Afghanistan, 2018
2018
Nov
Auf ins Land der Taliban
Where next? Afghanistan? Pakistan? Why not?! Gut, die haben sicher nicht auf jemanden wie mich gewartet, aber mal persönlich vorbeischauen schadet sicher nicht. Zum ersten Mal habe ich innerhalb eines Jahres gleich zwei große Reisen gemacht. Im Sommer noch mit dem Zug durch Nordkorea bis Russland gedengelt und anschließend den Reaktor in Fukushima besucht – sollte eigentlich reichen, möchte man meinen. Allerdings war ich so angefixt und hatte echt Bock drauf, meinen Geburtstag wieder außer Landes zu verbringen, dass ich mich dazu entschieden habe einen weiteren Trip zu organisieren.
Afghanistan ist strategisch günstig gelegen. Seit Jahrzehnten ist das Land von Kriegen und ethnischen Auseinandersetzungen gebeutelt. Rückzugsort von Extremisten jeglicher Art. Insbesondere das Grenzgebiet zu Pakistan ist schon lange im Fokus westlicher Geheimdienste und Schauplatz von Konflikten.
Warum ist das so? Schaut man sich Afghanistan auf der Landkarte an, sieht man auf den ersten Blick nicht wirklich einen Grund, dort jahrelang so Alarm zu machen. Ein Großteil des Landes besteht aus unwegsamen Gelände, die Berge des Hindukush Gebirges sind zwar wunderschön anzusehen, aber strategisch doch eher ein Graus. Afghanistan hat keinen Zugang zum Meer und ist somit rein ökonomisch nicht wirklich interessant. Betrachtet man das Ganze jedoch aus geopolitischer Sicht, macht es schon deutlich mehr Sinn. Angrenzend an den Iran im Westen und im Norden die “4 Stans”, die als kleiner Puffer bis Russland dienen und im Osten Pakistan.
Ich bin kein Politikexperte, aber aus westlicher Sicht macht es durchaus Sinn, sich dort eine Art “zweites Standbein” zu schaffen.
All diese Überlegungen sind kein Expertenwissen und entstammen nur meinen persönlichen Gedanken. Mag sein, dass jemand der sich in solchen Dingen besser auskennt, die Hände über dem Kopf zusammenschlägt bei meinen Ausführungen, aber ich bin immer offen für einen Diskurs. Man kann nun mal nicht einfach in solche Gegenden reisen, ohne sich Gedanken darüber zu machen, was dort los ist und wieso überhaupt. All das sollte ich im Laufe der kommenden Tage noch erfahren.
Die Planung
Ich habe bereits vor meinem Nordkorea- und Fukushima Trip mit den Recherchen begonnen und verschiedene Kontakte geknüpft. Es ist eigentlich relativ einfach nach Afghanistan zu reisen. Es gibt die “üblichen Verdächtigen” Anbieter, welche meist Touren im Wakhan Corridor anbieten – ein kleiner Landstrich im Nordosten des Landes, der an Tadschikistan, Pakistan und China grenzt. So ziemlich der einzige Teil Afghanistans, der wirklich als sicher bezeichnet werden kann. Naturmäßig auf jeden Fall ganz weit vorne. Das kam für mich allerdings nicht in Frage, weil ich – sagen wir mal so – doch etwas “speziellere” Wünsche hatte, was meinen Aufenthalt und die Route angeht.
Mein Ziel war es, so viel wie möglich mit dem Auto zu reisen. Nicht aus Kostengründen, sondern viel eher somit deutlich mehr von Land und Leuten mitzubekommen. Natürlich gibt es viele Gegenden, die je nach aktueller Sicherheitslage, nicht mit dem Auto passiert werden können und man auf einen Flug angewiesen ist. Meist aus dem Grund, das ein bestimmtes Gebiet auf der Strecke von den Taliban kontrolliert wird, und diese dann an unterschiedlichen Stellen Checkpoints errichten. Kommt man dann an einen dieser Checkpoints, hat sich die Reise schnell erledigt. Geografisch und topografisch bedingt, gibt es auch immer nur eine größere Straße die von A nach B führt – falls also der worst case eintreten sollte, hat man keine Chance zu entkommen. Das will man ja dann auch nicht unbedingt.
Nachdem ich also einen lokalen Kontakt ausfindig gemacht habe, ging es ins Detail was den konkreten Ablauf angeht. Wir einigten uns relativ schnell auf Route und zu besuchende Orte.
Wie das aber so ist, muss man öfter mal mit Rückschlägen rechnen, was geplante Ziele angeht. In meinem Fall war es die Tatsache, das eine Reise nach Bamiyan und den Band-e-Amir National Park nicht stattfinden konnte. Das erfuhr ich aber erst zwei Wochen vor Reiseantritt.
