Mogadishu, Somalia 2017
2017
Nov
Do you got any other trousers with you?
Zunächst mal die Frage, welche ich mir vor Beginn der Planung meiner Reise gestellt habe: Wie geht man mit einer Stadt um, die man unbedingt bereisen möchte, von der aber sämtliche offizielle Quellen sagen:
“If you do not have an absolutely essential reason to go to Mogadishu, DO NOT DO IT!”?
Ganz einfach, man tut es trotzdem.
ABER: Ich muss dazu sagen, das ein Großteil der Sicherheitswarnungen – egal ob offizielle Reisewarnungen vom Auswärtigen Amt, oder auch von Privatpersonen, die schon einmal dort waren – durchaus ihre Berechtigung haben.
Das wurde mir spätestens klar, als mein Fixer auf dem Rücksitz des Wagens nervös hin und her rückte, während wir uns unterhielten. Er fragte mich etwas verlegen, ob ich mal beim Militär war. Ich bejahte seine Frage und wollte wissen wieso er das fragt. “Well Sir, I ask because of your trousers and boots.” – Kurze Tarnhose und Haix Boots – mein Standardoutfit für diese Art von Trips. Ich sagte ihm, dass dieses Outfit nichts mit Militär im herkömmlichen Sinne zu tun hat, sondern nur eine Art Outdoor-Sommer-Look ist. Als ich den Unterschied zwischen dem, zugegebener Maßen etwas militanterem BDU/Camouflage Look, wie ich ihn trug und dem aktuellen “DIY Kleiderspende-Look” der Bundeswehr erklären wollte, hakte er kurz ein: “I really like it, but do you got any other trousers with you?” Verunsichert fragte ich nach dem Grund. Die Antwort kam prompt:
Punkt 1: Sieht mich das hiesige Militär, werden sie misstrauisch, weil sich die Tarnfarbe der somalischen Sicherheitskräfte von der meinen unterscheidet und ausländisches Militär grundsätzlich nicht so gern gesehen ist.
Punkt 2: Die normale Bevölkerung, hat grundsätzlich ein Verhältnis zum Militär, was man gemein hin als “nich so dolle” bezeichnen könnte.
Von da an, blieb meine Tarnhose im Rucksack.
Die Planung
Geplanter Zeitraum meiner Reise nach Somalia war ein Anlass, der für mich persönlich eigentlich keine besondere Rolle gespielt hat: mein 40. Geburtstag.
Das klingt zunächst vielleicht etwas seltsam, aber ich bin nicht der Typ, der zu runden Geburtstagen oder ähnlichen Festivitäten eine große Party schmeißt, um am nächsten Tag völlig verkatert festzustellen: “ich bin zu alt für diesen Scheiß.”
Und eben genau diese Überlegung hat mich dazu bewegt, meinen Geburtstag in Mogadishu zu verbringen.
Mir war bewusst, dass ein solcher Trip eine längere Zeit an Organisation benötigt. Deshalb begann ich bereits im Februar 2017 mit meiner Recherche – 9 Monate vor geplanter Abreise.
Erstaunlicherweise wurde ich relativ schnell fündig, was eine organisierte Reise nach Mogadishu angeht – Genauso schnell wurde ich aber auch enttäuscht, zumindest dahingehend, was meine persönlichen Wünsche angeht.
Agenturen bieten z.B. 2-Tages Trips an, bei denen alles von ihnen organisiert wird und man sich um nichts weiter kümmern muss. Das klingt zunächst verlockend, aber nachdem wir ein paar mails gewechselt haben, stellte sich relativ schnell heraus, dass ich mich weiter umsehen muss. Grund hierfür: selbst wenn man als Einzelperson reisen möchte, gibt es null Flexibilität, was Anpassungen der festgelegten Orte angeht, die man sehen wird.
Das heißt, man sieht den alten Leuchtturm, Monument of the unknown soldier, Lido beach und evtl. einen Markt, der sicher genug ist – das war‘s dann auch.
