Nordkorea ohne Guides
2018
July
Einblicke in ein abgeschottetes Land
Dafür das Nordkorea eigentlich nur eine Art “Notlösung” für meine geplatzte Syrienreise gewesen ist, war es tatsächlich ein sehr interessanter Trip. Obwohl Nordkorea in den letzten Jahren für mich, ehrlicherweise etwas uninteressanter geworden ist, habe ich es nicht bereut, auch diesen Fleck der Erde besucht zu haben.
Selbst im Jahr 2018 gilt die demokratische Volksrepublik noch immer als eines der abgeschottetsten Länder weltweit, auch wenn es in jüngster Vergangenheit vermehrt zu politischen Annäherungsversuchen seitens des Westens und der Brüder und Schwestern im Süden kam.
Wie bei all meinen Reisen versuche ich möglichst unvoreingenommen Land und Leuten zu begegnen – da macht auch Nordkorea keine Ausnahme, obwohl die umfangreiche Recherche vorab, diesbezüglich wirklich ziemlich einseitig ausgefallen ist. Da muss ich schon sagen “Hut ab.” Seit Jahrzenten dringt da wirklich so gut wie gar nichts nach außen, was dem Kim-Klan nicht in den Kram passt. Dennoch sind Touristen keine Seltenheit mehr auf der koreanischen Halbinsel – deshalb habe ich mir zuvor auch unzählige Videos angeschaut von Menschen, die schon einmal dort gewesen sind, um einen Eindruck zu bekommen, was mich erwartet. Da ist wirklich alles dabei: von “WTF” bis hin zu “Hm, ganz interessant.”
Alles in allem also nichts, das mich wirklich so angefixt hat, das ich sage: “Hey, ich muss da unbedingt hin.” Zumal man ja meint, durch das, was man bereits gesehen und gelesen hat, schon alles zu kennen.
Aus diesem Grund habe ich mir gedacht: Wenn ich das durchziehe, dann weder als Gruppentour, noch als Teil einer “Fly-In / Fly-Out 5 Tage Pjöngjang, mit DMZ Extension Tour”. Genau das sind nämlich die Art von Touren, die man normalerweise macht. Dagegen spricht nichts, zumal das relativ günstig zu haben ist. Spezielle Events gibt es in DPRK das ganze Jahr über und Agenturen haben sich genau darauf spezialisiert. Egal ob 1. Mai Feiertag, Parteigründung oder Arirang Mass Games – dort ist quasi immer was los. Für mich kam das nicht in Frage, deshalb habe ich damit begonnen eine alternative Tour zu planen – wenn man denn von “alternativ” sprechen kann, was Nordkorea angeht.
Die Planung
Ich machte mich also auf die Suche nach einer Möglichkeit Nordkorea auf eine andere Art und Weise kennen zu lernen, wie man es normalerweise tut. Es war nicht verwunderlich, das diese Möglichkeiten doch sehr begrenzt waren.
Trotzdem erschien mir eine Option doch sehr spannend – eine Zugfahrt. Die meisten Besucher, die es etwas “speziell” haben wollen, fahren mit dem Zug von Peking über Dandong nach Pjöngjang. Die Tour dauert in der Regel knapp 24 Stunden und ist bestimmt auch sehr interessant. Für jemanden wie mich, der selbst bei Kurzstrecke in Berlin schon den absoluten Hass bekommt, musste was anderes her, um mich dem hiesigen Fernverkehr und seinen Bedingungen hinzugeben.
Nachdem ich mir das – doch sehr übersichtliche Streckennetz – der koreanischen Eisenbahngesellschaft angeschaut habe, kam ich auf den Gedanken: “Warum nicht von Pjöngjang bis nach Russland fahren?” Laut Streckennetz war das möglich. Und genau das war das “Spezielle”, was ich mir vorgestellt habe. Eine Idee war geboren und ich angefixt genug, mich damit auseinanderzusetzen.