Der Grund: wie oben bereits erwähnt kann man von Kabul nicht mit dem Auto dorthin fahren, weil die Route durch Talibangebiet führt. Eine Flugverbindung gibt es zwar, aber die afghanische Airline Kam Air flog diese Route zur Zeit meines Besuchs nicht, da viele ihrer Angestellten beim Anschlag auf das Intercontinental-Hotel im Januar 2018 getötet wurden und somit etliche Flüge ausfallen mussten. Die Enttäuschung war groß bei mir. Gerade diese Orte hätte ich wahnsinnig gerne gesehen. Mein Fixer hat sich mehrfach entschuldigt und wollte es unbedingt wieder gut machen.
Meine Route, bzw. die Orte, die ich während meines Trips besucht habe, könnt ihr in der Karte sehen. Größtenteils war es auch relativ sicher, mal abgesehen vom Grenzgebiet zu Pakistan.
Glücklicherweise hat sich dieser Rückschlag für mich ausgezahlt, da mein Fixer dem Vorschlag zustimmte, den er vor ein paar Wochen noch abgelehnt hat, weil es zu gefährlich sei. Alternatives Reiseziel jetzt: Kandahar. Und schon war ich wieder happy. Dazu muss man sagen, Kandahar ist wirklich ein gefährliches Pflaster. Man kann sicher sein, das man der einzige Ausländer dort ist, wenn man die Stadt besucht und man sollte sich so unauffällig wie möglich verhalten. Wenn man eindeutig als Ausländer zu erkennen ist, sollte man sich nicht frei in den Straßen bewegen. Obwohl ich gerne auch die Provinz Helmand besucht hätte, war dies leider nicht möglich.
Weitere Stationen waren Mazar-e-Sharif, Panjshir Valley, Istalif, Kholm, Kabul, Jalalabad und Torkham.
Das “Highlight” meiner Reise sollte aber zum Schluß kommen. Im Prinzip hat sich die Kommunikation mit meinem Fixer die letzten Wochen auch einzig und allein nur darum gedreht, wie man das organisieren könnte. Mein Plan: Ich wollte den Khyber Pass überqueren und nach Peshawar in Pakistan.
Völlig bescheuerte Idee, wenn man sich den zugehörigen wikivoyage Eintrag anschaut. Da dies ein ganz besonders prägendes Erlebnis war, habe ich dem einen gesonderten Beitrag gewidmet: HOW I CROSSED THE KHYBER PASS
Ich habe mich bewusst dazu entschieden ohne bewaffneten Begleitschutz zu reisen, obwohl das natürlich auch möglich ist. In Afghanistan ist es aber ratsam so wenig Aufmerksamkeit wie möglich auf sich zu ziehen. Also schön “low profile” und immer den Ball flach halten.
Unterwegs
Die Turkish Airlines Maschine landete pünktlich um 6:40 auf dem Hamid Karzai International Airport in Kabul. Das Wetter war hervorragend und ich, wie immer, ziemlich durch vom Flug. Dieses Mal jedoch nicht wegen übermäßiger Inanspruchnahme des cineastischen Entertainmentangebots an Bord. Grund war vielmehr ein kleines Kind zwei Sitzreihen vor mir, welches sich spontan auf dem Flug dazu entschieden hat, Zähne zu bekommen – herzlichen Glückwunsch. Zahnfee is a bitch!
Gerade auf Nachtflügen sind solche Situationen immer besonders interessant – alle sind wahnsinnig genervt, aber niemand beschwert sich. Für jemanden wie mich, der selbst keine Kinder hat, bietet sich dadurch die seltene Möglichkeit für ein paar Stunden in den Genuß zu kommen, wie es sich anfühlt eigene Kinder zu haben.
Die zahnende Brut, und damit einhergehender Schlafmangel, konnte mir die Vorfreude jedoch nicht vermießen und ich ging voller Vorfreude Richtung Immigration Counter. In einem hölzernen Verschlag saß der hiesige Beamte mit einer 90er Jahre Webcam, die mich ablichtete – und Windows 98 sei Dank, erhielt ich meinen Stempel im Pass. Willkommen in Kabul!
Mutigen Schrittes verließ ich das Flughafengebäude, in Erwartung mein Fixer steht mit einem kleinen Namensschild da, um mich in Empfang zu nehmen (zumindest hatte er mir das so angekündigt). Allerdings war weit und breit niemand zu sehen und ich war etwas verunsichert. Ich hatte immer ein wenig die Situation im Hinterkopf, die ich erlebte, als ich damals in Mogadishu gelandet bin, und mich sogar noch vor dem Immigration Officer, ein Kontaktmann meines lokalen Fixers (quasi fast noch auf dem Rollfeld) angesprochen und mir geholfen hat.
