze Aktion dauert zwar nicht lange, erregt aber sofort das Interesse aller Anwesenden im Umkreis von 100 m und verursachte akute Schnappatmung bei der Sicherheitscrew. Relativ schnell versammeln sich einige Neugierige um uns herum und die Securities versuchen mich abzuschirmen. Einer vorneweg, einer hinter mir. Einer sichert die Umgebung und ein weiterer bleibt mit dem Fahrer beim Wagen, damit in unserer Abwesenheit kein Sprengsatz angebracht werden kann.

 

Ich finde es sehr schade, das man diese Art der Sicherheitsvorkehrungen machen muss, zumal ich denke, das die meisten derjenigen, die sich da um uns herum versammelt haben, nichts Böses im Schilde führen, sondern einfach nur Interesse zeigen und vielleicht auch mal den Kontakt suchen, weil es für diese Menschen nach wie vor sehr ungewöhnlich ist, jemanden zu sehen, der nicht einer der ihren ist.
Dieser Gedanke beschäftigte mich den Rest des Tages, weil sich der Vorgang an jedem Ort, den ich besuchte wiederholt hat. Manche Orte waren gefährlicher, manche weniger gefährlich, aber grundsätzlich wird man einfach abgeschottet. Ich selbst kann die Sicherheitslage natürlich schwer einschätzen, deshalb musste ich den Securities da vertrauen. Am Abend im Hotel, habe ich meinen Fixer dennoch die Frage gestellt, die mich den ganzen Tag umgetrieben hat.

 

Ich: Was würde passieren, wenn ich jetzt einfach rausgehe und alleine auf der Straße rumlaufe?
Fixer: (ungläubiger Blick tief in meine Augen) Are you serious?
Ich: Klar, nur mal angenommen… was soll schon passieren?
Fixer: (richtet sich auf und lehnt sich auf den Tisch…ernster Tonfall) Ok my friend, listen. There are only two things that could happen to you…
Ich: (lehnte mich ebenfalls auf den Tisch, um vielleicht doch die Möglichkeit eines Soloausflugs wahrnehmen zu können)
Fixer: Possibility No.1: you’ll be kidnapped for ransom right away. Possibility No.2: You will be shot after you walked for max. 500 m.

 

Ich sag mal so, ich hatte schon nettere Tischgespräche. Wir diskutierten das noch ein wenig und er stimmte mir zu, das nicht alle Menschen hier diese Gedanken hegen und viele Leute tatsächlich Interesse daran haben, Ausländer kennen zu lernen etc. Allerdings ist die wirtschaftliche Lage so schlecht und eine Menge Leute haben Verbindungen zu Al-Shabab, so dass eine Entführung sehr lukrativ erscheint. Das erschien mir auch schlüssig und ich habe meine Idee zu einem Soloausflug dann einfach verworfen. Dazu muss ich sagen, nach Anbruch der Dunkelheit werden selbst in Mogadishu die Bürgersteige hochgeklappt. Nach 22:00 Uhr passiert da augenscheinlich wirklich gar nix. Deshalb dachte ich, das wenigstens nachts mal ne kleine Erkundungstour drin wäre, aber nix – Flöte piepen. Vielleicht und hoffentlich ein ander Mal.

 

Mein Fixer begleitete mich noch zu meinem Hotelzimmer und verabschiedete sich mit den Worten: “Good night my friend, see you tomorrow morning. If you hear anything strange in the night, like gunshots or bomb noise, please stay in your room and don’t open the door. Turn the lights off! Even when someone knocks the door, just hide in your room and keep calm. We will come as soon as possible.”
Nun, das war ne Ansage, die man eigentlich nicht hören möchte, bevor man schlafen gehen will, aber die Gefahr ist real und in letzter Zeit ist es immer wieder vorgekommen, das radikale Islamisten gezielt Hotels als Angriffsziel gewählt haben, von denen bekannt war, das hauptsächlich westliche Besucher, Journalisten oder Regierungsangehörige dort zu gegen sind.

Mit diesen Gedanken hab ich mich ins Bett gelegt und mich der erstaunlich vielfältigen Programmauswahl im Fernsehen gewidmet. Trotz der ca. 100 Sender war irgendwie nicht wirklich was für mich dabei. Also entschloss ich mich ein wenig zu lesen. Ich hatte mir kurz vor Reiseantritt das Buch “I Was Told to Come Alone” von Souad Mekhennet gekauft, was aufgrund der Thematik nicht wirklich beim Einschlafen half. Irgendwann gegen 4:00 Uhr morgens war mir klar, dass die Tiefschlafphase heute wohl ausbleiben wird. Also verbrachte ich die kommenden 2 bis 3 Stunden in einer Art Dämmerzustand – der ein oder andere mag es vielleicht chillen nennen. Trotz des abgedunkelten Raums merkte ich wie sich das Tageslicht seinen Weg in mein Zimmer bahnte. Erstaunlicherweise hab ich nicht einen einzigen Vogel zwitschern hören am Morgen. Ich bin ornithologisch nicht so gut bewandert, aber normal erschien mir das nicht.

 

Auch ohne musikalische Untermalung der hiesigen Piepmatzen startete ich trotz Schlafmangels doch recht gut in den Tag – kurz abgekärchert in der Nasszelle und es ging geradewegs Richtung Hotelrestaurant. Vorbei am first floor Guard, der hoffentlich auch bald Schichtwechsel hat, so wie er mich angeschaut hat.
Um auf Nummer sicher zu gehen und keine Überraschungen zu erleben, was die Verträglichkeit der lokalen Nahrung angeht, habe ich mich für den Klassiker Rührei mit Zwiebeln und Tomate entschieden. Zugegebenermaßen nicht sehr volkstümlich, aber sicher ist sicher.