Die ersten Anfragen bei unterschiedlichsten Anbietern verliefen erfolglos. Meist mit der Begründung, das diese Strecke für Touristen nicht möglich ist. Allerdings habe ich in diversen Foren auch Gegenteiliges gelesen, was mich zu weiterer Recherche antrieb.
Ich entwickelte einen neuen Schlachtplan. Ab sofort war ich ein “Eisenbahn-Nerd”, der auf alles steht, was mit Zügen zu tun hat und unbedingt in den Genuß kommen will, diese Strecke erleben zu dürfen. Vielleicht hilft meine “neue Passion” ja dabei, das eigentliche Vorhaben umzusetzen. Und siehe da: es hat funktioniert. Auch wenn ich im Nachhinein sagen muss, dass der Anbieter, den ich angefragt habe, das wohl auch Menschen gewährt, die nicht verrückt nach Eisenbahnen sind. Zumindest war das das Gefühl, das ich hatte nachdem ich die Antwort auf meine Anfrage bekam.
“Ja, grundsätzlich kein Problem. Etwas umständlich, aber nicht unmöglich.”
Von da an war ich Feuer und Flamme, weil man bei Zugreisen doch etwas mehr vom Land sehen kann als nur die Hauptstadt und touristische Ziele. Abgesehen davon ist man im Zug für ein paar Stationen im Norden des Landes völlig ohne Guides unterwegs. Um meinen neu erfundenen Eisenbahnfetisch glaubhaft zu vertreten, hatte ich keine Einwände als mir eine private Tour durchs Pjöngjang Eisenbahnmuseum vorgeschlagen wurde. Meine Grenze war allerdings erreicht, als man mir einen “private ride” mit einem Trolleybus für 100 $ angeboten hat. Soweit ging die Liebe nach öffentlichen Verkehrsmitteln dann doch nicht.
Die Zugfahrt war eigentlich das, was mich dazu gebracht hat, die Reise anzutreten. Der ganze Rest war quasi nur Beiwerk. Dennoch mussten die 9 Tage ja mit Aktivitäten gefüllt werden. Die Kommunikation mit dem Anbieter lief wirklich super. Ich konnte meine Vorschläge komplett mit einbringen und mir wurden ebenso Vorschläge gemacht für Dinge, die ich nicht auf dem Schirm hatte – Nach ein paar Tagen war meine Tour geplant.
Wer bei seiner Reiseplanung Wert auf Flexibilität legt, sollte aber nicht nach Nordkorea reisen. Das Programm ist wirklich in Stein gemeisselt. Diese Erfahrung habe ich vor Ort machen können, als wir die West Sea Barrage besuchen wollten. Für den Nachmittag als festes Ziel eingeplant kamen wir dort an. Soldaten hatten eine Straßensperre errichtet und uns den Zugang verwehrt. Trotz einer 15-minütigen Diskussion gings nicht weiter. Wenn also ein geplantes Ziel, wo man eigentlich ca. 2 bis 2,5h seiner Zeit verbringen soll, nicht angesteuert werden kann, kommen die nordkoreanischen Guides ganz schön ins Rudern. Zunächst wird das Mittagessen einfach vorverlegt. Da ich bei fast 40° aber dazu neige nicht unbedingt ein halbes Schwein essen zu müssen, war das auch innerhalb von 30 Minuten erledigt und an der Situation hat sich nichts wesentliches geändert. Freundlicherweise wurde ich sogar gefragt, wonach mir der Sinn steht…nach kurzer Überlegung schlug ich vor durch Nampo zu laufen – die nächstgelegene Stadt. Was weniger erstaunlich war: mein Vorschlag wurde ignoriert, bzw. gekonnt vergessen. Um ehrlich zu sein war es mir aber auch egal, weil Nampo zwar ein strategisch wichtiger Punkt ist, aber selbst ein offizieller Stadtspaziergang hätte mir keine bahnbrechend neuen Erkenntnisse verschafft. Stattdessen gings zurück nach Pjöngjang in eine Bar, welche – wie alle anderen Bars, die ich in der Zeit besucht habe – eine Exklusivveranstaltung für meinen beiden Guides und mich waren.