Aber jetzt…niemand da. Es hat einen Moment gedauert, bis ich begriffen habe, dass das Gelände aus Sicherheitsgründen für den Publikumsverkehr gesperrt war und ich Richtung Flughafenausgang gehen musste. Vor dem massiv gesicherten Toren standen dann tatsächlich mehrere Menschen, um Angehörige abzuholen und Gott sei Dank auch mein lokaler Fixer mit unserem Fahrer.
Vor Ort
Kurz nach dem ich mein Domizil bezogen habe, klopfte es an der Tür und mein Fixer kam herein, um mit mir den weiteren Tagesablauf zu besprechen. Eine Zigarettenlänge und einen Tee später stand fest, was heute noch anliegt.
Absolute Priorität hatte zunächst der Besuch eines Schneiders, der mir maßgefertigten, lokalen Zwirn auf den Leib klöppelt. Ein absolutes “must have” in Afghanistan, um etwas weniger aufzufallen, als man es sowieso schon tut aufgrund seines westlichen Aussehens.
Danach sollte es ins Panjshir Valley gehen. Eine Gegend, die ca. 160 km nördlich von Kabul liegt. Dort stand ein Besuch des Ahmad Shah Massoud Memorials an.
Massoud (Löwe von Pandjschir genannt), ein ehemaliger Mudschaheddin-Kämpfer, ist allgegenwärtig in Afghanistan – ein nationaler Held. Sein Konterfei ziert nicht nur Flaggen in Großteilen des Landes. Er wird auf Heckscheibenaufklebern abgefeiert, es gibt viele Graffitis und und und.
Der Plan stand also und nachdem ich mich noch kurz abgekärchert habe, konnte es losgehen. Ich gab meinen Zimmerschlüssel unten an der Rezeption ab und ging durch die Stahltür nach draußen in die Vormittagssonne Kabuls. Vorbei am finsteren Blick des Outdoor Securitymannes, dessen AK-47 genauso tief hing wie seine Augenlieder. “You had the nightshift, right?”, fragte ich ihn. Ein leichtes Nicken bestätigte meine Annahme.
Nachdem ich mich auf dem Rücksitz des Toyotas häuslich eingerichtet habe, gings quer durch Kabul zum Tailor Shop, um Maß zu nehmen für meinen edlen Zwirn, den ich die kommenden Tage tragen würde. Ich hab mir übrigens mal gegönnt und gleich zwei Teile anfertigen lassen. Ich war wirklich überrascht, wie viele unterschiedliche Designs es gibt. Und bei zwei maßgeschneiderten “Khet partug” für zusammen 60,- $ kann man einfach nicht nein sagen.
Was sofort auffällt, wenn man sich im Auto durch die Stadt bewegt: jeder, wirklich jeder schaut in das Auto hinein…und nicht nur ins Auto. Die Blicke der Leute treffen sich direkt mit den meinen. Das ist schon etwas befremdlich. Zumal das Auto, mit dem wir unterwegs waren, keinerlei äußere Anzeichen hatte die darauf hinweisen, dass da jemand drin sitzt, der da vielleicht nicht hin gehört. Keine optimalen Bedingungen, wenn man gerne Fotos schießen möchte.
Streetphotography z.B. ist in Kabul und auch im Rest Afghanistans wirklich eine Challenge. Aus dem Auto heraus ein paar lucky shots mit größerem Objektiv sind auch nur bedingt drin, aufgrund erwähnter Aufmerksamkeit, der Menschen.
Das hat vorallem zwei Gründe. Zum einen ist es so, dass die Menschen vor Ort wirklich sehr sensibilisiert sind für Selbstmordanschläge mit Fahrzeugen jedweder Art und somit quasi automatisch jedes Fahrzeug, das an ihnen vorbeifährt, mustern um Gefahren auszuschließen. Zum anderen ist es so – und das hat mir mein Fixer sehr gut erklärt – ein Großteil der Afghanen kennt das Konzept des Tourismus einfach nicht. Das fremde Leute kommen und ohne Grund Fotos von einem machen wollen, ist für die meisten völlig schleierhaft und stößt auf absolutes Unverständnis, bzw. Ablehnung. Oft denken die Menschen auch, man würde sie ausspionieren wollen oder ähnliche Sachen.
Ich habe lange darüber nachgedacht und meine Fotogewohnheiten für den Rest meiner Reise dementsprechend angepasst. Ich finde es wichtig, sich mit solchen Dingen auseinanderzusetzen und nicht wie die Axt im Walde zu agieren, bloß weil man für ein paar Tage das Land besucht und unbedingt gute Fotos haben will. Auch wenn ich gerne viel mehr Fotos vom “wahren Leben” in Afghanistan gemacht hätte, war die Entscheidung absolut in Ordnung für mich.