Dieses Vorgehen erklärt sich dadurch, dass sich diese Anbieter als westliche – und somit – ausländische Agenturen, an gewisse versicherungstechnische Vorgaben halten müssen, welche vorsehen, dass der Kunde auch unversehrt wieder zurückkehrt. Eine Art „Extremtourismus light“. Dagegen spricht absolut nichts. Für meine Zwecke war es jedoch ungeeignet.
Weitere Recherchen führten mich zu einer Website, die mir – und das ist, wie ich gelernt habe, kein Ausschlusskriterium – doch sehr unprofessionell erschien. (wenige und veraltete Kommentare, keine Updates seit 3 Jahren etc.)
Ich habe dennoch eine mail an den Seitenbetreiber geschrieben und siehe da…eine Woche später – ka-ching – Post!
Sämtliche Punkte meiner „Wishlist“ wurden mit „No problem, Sir. We can do it“ bestätigt.
Das war am 19. Februar. Von da an war ich mir sicher meinen Trip, wie von mir geplant, durchzuziehen.
Bis Juni haben wir über 100 mails und eine Menge whatsapp Messages ausgetauscht. In dieser Zeit hat sich ein sehr vertrautes und enges Verhältnis aufgebaut, was nicht unwichtig ist, wenn man sich auf eine solche Reise begibt.
Deshalb war ich sehr froh, eine Person gefunden zu haben, der ich – auch wenn das komisch klingt, aber so ist es nun mal – mein Leben anvertrauen konnte. Dann kam der 24. Juni.
Ich hatte seit 1 Woche nichts von meinem Kontakt gehört, was nicht ungewöhnlich war, zumal Mitte Mai ca. 2 Wochen Funkstille herrschte, aufgrund einer Malariaerkrankung. Nachdem ich jedoch nach 2 Wochen weder per mail, noch per whatsapp eine Antwort bekam, wurde ich etwas nervös.
Daraufhin checkte ich sein Facebook Profil und sah vergleichsweise viele neue Postings mit traurigen smileys und einer Menge Kommentaren. Alle Nachrichten in Somali verfasst, d.h. der Google Translator musste mir helfen.
Mir wurde relativ schnell klar, das etwas Schlimmes passiert ist. Ein paar Kommentare später hatte ich dann Gewissheit…ich musste mir abermals einen neuen Kontakt suchen. Die meisten Kommentare beinhalteten islamische Beileidsbekundungen. Einer von ihnen sagte was geschehen ist: Mein Kontakt wurde am Ende des Ramadan von Unbekannten erschossen, als er auf dem Nachhauseweg von seiner Verlobten war. (Später – als ich in Mogadishu war – erfuhr ich, das er von einem vorbeifahrenden Motorrad aus in den Rücken geschossen wurde. Von wem und wieso ist bis heute nicht bekannt.)
Abgesehen von der Tragödie selbst, war ich frustriert, weil ich nach meiner monatelangen Planung wieder bei Null war.
Zum Glück habe ich relativ schnell eine Alternative gefunden – ebenfalls eine lokal ansässige Agentur. Auch hier wieder gleicher Eindruck wie zuvor: Sowohl was Inhalt als auch Design angeht, sitzt man da ganz weit hinten im Bus. Als jemand, der aus dem Designbereich kommt, legt man da naturgemäß mehr Wert drauf, als jemand anders. Mittlerweile habe ich gelernt, dass das absolut kein Kriterium sein sollte, wenn man sich nach einem Touroperator in Gebieten umschaut, die – sagen wir mal – weitaus mehr Probleme haben, als responsive Design und social Media Kompetenz. (dazu später ein wenig mehr…)
Innerhalb weniger Tage war mein Trip in Sack und Tüten. Das einzige Problem, das ich hatte, war die Flugverbindung – allerdings nur aufgrund meines vorherigen Reiseziels und dem fixen Datum – meinem Geburtstag. An sich ist es nicht sonderlich kompliziert nach Mogadishu zu kommen – zumindest auf dem Luftweg.
Alternativen gibt es aber auch – zu Land und Wasser. Ich persönlich bin der Meinung, das eine Einreise über den Landweg nicht zu empfehlen ist, aufgrund erhöhter Entführungs- und Anschlagsgefahr.