Zurück zur Planung. Das Programm war in Sack und Tüten, mein Visum beantragt und ich konnte mich um den Rest kümmern. Dieser “Rest” bestand hauptsächlich aus meinem private pick-up im russich-nordkoreanischen Grenzgebiet in Khasan und connection flights von Wladiwostok nach Tokio und Sendai für meinen anschließenden Fukushima-Trip. Auch das war verhältnismäßig schnell erledigt.
Unterwegs
Bei Langstreckenflügen nehme ich mir jedes Mal vor an Bord zu schlafen, um ausgeruht anzukommen. Dieser Plan schlägt jedes Mal fehl, weil ich immer voll und ganz dem aeronautischen Entertainmentprogramm ausgeliefert bin. Wer hat eigentlich wann entschieden, dass es auf Flugreisen ein view on demand System gibt, was einem Sky-Abo gleichkommt? Normalerweise müsste man eine Warnung einblenden: “Sie können sich innerhalb der kommenden 12 Stunden zwar einen Arsch voll Filme, Serien und Dokus reinziehen, aber bitte beachten Sie, dass sich der Medienkonsum eventuell negativ auf ihren Ankunftszustand auswirkt.”
Nun ja, 4 Filme und ein paar Dokus später landete ich in Peking um 6:15 Uhr Ortszeit. Mein Anschlussflug nach Pjöngjang ging um 12:00 Uhr. Theoretisch hatte ich also ein wenig Zeit, mich auszuruhen. Ein Großteil der Zeit ging jedoch dafür drauf von A nach B zu kommen und das Transitvisum zu organisieren. Im Prinzip ist das alles kein Problem, aber wenn man das erste Mal da ist und das ganze Prozedere nicht kennt, kann das schon ein wenig anstrengend sein. Nachdem auch dieser Schritt gemeistert war, gings Richtung Air Koryo Check-In, wo ich meinen Kontaktmann treffen sollte, der mir letzte Anweisungen gibt, bevor ich an Bord gehen sollte und nicht zuletzt musste ich ihm ja auch das Geld für den trip übergeben. Die ganze Situation war irgendwie strange: ein nahezu leerer Bereich im riesigen Beijing Airport. Ich sitze und warte…ein Mann kommt auf mich zu und fragt mich, ob ich der bin den er sucht…setzt sich neben mich überreicht mir mein Visum und ich gebe ihm ein paar tausend Euro in einem Umschlag. Danach brachte er mich zum Check-In Schalter und nachdem dreimal der Alarm bei meinem Gepäck anging und ich auch den letzten suspekten Gegenstand aus meinem Rucksack entfernt habe, war ich “ready for take-off”.
Ein Bus brachte mich und ca. 40 Genossen aus der Volksrepublik zum Air Koryo Flieger, welcher weit ab auf dem Rollfeld Position bezogen hatte. Oft wird die nordkoreanische Fluglinie als “1 Star Airline” bezeichnet. Diese Auffassung kann ich nicht unbedingt teilen. Klar wäre man froh, in eine andere Maschine als eine russische Antonov einzusteigen, aber der Service an Bord unterscheidet sich kaum von dem anderer Airlines. Gäbe es ein Rating für das Verhalten der Mitreisenden, würde ich glatte 5 Sterne vergeben. Insbesondere mein Sitznachbar war wahnsinnig zuvorkommend. Vor Ankunft müssen zwei Immigration Dokumente ausgefüllt werden und da ich keinen Stift hatte, wollte ich eine der Flugbegleiterinnen darauf aufmerksam machen, aber der Genosse erkannte sofort das er jetzt gefragt war. Ratz fatz gab er mir einen Stift aus seinem privaten Arsenal und beseitigte sogar meinen Restmüll vom üblichen Bordsnack, während ich die Formulare ausfüllte – guter Mann.