Absolut unproblematisch hingegen war mein Photoshooting am Ahmad Shah Massoud Memorial, welches wir nach knapp dreistündiger Fahrt erreichten. An sich bin ich kein Fan von Denkmälern oder Museen, aber da fährt man mitten durch riesige Felswände und plötzlich steht da auf einer Anhöhe dieses mächtige Bauwerk. Das ist schon beeindruckend. Das Monument ist eine Pilgerstätte für die Afghanen. Viele nehmen den langen Weg auch aus entlegenen Landesteilen auf sich, um Massoud die Ehre zu erweisen. Ich kam dort mit ein paar Besuchern ins Gespräch, die total von den Socken waren, das sogar Ausländer wie ich, ihrem Nationalheld einen Besuch abstatten. Direkt nebenan wird aktuell eine neue Moschee gebaut. Allerdings liegen die Arbeiten gerade auf Eis, da es an Geld fehlt.
Am Nachmittag gings dann wieder zurück nach Kabul und ich war froh endlich schlafen zu können, um Energie für die kommenden Tage zu sammeln.
Tag 2 begann mit einer Tour durch Kabul selbst. Mein Outfit war noch immer in der Mache und ich somit deutlich als Ausländer erkennbar. Das dies ein deutlicher Nachteil ist, wurde mir bewusst, als mein Fixer und ich den Bird Market besuchten. “Besuch” ist nicht wirklich richtig, es war viel mehr ein zügiges Laufen, ohne irgendwo zu stoppen, weil der Markt als nicht sicher gilt.
Trotz zügigen Schrittes zog ich die Aufmerksamkeit auf mich. Wenige Meter vor uns stand dann ein Mann in weißem Gewand und redete laut in unsere Richtung. Ein normaler Vogelverkäufer, der seine “heißen Chicks” an den Mann bringen will, dachte ich. Allerdings riet mir mein Fixer dazu doch etwas schneller zu laufen und in eine kleine Seitengasse abzubiegen. Als wir dann etwas abseits waren fragte ich ihn was los sei und er sagte, dass der Typ mich gerade als Ungläubigen beschimpft hat und meinen Fixer ebenso, weil er mit mir, bzw. für mich arbeitet und er sich vor Allah dafür rechtfertigen muss, wenn er stirbt. Das wars also mit Vögeln in Kabul – wir nahmen ein paar Umwege in Kauf, um aus dem Markt zu kommen. Ein weiteres Problem war: unser Fahrer wusste nicht wo wir sind und musste erstmal zu uns finden, als wir an einer der Hauptstraßen angekommen waren. Auch hier war unwesentlich weniger los als im Markt selbst und am Straßenrand länger als nötig zu stehen, ist in einer solchen Gegend nicht gut.
Der Verkehr in Kabul ist wirklich jenseits von Gut und Böse und man weiß einfach nie wie lange man brauchen wird um von A nach B zu kommen. Geistesgegenwärtig fragte mein Fixer aber einen Taxifahrer, der direkt vor uns stand, ob ich mich nicht ins Taxi setzen könne, bis er unseren Fahrer gefunden hat. Gesagt, getan…ich stieg ins Taxi zu einem alten Afghanen, der kein Wort Englisch sprach. Da standen wir nun, mein Fixer war auch verschwunden und ich war froh das so viel Verkehr war, weil ich somit relativ sicher war, das der Taxifahrer nicht mit mir abhaut.
Im Nachhinein muss ich sagen: Es gibt keinen besseren Ort Fotos zu machen, als aus einem solch unscheinbaren Taxi heraus. Auf der Rückbank verschanzt mit großer Brennweite im Anschlag – das funktioniert ganz gut. Leider habe ich das zu spät realisiert, weil ich geistig noch immer damit beschäftigt war, wo mein Fahrer und mein Fixer gerade ist. All zu lange hat es dann auch nicht gedauert, bis ich das Taxi wieder verlassen habe und wir den trip in unserem eigentlichen Fahrzeug fortsetzen konnten.
Nächste Station war der Kabul European Cemetery, ein kleiner versteckter Friedhof auf dem unter anderem deutsche Soldaten und Polizisten begraben wurden, die während ihres Einsatzes in Afghanistan ihr Leben verloren haben. Es gibt dort auch Gedenktafeln für andere Nationen, wie z.B. Kanada, Italien oder die Vereinigten Staaten.