 

Tag 2 konnte also beginnen. Als erstes gabs eine extended City Tour. Es klingt vielleicht komisch, aber eine Fahrt durch Mogadishu ist zu keinem Zeitpunkt langweilig – wirklich jeder Zentimeter ist interessant. Besonders spannend waren vorallem die Bereiche der Stadt, die normalerweise nur von Einheimischen betreten werden – kleine unbefestigte Wege, die durch Siedlungen führen, welche ausschließlich aus Blechhütten bestehen und man nie wusste, was hinter der nächsten Abbiegung passieren würde. Jugendliche die selbst unter widrigsten Bedingungen einen Platz zum Fußballspielen gefunden haben. Geschichtsträchtige Orte, wie den Bakaara Market und die Stellen, an denen die Black Hawks abgeschossen wurden.

 

Einziges Manko, welches sich über meinen kompletten Besuch hingezogen hat: An “Hotspots” anhalten und z.B. “shoppen gehen” im Bakaara Market stand absolut außer Frage. Nicht etwa aus dem Grund, das es allgemeinhin nicht sicher wäre – vielmehr bestand das Risiko einfach darin, das meine Hautfarbe zu “nicht absehbaren Problemen” geführt hätte, wie es einer meiner Securityleute ausgedrückt hat. Natürlich ist sowas ärgerlich, aber glaubt mir: Wenn 5 Leute mit AK-47 auf deinem Pick-Up, inkl. deinem Fixer sagen, es ist keine gute Idee, hier auszusteigen, dann hält man sich mit eventuellen Rückfragen über das “wieso, weshalb, warum” einfach mal zurück.

 

Man muss wissen, das ich meine Präferenzen vorab deutlich kommuniziert habe, gegenüber meinem Fixer. Und ich bin wirklich dankbar, das ein großer Teil davon tatsächlich möglich war. Man kann sich relativ gut vorstellen, was es heißt wenn man zwar die Möglichkeit bekommt ein IDP Camp zu besuchen, in dem Al Shabaab neue Mitglieder rekrutiert und man selbst deshalb nur 10 min. bleiben darf, bevor es die Runde macht.

 

Man kann sich auch ganz gut vorstellen, dass man das Dach eines besetzten Gebäudes der alten Universität besuchen darf – nachdem meine Begleiter ca. 15 min. mit den Leuten vor Ort verhandelt haben, ich währenddessen alleine im Pickup Truck saß und ein paar Scheine den Besitzer gewechselt haben.

 

Was in diesem Zusammenhang – und für mich in diesem Moment – etwas schwerer vorzustellen war: Das es quasi nicht möglich ist, mal für ein paar Minuten den Bakaara Market zu erkunden. Klar, wir sind mit dem Pickup durch den Markt gefahren, aber aussteigen war tatsächlich zu gefährlich. Genau diese Situation hat viele Fragen bei mir aufgeworfen, die ich hoffentlich bei meinem nächsten Besuch klären kann.

 

Die Menschen vor Ort sind sehr geprägt vom jahrelangen Bürgerkrieg, ausländischem Militär und nicht zuletzt der schlechten wirtschaftlichen Situation vor Ort. Da wird kein Unterschied gemacht zwischen “Der will nur spielen” und “Der hat hier nichts zu suchen”. Da ist eine Kalkleiste wie ich eine Top Einnahmequelle. Das kann man ihnen nicht verübeln, wenn man ehrlich ist. Man muss aber auch sagen, dass nicht jeder so denkt. ABER: Ist nur einer dabei der so denkt, ist der Trip ganz schnell vorbei, bzw. dauert deutlich länger als einem lieb ist.

Fazit

Für mich persönlich eines der prägendsten Erlebnisse und eine der interessantesten Gegenden, die ich bisher besuchen durfte. Somalia – insbesondere Mogadishu – erlebt eine rasante Entwicklung in den letzten Jahren. Es wird viel investiert, neue Gebäude entstehen und außenpolitisch werden viele Hebel in Bewegung gesetzt, um die Entwicklung voranzutreiben. Die Türkei spielt dabei eine ganz besondere Rolle. Das Land unterstützt die Somalis seit Jahren großzügig mit dem Bau neuer Krankenhäuser und z.B. dem Bau des neuen Flughafenterminals. Ehrlicherweise muss man sagen, dass all das ausschließlich Mogadishu selbst betrifft. Insbesondere der Süden des Landes (Lower Shabelle, Middle und Lower Juba) ist nach wie vor eine Hochburg der Extremisten. Nur ein kleiner Teil der Bevölkerung kann vom Aufschwung profitieren. Es gibt immer wieder Anschläge in der Hauptstadt, obwohl die ganze Region von Checkpoints durchsäht ist. Wer auch nur ein Mal Mogadishu besucht hat weiß, dass es offiziell quasi nicht möglich ist, unbemerkt ins Stadtgebiet zu gelangen und so eventuell IEDs oder sonstige Dinge von außerhalb ins Stadtzentrum zu bringen. Es gibt unzählige Kontrollen wo Ausweise, Aufenthaltsgenehmigungen, Nummernschilder und sonst was geprüft werden. Dennoch gelingt es den Extremisten immer wieder ins Stadtgebiet vorzudringen. Wieso das so ist sollte jedem klar sein. Die Menschen, die an Checkpoints arbeiten sind wirklich nicht zu beneiden. Und genau aus diesem Grund ist es wichtig, immer auf der Hut zu sein. Selbst wenn man in einem vermeindlich sicherem Hotel untergebracht ist oder Begleitschutz hat. Nichts desto trotz würde ich persönlich jederzeit wieder nach Mogadishu reisen, weil es einfach so anders als alles andere ist und soviel mehr zu bieten hat als das, was man nur in den Nachrichten hört und sieht.
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