Was den alten russischen Maschinen wohl nichts ausmacht, sind elektronische Geräte, da zu keinem Zeitpunkt der übliche Hinweis kam, seine Mobiltelefone oder Laptops auszuschalten. Es mag auch daran gelegen haben, das ich der Einzige an Bord war, der davon betroffen war – wobei Nordkoreaner durchaus Handys besitzen und im lokalen Netz telefonieren können. Wie dem auch sei, an Bord wird vieles nicht so eng gesehen – ob man seinen Sitz jetzt in eine aufrechte Position gebracht hat oder nicht, spielt ebenso wenig eine Rolle wie das Anschnallen. Ich bin kein Flugexperte, aber wenn das nur einen Stern verdient, dann ist das wohl so.
Der Flug selbst dauert nicht lange – nach etwa 1,5 Stunden und diverser Propaganda, die über den alten 4:3 Fernseher an Bord lief, ist man in Pjöngjang. Ein solches on-Board Entertainment Programm wünsch ich mir für meine Langstreckenflüge – da würde ich wenigstens ausgeruht ankommen.
Angekommen am Pyongyang Sunan International Airport, der zwar sehr schick, aber nicht wirklich “international” ist, gings durch die ganzen Zollformalitäten und Gepäckdurchsuchungen. Zu meinem Erstaunen ging das relativ reibungslos. Weder mein Handy, noch Laptop oder Kamera wurde kontrolliert. Umringt von uniformierten Nordkoreanern wollte sich trotzdem kein Gefühl der Entspannung einstellen, zumal sich meine Guides etwas verspätet haben und ich im Sicherheitsbereich warten musste, bis sie da waren. Ich saß da wie ein katholisches Schulmädchen, um so wenig Aufmerksamkeit wie möglich auf mich zu ziehen, sofern es irgendwie möglich war.
Nach 10 min. wurde ich dann von “MJ und MC” – meinen beiden Guides – in Empfang genommen und herzlich begrüßt. Die beiden waren supernett und ich sehr beruhigt. Es konnte also losgehen: Nordkorea: ich komme!
Vor Ort
In einem klimatisiertem Wagen gings Richtung Downtown Pjöngjang. Meine Begleiter und ich haben uns von Anfang an sehr gut verstanden und wir hatten den gleichen Humor. Ein Punkt der nicht unwichtig ist, wenn man sich völlig abgeschottet von der Außenwelt für mehrere Tage mit jemandem umgibt, den man noch nie zuvor gesehen hat.
Anstatt jedoch erstmal ins Hotel zu fahren, gings gleich los mit Sightseeing. Erste Station war der Arch of Triumph, dem zweitgrößten seiner Art weltweit. Beeindruckend und schön anzusehen im spätnachmittäglichen Sonnenlicht von Pjöngjang. Ein schönes Motiv für erste touristische Fotos, weil rund um das Monument nichts los ist und man keine nervigen Menschen mit aufs Bild kriegt.
Weiter gings Richtung Kim Il Sung Square – dem zentralen Platz in Pjöngjang, wo auch sämtliche Militärparaden und großen Festivitäten stattfinden. Zur Zeit meines Besuchs waren nicht nur die jährlichen Mass Dancing Aktivitäten zum “Day of Victory in the Great Fatherland Liberation War” angesagt, vielmehr waren großangelegte Proben der Schüler Pjöngjangs angesetzt für den jährlichen Fackelzug zur Staatsgründung am 9. September. 2018 war also der 70. Jahrestag und die Proben waren umso wichtiger für alle Beteiligten.
Sämtliche Seitenstraßen um den Platz waren mit Schülerinnen und Schülern bevölkert, die auf ihren Auftritt beim Mass Dancing warteten. Selbst am späten Nachmittag war es noch immer wahnsinnig heiß und selbst wenn man nichts getan hat schwitzte man. Die Teilnehmer waren nicht zu beneiden. Trotz der Hitze war es ein tolles Erlebnis.