Weiter gings dann zum “Garden of Babur”, ein ca. 500 Jahre alter Park in Kabul der mich an den Peace Park in Mogadishu erinnert hat. Ein ruhiger Fleck, der von den Einheimischen genutzt wird, um unter sich, bzw. ungestört zu sein. Hier können sich auch Jugendliche zu einem “Date” treffen, ohne Gefahr zu laufen in der Öffentlichkeit erwischt zu werden. Das ist nämlich nach wie vor verboten. Auch wenn ein Großteil der Ehen in Afghanistan noch immer arrangiert wird, gibt es doch hier zumindest die theoretische Möglichkeit eines alternativen Kennenlernens, die – so wurde mir versichert – auch genutzt wird.
Ein absolutes Muss ist auch der “Bibi Mahru Hill”, mit seinem riesigen Fahnenmast. Von da aus hat man einen super Blick auf ganz Kabul. Direkt neben dem Fahnenmast gibt es einen Swimming Pool mit Sprungtürmen, von den Russen erbaut. Der Pool ist nicht in Betrieb und verfällt allmählich. Zu Zeiten der Taliban wurde der 10 Meter Turm zu Exekutionen genutzt, was das Ganze noch surrealer erscheinen lässt.
Der kommende Tag versprach Entertainment – wenn auch anders, als vorab von mir vermutet. Am Abend zuvor besprachen wir wo es hingehen sollte und was mich erwarten würde. “We are going to visit a village which is very famous for their peotry.”, sagte mein Fixer. “Oha”, dachte ich mir. Was könnte das wohl sein? Gibt’s morgen ein Stand-Up Programm? Ich werde zwar nix verstehen, aber zu einer Show im afghanischen Hinterland für mich sag ich nicht nein. In Erwartung den afghanischen Jerry Seinfeld zu treffen fuhren wir ca. eine Stunde in nördliche Richtung. Einmal links abbiegen und an zwei Checkpoints vorbei, bis in ein kleines Dorf im Istalif District. Alles sehr idyllisch und wahnsinnig nette Menschen. Nach Poetry Slam oder Stand-Up sah es hier trotzdem nicht aus.
Es stellte sich relativ schnell heraus, das ein kleiner Sprachfehler meines Fixers die Hochburg der Töpferei und Keramik – im Englischen “pottery” – als das Mekka der lokalen Poesi angepriesen hat. Einerseits war ich sehr beruhigt, aufgrund der Sprachbarriere nicht so tun zu müssen, als würde ich alles verstehen. Andererseits war ich kopfmäßig noch immer auf eine Art Show oder Performance eingestellt – ich wurde nicht enttäuscht, was die Show angeht.
Ich besuchte ein paar kleine Geschäfte, die wirklich tolle Keramiken zum Verkauf anboten, aber da ich noch meinen Pakistan-Trip vor mir hatte, musste ich leider ablehnen, was den Kauf angeht. Wie das aber oft so ist fühlt man sich auf gewisse Art und Weise schuldig…die Leute freuen sich, das überhaupt mal wieder jemand in die Gegend kommt und dann können sie nichts verkaufen. Wobei ich sagen muss, absolut niemand wollte mir etwas aufdrängen oder so, es war einfach nur ein Gefühl von mir, etwas kaufen zu müssen, um eine Art Support zu leisten. Und einfach Geld in die Runde zu werfen ist ja auch schäbig.
Ich unterhielt mich mit einem der Ladenbesitzer und fragte wie und wo sie das ganze Zeug denn herstellen. Daraufhin bot er mir an, ihn zu Hause in seiner Werkstatt zu besuchen. Das war ein Angebot, welches ich nicht ausschlagen konnte. Etwas weiter oberhalb in den Bergen war dann seine Werkstatt und die Show konnte beginnen.
Es gab lecker Tee, getrocknete Früchte und eine Lehrstunde in Sachen Töpferei. Für jemanden wie mich, der zwei linke Hände hat: fast schon magisch. Innerhalb von ca. 20 min. entstanden vier Gefäße, zu denen mein einziger Beitrag der offene Mund vor Staunen war. Wie ich im Nachhinein erfahren habe, ist der Mann tatsächlich eine Berühmtheit in Afghanistan, was Töpferei angeht.
Kandahar
Jetzt sollte es spannend werden – Tag 4. Eins meiner Highlights stand an: Kandahar. Eine Gegend, die nicht ohne Weiteres besucht werden kann. (Klar, man kann als Backpacker zwar auch mit dem Bus von Herat oder Kabul fahren, oder alleine mit dem Flugzeug fliegen. Aber mal ehrlich: das ist keine gute Idee. Mit dem Flieger kommt man zwar an, und mit dem Bus kann man nur hoffen das man ankommt, da ein Großteil der Strecke durch umkämpftes Gebiet führt. Und was ich nur unterstreichen und immer wiederholen kann: Man weiß nie wer mit einem in dem Bus sitzt und nicht eventuell Kontakte zu Leuten hat, die einem dann an der Strecke auflauern. Das ist wirklich eins der größten Sicherheitsrisiken bei einer solchen Fahrt)
Ich persönlich versuche auf meinen Reisen sämtliche Risiken soweit zu minimieren, dass möglichst auch mein Fixer sagt: “Ok, es ist zwar immer noch gefährlich, aber irgendwie wirds schon gehen.” Wichtig ist dabei vorallem, das man nicht alleine ist, sondern jemanden dabei hat, der sich in der Gegend auskennt und dem man vertraut.