Der Seeweg ist durchaus möglich – wenn auch ähnlich gefährlich, beispielsweise von Mombasa aus mit einem kleinen Handelsschiff. Im Prinzip ist das eine Art Schiffskutter, mit dem man bis zu 4 Tagen unterwegs ist. Kosten belaufen sich auf ca 100,- $ +/- (das muss man mit dem Kapitän direkt vor Ort am alten Hafen von Mombasa verhandeln) Wer also nicht nur abenteuerlustig, sondern auch seetauglich ist, kann das gerne in Erwägung ziehen. Da ich selbst auf der Fähre von Hamburg nach Helgoland das halbe Unterdeck vollgekotzt habe, kam diese Option für mich leider nicht in Frage.
Aufgrund meines Trips, den ich vorher organisiert habe, war ich relativ unflexibel, was meine Anreise angeht und wurde vor Herausforderungen gestellt, die teilweise komplizierter waren, als die Teilnahme an einer christlichen Sonntagsmesse in Mogadishu.
Zum Zeitpunkt meiner Reise konnte man über Nairobi, Djibouti, Hargeisa, Dubai oder Istanbul Flüge mit diesen Airlines buchen:
Jubba Airways | African Express Airways | Dalloo Airlines | Fly SAX | Turkish Airlines
Dazu muss ich sagen, dass alle Airlines, außer TA, “geblacklisted” sind. Das bedeutet: Über herkömliche Flugbuchungswebsites wird man diese Airlines nicht finden und somit automatisch zu TA geleitet. (Hin- und Rückflug Berlin -> Mogadishu via Istanbul und Djibouti ca. 1100,- EUR)
Das ist doch relativ teuer, wenn man bedenkt, dass die Kosten für Mogadishu pro Tag zwischen 600,- und 800,- Dollar betragen. Aus diesem Grund würde ich empfehlen, eine Reise nach Mogadishu mit einem anderen Trip zu kombinieren, idealerweise in eines der Länder, welche Direktflüge anbietet, bzw. eines der Nachbarländer – und genau diesen Weg habe ich gewählt.
Bevor ich also meine Reise nach Somalia antrat, habe ich 8 Tage im Omo Valley (Äthiopien) verbracht. Bei dieser Art von Planung muss man jedoch bedenken, das oben erwähnte Airlines nicht täglich fliegen, d.h. wenn man z.B. an einem Donnerstag von Nairobi nach Mogadishu fliegen will, ist das nur mit African Express Airways möglich. (Addis Abeba -> Nairobi wird natürlich täglich bedient)
Da ich aber bereits einen Tag vor meinem Geburtstag in Mogadishu ankommen wollte, hatte ich keine Wahl und musste diese Option wählen. Eigentlich kein Problem, dachte ich mir als ich sah, das AEA Flüge anbietet und man auch online buchen kann. Allerdings habe ich den Buchungsvorgang vorab nicht getestet – das war ein großer Fehler. Es hat sich nämlich rausgestellt, dass AEA keine Kreditkartenzahlung akzeptiert. Das ist, selbst für eine “exotische” Airline recht ungewöhnlich, zumal beispielsweise “Jubba Airways” und auch “Dalloo Airways” Kreditkarten akzeptieren. AEA jedoch bietet nur das für Afrika typische “mobile payment” an. Unzählige Versuche einer Kontaktaufnahme mit der Airline scheiterten.
Irgendwann habe ich einen Verantwortlichen in Nairobi erreicht und habe ihm telefonisch das Problem geschildert. Sagen wir mal so: er hat sich bemüht, konnte aber auch nichts machen. Daraufhin habe ich die Airline bei Facebook kontaktiert und bekam, zu meinem Erstaunen, innerhalb von wenigen Stunden die Antwort, man würde sich darum kümmern. Zwei Tage später hatte ich eine Reservierungsbestätigung in meinem E-Mailpostfach, mit dem Hinweis mein Ticket direkt am Schalter in Nairobi abholen zu können. Perfekt!
Unterwegs
Ich kam um 1:20 Uhr nachts in Nairobi an und habe versucht, die Zeit bis 8:30 morgens mit etwas Schlaf zu überbrücken – das gelang mir nur bedingt. Nachdem ich morgens am African Express Airways Schalter mein Ticket abgeholt habe, konnte es endlich losgehen. Zu meiner Überraschung war die Maschine fast ausgebucht. Was weniger überraschend war: Ich war der einzige Weiße unter den Passagieren.