Nachdem ich erste Eindrücke habe sammeln können gings dann mit Anbruch der Dunkelheit in mein Hotel, welches etwas außerhalb im Sports District gelegen war. Dieser Teil Pjöngjangs beheimatet diverse Sportstätten, wie Badminton, Taekwon-Do usw. Auf dem Weg dorthin war ich zunächst etwas enttäuscht, weil es nicht direkt in der Stadt gelegen war. Die Enttäuschung wich aber sehr schnell, als ich mein Zimmer bezog, welches einem Palast glich. Im 26. Stock bezog ich Quartier und hatte einen Wahnsinnsblick auf die Stadt und den angrenzenden Golfplatz direkt unter meinem Fenster. Zu meinem Erstaunen konnte ich im Fernsehen sogar Al Jazeera, BBC und Deutsche Welle sehen. Ich nehme an, das hat damit zu tun, dass in genau diesem Hotel ausländische Sportler untergebracht werden, wenn sie an lokalen Wettkämpfen teilnehmen. Auffällig war aber auch, das meine Guides einen anderen Aufzug nehmen mussten, um in ihr Hotelzimmer zu kommen. Die Zimmer meiner Guides hatten ganz sicher nicht diese TV-Auswahl, da ich am Morgen immer danach gefragt wurde, was ich denn Neues aus den Nachrichten gehört und gesehen habe. Nachdem ich also die aktuellen News verbreitet habe, gabs von “MJ” das tägliche Wetterupdate, mit den Worten: “So, today will be another very hot day with up to 38° celcius.” Darauf folgte eine kurze Ansage, wo es hingeht und während der Fahrt gab es viel Wissenswertes, inkl. gut platzierter Propaganda zum jeweiligen Ziel.
So in etwa muss man sich den Tagesablauf, aller 5 Tage vorstellen, die ich in Pjöngjang verbracht habe.
Ich habe zwar keinen Vergleich zu einer Gruppentour, aber eine private Tour ist ganz sicher wesentlich komfortabler und spannender.
Würde mich jemand fragen: Ich würde eine private Tour empfehlen.
Natürlich ist man ein wenig an die Sehenswürdigkeiten und “places to be” gebunden, die einem vorgeschlagen werden, die man aber durchaus besuchen sollte, auch wenn viele davon ziemlich langweilig sind. Zur Zeit meines Besuchs gab es jetzt nicht soooo viele Möglichkeiten, etwas zu sehen, was eher nicht zum Standardprogramm gehört – abgesehen davon wird man das, was nicht als sehenswert erachtet wird, auch nicht sehen.
Was man jedoch tun kann: Alltägliche Erlebnisse zu etwas Besonderem machen, indem man sie vor Ort macht. In meinem Fall war das Tennis spielen in Pjöngjang. Da ich selbst seit vielen Jahren regelmäßig spiele und schon zweimal die French Open besucht habe, lag es quasi auf der Hand…Ein Match vor Ort würde meine Passion auf ein neues Level heben.
Ein lokales Tennismatch war also von Beginn an fester Bestandteil meiner geplanten Aktivitäten. In Erwartung sie würden ihren besten Mann schicken, um dem westlichen Besucher mal zu zeigen wie auf der koreanischen Halbinsel Tennis gespielt wird, habe ich mich seelisch und moralisch schon mal darauf eingestellt, so richtig eine vor den Latz geknallt zu kriegen.
Nordkorea ist ein sportverrücktes Land, das steht fest. Hätte ich nach Volleyball oder Bogenschießen gefragt, wäre ich kläglich abserviert worden. Die Erfahrung habe ich auf der Pyongyang Shooting Range machen müssen, nachdem ich mich vollen Übermutes, aufgrund meiner doch sehr guten Ergebnisse beim Pistolen- und Gewehrschießen, zum Bogenschießen hab überreden lassen. Beim Volkssport Nr. 1 vor den Augen seiner Guides eine so klägliche Performance abzuliefern, wie ich es getan habe, war wirklich peinlich. Nun gut, reden wir nicht weiter drüber.