In diesem Fall war es so, dass mein Fixer noch immer ein schlechtes Gewissen hatte, weil der geplante trip nach Bamiyan nicht möglich war und er wusste, das Kandahar ganz weit oben auf meiner Liste stand. Einzig und allein aus diesem Grund hatte ich die Möglichkeit nach Kandahar zu reisen. (Als wir zurück in Kabul waren, sagte er mir, dass dies das letzte Mal war, das er in Kandahar war. Vor mir war er auch nur mit einem Touristen aus Italien dort, der Afghanistan bereits mehr als 6 mal besucht hat und das noch auf seiner Bucketlist hatte)
Ich bin ihm dafür wirklich sehr dankbar, weil es keine Selbstverständlichkeit ist. Er erzählte mir außerdem, wie er zur Zeit seines Militärdienstes nach Kandahar versetzt wurde und eben dort desertiert ist, weil es zu der Zeit für das Militär quasi ein Selbstmordkommando war. Eine wilde Geschichte, über die man echt ein Buch schreiben könnte.
Die Tickets für den Flug haben wir in Kabul organisiert, direkt am Tag des Fluges, ohne Probleme. Nachdem wir das Domestic Terminal betreten haben bestand absolute Funkstille zwischen uns. Blöderweise haben wir das vorher nicht besprochen und ich wunderte mich, wieso er plötzlich nicht mehr mit mir spricht. Aber ich habe relativ schnell gecheckt, das es für ihn sicherer ist, sich nicht erkennbar als mein Fixer zu zeigen. Die Gründe kannte ich vom Kabul Bird Market ein paar Tage zuvor.
Der Flug von Kabul dauert ungefähr eine Stunde. Selbst nach Verlassen des kleinen Terminals hatte ich keinerlei Info, was jetzt passieren würde. Wir liefen Richtung Parkplatz und ein Mann begrüßte uns. Wir stiegen in ein Taxi und fuhren los.
Das Taxi, so stellte sich heraus, war meine Transportmöglichkeit für die zwei Tage. Eigentlich clever, weil sehr unauffällig. Die Fahrt durchs nächtliche Kandahar dauerte ca. 20 min., da der Flughafen etwas außerhalb ist. Der Flughafen selbst dient auch als Militärflughafen und ist dementsprechend stark gesichert.
Die Bürgersteige in Kandahar sind nach Anbruch der Dunkelheit natürlich hochgeklappt und es ist wirklich nichts los, deshalb endete die Fahrt vom Airport direkt am gut gesicherten Tor des Royal Afghan Hotels. Nachdem Auto und Passagiere gründlich durchgecheckt waren, gings ins Hotel und ich fühlte mich ein wenig wie im Film Shining. Ein großes, wirklich schönes Hotel und ich als einziger Gast, untergebracht in einer Suite, die fast größer als meine Wohnung war. Das Personal ist wahnsinnig freundlich und zuvorkommend. Ich kann nur jedem empfehlen, der Kandahar mal besuchen möchte, dort einzuchecken.
Das Hotel selbst bietet seinen Besuchern sogar an, Fixer und Fahrzeug zu organisieren, falls man Kandahar erkunden möchte. Was das kostet weiß ich leider nicht, da ich ja bereits versorgt war was Fixer und Fahrer angeht, aber wenn ein Hotel lokalen Support anbietet, ist das sicher eine der besten Optionen, die man wählen kann.
Der kommende Tag begann für mich um 7:00 Uhr morgens und ich war ziemlich aufgeregt, weil ich noch immer nicht wusste, was ich alles erleben würde. Kandahar ist nach wie vor ein sehr gefährliches Pflaster und vorab Dinge zu planen ist schwierig. Die Ansage war: “Wir fahren mit dem Taxi durch die Stadt und schauen mal, was die momentane Situation so zulässt.”
Das taten wir dann auch und klapperten die ganze Stadt mit dem Taxi ab. Allein das war schon sehr interessant, weil ich so im Schutz des unauffälligen Taxis eine Menge sehen durfte. Aussteigen war leider nur zeitweise möglich – und wenn ich sage “zeitweise”, meine ich: nur in Ayno Maina war es sicher genug sich frei außerhalb des Taxis zu bewegen. Diese Gegend ist wirklich faszinierend. Ein künstlich angelegter Teil der Stadt etwas außerhalb in nördlicher Richtung, mit neuen Häusern und breit angelegten Straßen, der vergleichsweise doch sehr westlich anmutet.