Der Flug dauert nur 1h 30 min und ist, abgesehen von meiner Vorfreude endlich anzukommen, nicht sonderlich spannend. Was jedoch sofort auffällt, wenn man im somalischen Luftraum ist und nach unten schaut, sind die leeren Felder und nicht bepflanzten Areale, die aufgrund der anhaltenden Dürre einfach brach liegen und die Menschen dazu gezwungen haben, diese Gegend zu verlassen.
Der Großteil derer, die alles aufgeben mussten, bzw. alles verloren haben, was sie besessen haben, leben jetzt in IDP Camps in Mogadishu, bzw. etwas außerhalb. Von diesen Camps gibt es hunderte in Mogadishu und es leben mehrere tausend Menschen dort. Ohne externe Hilfe von Organisationen, wie z.B. UNICEF, würden diese Menschen nicht überleben können. Ich hatte während meines Aufenthalts sogar die Möglichkeit eines dieser Camps zu besuchen. Lange durfte ich mich jedoch nicht in dem Camp aufhalten, weil diese Camps teilweise als Brutstätte für Terrorismus gelten und genau dort Organisationen, wie Al Shabab neue Mitglieder anwerben.
Vor Ort
Man denkt ja immer “So schlimm wirds schon nicht sein. Leute übertreiben auch gerne mal.” Das mag stimmen, aber als ich das Flughafengebäude verlassen habe und Richtung Parkplatz gelaufen bin, wurde mir schlagartig bewusst: Das ist kein Spaß hier.
Überall Stacheldraht, Wachtürme, Schlagbäume, bewaffnete und vermummte Menschen. Das Flughafengelände befindet sich in der sogenannten “Green Zone”. Ein, für die Verhältnisse vor Ort sicherer Bereich, der vorallem Hilfsorganisationen und teilweise auch den African Union Truppen als Unterkunft dient. Mein Fixer kam mir entgegen und nach einer kurzen Begrüßung gingen wir gemeinsam zum Parkplatz, wo der Pickup wartete, der mich die kommenden drei Tage von A nach B und eventuell C bringen sollte. Mit Kamera und GoPro im Anschlag hab ich es mir auf dem Beifahrersitz bequem gemacht.
Alles in allem soweit eine sehr gemütliche Angelegenheit, was den Fahrkomfort betrifft. Rundum mit Spiegelfolie versehen und die Frontscheibe tatsächlich bis zur Hälfte abgeklebt damit man auch von vorne nicht sehen kann, wer drin sitzt – das kann in manchen Situationen sehr entscheidend sein.
Da das gesamte Flughafenareal militärischer Sicherheitsbereich ist, wurde ich angewiesen, meine Kameras nicht offen zu zeigen, da sie ansonsten konfisziert oder zerstört werden. Und das ist kein Witz. Da wird nicht gefragt “wieso filmen sie denn hier?” oder “filmen und fotografieren ist nicht erlaubt, bitte packen sie die Kamera weg.” Man bekommt sein Equipment einfach aus der Hand gerissen und wenn man dann nicht gewillt ist, einen gewissen Betrag zu zahlen, bleibt das Zeug in somalischem Besitz – Diskutieren ist da keine Option. Eine halbe Stunde nachdem man zum ersten Mal somalischen Boden betreten hat, will man ja auch nichts riskieren.
Mein Hotel (Sahafi Hotel) war nur wenige Kilometer vom Airport entfernt und nach ca. 20 min. und 4 Checkpoints später waren wir da. Die Unterkunft war erstaunlich gut besucht. Auf meine Nachfrage wer denn hier so alles eincheckt, wurden mir im Laufe der kommenden zwei Tage sogar ein Teil der Gäste persönlich vorgestellt – der somalische Minister für Tourismus und Information, der Chef vom Airport und natürlich der Hotelmanager. Diese Menschen sind nicht in dem Hotel weil sie Urlaub machen. Sie leben dort. Manche sind dort schon seit über