Was Tennis angeht, muss ich jedoch sagen: GER vs. DPRK 40:0
Wie man sieht haben sie nicht unbedingt ihren besten Mann geschickt – vielleicht war er es mal – aber dafür, das sie ihn innerhalb von 15 min. aus dem Nichts hervorgezaubert haben nachdem wir am menschenleeren Court angekommen sind, war es doch großes Tennis was ich mit ihm und auch meinen beiden Guides erleben durfte. Ich hatte selten so viel Spaß bei 35° im Schatten.
Was man sich auch nicht entgehen lassen sollte, ist ein Besuch der hiesigen Manufakturen – Textilbetrieb, Shoe Factory, Mineralwasserfabrik, vollkommen egal. Klingt zunächst mal uninteressant und ehrlicherweise ist es das eigentlich auch, wenn man alles nur oberflächlich betrachtet.
Schaut man sich die, von den Nordkoreanern wirklich abgefeierten Produktionsstätten aber etwas genauer an, ist das doch sehr gutes Entertainment. Zunächst sollte man wissen, das auch wenn man alleine kommt, der jeweilige Betriebsleiter vorab darüber informiert ist, um einen möglichst guten Eindruck hinterlassen zu können und vorab Mitarbeiter zu instruieren, die am Tag meines Besuchs arbeiten. Das ist vollkommen in Ordnung – wenn ich Kundentermine im Büro habe, räume ich vorher auch auf.
Will man jedoch den Eindruck erwecken, das auf einem riesigen Areal mit dutzenden Produktionshallen “Big Business” gemacht wird, obwohl offensichtlich ist, das die Halle, die man besuchen darf die Einzige ist, in der überhaupt gearbeitet wird, kann das nur nach hinten losgehen.
Auf dem Betriebsgelände – meistens im Eingangsbereich – ist ein großer Bereich für die Mitarbeitermotivation, bzw. das Marketing reserviert. Dort finden sich die typischen Propagandaabbildungen in Kombination mit täglich handschriftlich aktualisierten Tabellen, welche die Produktivität des Betriebs zeigen. Meistens beinhalten diese Abbildungen das sogenannte “Chollima” und die Steigerung “Mallima”. In beiden Fällen handelt es sich um Pferde, die eine Art mythische Bedeutung haben. Mallima ist quasi das Chollima 2.0, weil es bis zu 10 mal schneller ist. Dieser Vergleich wird also oft dazu verwendet, die Wirtschaft anzutreiben.
Allein zu sehen wie jemand mit Pinsel und Farbe in eine handgemalte Tabelle einen Chart einzeichnet ist wirklich interessant. Erstaunlicherweise war das “Soll” immer mehr als erreicht – egal in welchem Monat (wohlgemerkt mit nur einer Produktionshalle). Das hat mich stutzig gemacht und ich fragte, wieso das “Soll” immer übertroffen wurde. Es könnte ja auch sein, dass der vorgegebene Sollwert bewusst niedrig angesetzt wird, um sowieso immer drüber zu kommen. Zu meiner Überraschung übersetzte mein Guide die Frage für den Betriebsleiter, welcher daraufhin sichtlich irritiert war und antwortete, dass sowas keiner Antwort würdig wäre.
Danach wurde mir das Wohnheim für die Arbeiterinnen gezeigt. Klar das auch hier schon einer der Führer vorbeigeschaut hat. Dies wurde im Eingangsbereich mit einer goldenen Plakette an einer der Wohnungen gekennzeichnet und dazu eine “Wahnsinnsgeschichte” erzählt – wie bei vielen anderen Locations auch.
Die Besuche der ganzen Ausstellungen lasse ich mal außen vor, weil sie wirklich nicht interessant waren. Auch vom Railway Museum war ich nicht überzeugt. Trotzdem war es interessant zu sehen, das ein so großes Gebäude einzig und allein aus dem Grund geöffnet wurde, weil ich es sehen wollte.