Danach gings wieder Richtung Downtown und wir fuhren durch den Kandahar Market. Auch wenn ich da nicht aussteigen konnte, ist man doch sehr nah am Geschehen, da man sich mit Schrittgeschwindigkeit durch den Markt bewegt. Ein Highlight war für mich der Besuch der “40 steps of Kandahar”. Eigentlich ein historisches “must see” wenn man so will, aber man findet tatsächlich sehr wenig darüber im Internet, wenn man recherchiert. Grund genug für mich, das auf meine Liste zu packen. Auch wenn es nicht möglich war, die 40 steps zu erklimmen, hat sich der Besuch in meinen Augen doch gelohnt.
Während des gemeinsamen Mittagessens kam die Idee auf, doch mal einen lokalen Barber Shop zu besuchen. Sowas wollte ich schon immer mal machen. Und sich das Fell in Kandahar trimmen zu lassen…also volkstümlicher geht’s ja fast nicht. Den ungläubigen Blick des Inhabers, als er meinen Drei-Tage Bart und die Glatze sah, kann man ihm nicht verübeln. Die Frage danach, was er jetzt wohl damit anfangen sollte, stand ihm ins Gesicht geschrieben. Ich schlug dann vor alles was unterhalb der Wangenknochen war könnte hier in Kandahar bleiben, der Rest solle bitte dran bleiben – zugegebenermaßen etwas “Hipster”, aber einen Versuch war es wert. Das Ergebnis hat aber durchaus überzeugt.
Mein Fixer wurde parallel bedient und da bei mir nicht viel Arbeit anstand, war ich deutlich früher fertig und dachte ich könne den Laden mit ein wenig Smalltalk begeistern. Der Salon selbst hatte keinen besonderen Namen, deshalb schlug ich vor ihn doch in “Kandahair” umzubenennen, das würde sicher neue Kundschaft anlocken. Für mich ein absoluter Brüller. Ein freundliches Lächeln aller anwesenden Personen, kombiniert mit einem leicht verächtlichen Blick des Eigentümers zeigte jedoch, dass sie hier gegenüber westlichen Marketingoffensiven eher resisstent sind. Aber auch ohne hippen Namen kann es der Laden ohne Weiteres mit sämtlichen Vidal Sassoon Klitschen weltweit aufnehmen. Und die Preise sind unschlagbar.
Die Rückfahrt zum Hotel sollte dann wider Erwarten interessanter werden als gedacht. Trotz meiner guten Tarnung in lokalem Zwirn und einem normalen Taxi, blieb mein fotografischer Enthusiasmus den hiesigen Behörden nicht verborgen. Eigentlich kein Wunder, die ganze Stadt ist ein einziger Checkpoint und an jeder Ecke gibt es Kontrollen. Gut, vielleicht wurde ich im Laufe des Tages auch ein wenig übermütig, weil es bisher so reibungslos lief, und hab das Objektiv ein wenig zu weit aus dem Fenster ragen lassen. (Als ich nachträglich meine Fotos durchgesehen habe, habe ich sogar genau die Situation, die mir fast zum Verhängnis wurde, auf einem Bild entdeckt. Ein Wachposten schaute direkt in meine Kamera.)
An einem kleinen Kreisverkehr wurde unser Taxi plötzlich von der Polizei gestoppt und mal wieder herrschte allgemeine Verwirrung. Kurz zuvor sagte mein Fixer noch “Put your camera away! Police ahead.” Darin war ich bereits geübt…ratz fatz war die Kamera verstaut und die Fensterscheibe hochgekurbelt. Eine Polizeikontrolle ist eigentlich nie ein Vergnügen, weder in Deutschland noch weniger in Kandahar.
Ein freundlicher Blick und nettes Lächeln hilft aber fast immer. Einziger Unterschied war: hier interessierten sich die Polizisten viel mehr für mich, den Beifahrer, als für den Fahrer selbst. Mit Handzeichen gab man mir zu verstehen, ich solle doch die Scheibe runterkurbeln. Zwei Meter neben uns ein gepanzertes, mit M2 Maschinengewehr ausgestattetes Polizeifahrzeug und direkt vor der Tür zwei bis an die Zähne bewaffnete Beamte, die etwas grimmig meinen Pass verlangten. Meine Begleiter versuchten rauszufinden, warum wir angehalten wurden und man sagte ihnen, ein Soldat auf einem Wachposten hätte gesehen, wie ein Ausländer aus einem Auto heraus Fotos macht – tadaaaa, das war wohl ich. Die Situation war zu dem Zeitpunkt aber nicht sehr lustig, da solche Aktionen meist als Spionage angesehen werden, speziell in solchen Gegenden. Und als Spion in Afghanistan verhaftet zu werden ist zwar sicher ein unvergessliches Erlebnis, aber nicht erstrebenswert.