Vom Mirim Flying Club Besuch würde ich auch eher abraten, da sowohl Fotos, als auch Bewegtbildaufnahmen während des Fluges verboten sind. Der Low Level flight dauert ca. 15 min. und kostet 100,- EUR. Im Grunde genommen wäre das ein fairer Preis für Luftaufnahmen, aber ohne diese Möglichkeit erschien mir der Flug in einem Gerät, das wirklich sehr nach Marke Eigenbau aussieht, doch nicht lohnenswert genug.
Alles andere, was so auf dem Zettel stand, kann man sich so vorstellen, wie es schon in vielen anderen Blogs oder Dokus zu lesen und zu sehen war. Meistens war es eigentlich wie auf einer Klassenfahrt – alleine mit zwei Lehrern und einem Fahrer. Auf Klassenfahrt konnte man auch nicht einfach sagen “Ich will hier mal kurz anhalten, um mich mal umzuschauen.” Das klingt jetzt vielleicht negativer als es eigentlich war, aber es ist eben so wie es ist in Nordkorea. Umso mehr habe ich mich auf meine bevorstehende Zugreise gefreut, um den Ganzen Restriktionen vielleicht ein wenig entfliehen zu können.
Die Zeit mit meinen Pjöngjang-Guides – besonders die Momente in denen wir völlig entspannt beim Essen oder in einer Bar zusammen saßen und insbesondere die Zeit mit “MJ” auf dem Rücksitz – waren wirklich einmalig. Da wurden politische Witze in Bars erzählt und sarkastische Bemerkungen gemacht…und und und. Ach übrigens: Die Nordkoreaner sind große “Fans” von Donald Trump, weil er der einzige amerikanische Präsident ist, der zu seiner Amtszeit ihren Führer getroffen hat.
Das Witzarsenal beschränkt sich allerdings auf die Kategorie “der Papst, die Queen von England und Präsident Bush sitzen in einem Flugzeug…” Der Humor ist scheinbar in den 90ern verschütt gegangen und man fühlt sich ein wenig so wie auf der zuvor angesprochenen Klassenfahrt – als die Stimmung zu kippen drohte und der Busfahrer eine Fips Asmussen Kassette einlegte, um den Tag zu retten. Nichtsdestotrotz wurde viel gelacht.
Mein Witz-Spektrum unterscheidet sich zwar deutlich von dem der Nordkoreaner, aber nach zwei Bier in einer Bar hab ich es dennoch versucht. Ein Wortwitz ist zugegebenermaßen nicht die beste Wahl wenn das Publikum fremdsprachig ist, aber nach einer kurzen Erläuterung war ich plötzlich der Fips Asmussen Pjöngjangs.
Im Großen und Ganzen erlebt man während eines Aufenthalts in Pjöngjang nichts, was nicht schon von vielen anderen niedergeschrieben wurde, deshalb verzichte hier mal auf die üblichen Sehenswürdigkeiten, wie z.B. den Juche Tower, die Metro, Party Foundation Monument, Demilitarisierte Zone an der Grenze zu Südkorea und die vielen Exhibition Halls.
Auch wenn der Ablauf wirklich in Stein gemeisselt ist, kann es vorkommen, dass man trotz Zusage bestimmte Orte nicht besuchen kann. Das waren in meinem Fall das US War Atrocities Museum in Sinchon, Mangyongdae Funfair, West Sea Barrage und der Sci-Tech complex. Gründe hierfür waren entweder “ist geschlossen” oder “wird renoviert”.
Fazit
Alles in Allem ist Nordkorea definitiv eine Reise wert, auch wenn die Möglichkeiten doch sehr beschränkt sind. Es fühlt sich teilweise an wie eine Zeitreise und manchmal auch wie eine große Inszenierung. Das alles mal mitzuerleben macht es schon unvergesslich.
Es gibt wahrscheinlich keinen totsicheren Plan, der Nordkorea ohne Guides zu bereisen beinhaltet. Am Ende hatte ich wahrscheinlich einfach Glück. Dennoch hat man viel höhere Chancen unbeobachtet zu sein oder in genau solche Situationen zu kommen, wenn man alleine reist, da Solo Traveller in Nordkorea noch seltener sind als Touristen sich.