Es ist unglaublich, was ein deutscher Pass bewirken kann in einer solchen Situation. Eine allgemeine Geschmeidigkeit stellte sich ein und das Taxi war auf einmal der Hotspot. Mehr und mehr Polizisten umringten uns, es wurden Fotos von meinem Pass gemacht, ich verschenkte mehrere Schachteln Zigaretten, alle lachten und wollten mir die Hand schütteln. Ich war sichtlich erleichtert, aber es war trotzdem eine Situation, die unwirklich erschien. Die Polizisten redeten mit mir in Urdu und Pashto – ich verstand kein Wort und mein Fixer kam mit dem Übersetzen kaum hinterher. Allgemeiner Tenor: Jeder wollte den Deutschen sehen und mal kurz anfassen. Der Chef der ganzen Truppe gab mir dann irgendwann meinen Pass zurück und sagte, durch meinen Fixer übersetzt: “You must be a very brave guy. Driving through Kandahar with a taxi is very dangerous for you.”
Ich antwortete ihm: “You call it brave. Others say I’m totally insane and an idiot doing this.” Und genau das ist es, was ich in dem Moment selbst von mir gedacht habe.
Nachdem allen bewusst war, das von mir keine Gefahr ausgeht, wurden noch Telefonnummern ausgetauscht und uns wurde versichert, wenn wir irgendwo Probleme bekommen sollten oder in Gefahr geraten würden, sollen wir doch anrufen und sie würden sich darum kümmern. Das war schon sehr bemerkenswert. Von “Servicewüste Kandahar” keine Spur. Da werden sie geholfen.
Am frühen Abend gings dann schon wieder zurück nach Kabul, von wo aus wir am kommenden Tag nach Mazar-e-Sharif fahren wollten.
Während unserer Fahrt zum Flughafen habe ich zudem ein paar interessante Dinge erfahren, was die Provinz Helmand angeht. Das war Thema, weil ich auch das auf meiner Liste hatte. Es ist ja bekannt, das die Region einen Großteil zur Opiumgewinnung beiträgt. Den Bauern dabei mal über die Schulter zu schauen, wäre sicher interessant gewesen. Erwartungsgemäß wurde dieser Wunsch jedoch nicht erfüllt, wobei ich sagen muss: unmöglich ist es nicht Helmand zu besuchen. Es ist, wie alles in Afghanistan, nur eine Frage des Geldes und der Kontakte.
Was aber umso interessanter war: Ich fragte warum denn das Gebiet noch immer so umkämpft ist, obwohl es augenscheinlich nicht sonderlich viel zu bieten hat, abgesehen vom Schlafmohn, wodurch sich die Taliban unter anderem finanzieren. Die Antwort auf meine Frage war doch erstaunlich und lässt gewisse Rückschlüsse zu, auf das was dort passiert. Helmand ist reich an Uranvorkommen, und da Uran nicht auf Bäumen wächst, ist ein solches Gebiet für jemanden, der “eh schonmal da ist”, durchaus interessant. Außerdem wurden mir Geschichten von Leuten erzählt, die in der Nähe von einer großen Militärbasis dort leben, die wirklich jenseits von Gut und Böse sind. Da ich den Wahrheitsgehalt davon jedoch nicht prüfen kann, werde ich hier nichts davon erwähnen. Das mag jetzt vielleicht für den ein oder anderen unbefriedigend sein, aber solange ich keine gesicherten Informationen für so heikle Themen habe, halte ich lieber die Klappe. Immerhin ist das hier ein Travel Blog und kein “Aluhut-Forum”.
Salang Pass
Um gefährliche Provinzen im Norden nicht in der Dunkelheit durchqueren zu müssen, war die Nacht mal wieder kurz und wir starteten um 7:00 Uhr morgens, damit wir Mazar vor Sonnenuntergang erreichen. Natürlich kann man die Strecke auch per Flug zurücklegen, aber auf dem Landweg erschien es mir doch interessanter zu sein. Zumal wir so den berühmten Salang Pass überqueren würden.
Die Fahrt von Kabul nach Mazar-e-Sharif dauert ungefähr 10 Stunden und ist größtenteils nicht wirklich interessant. Highlight des wilden Ritts war aber der Salang Tunnel auf knapp 4000m Höhe. Bis dahin ist es auch grundsätzlich sehr sicher per Auto zu reisen. Auf der anderen Seite des Tunnels, nachdem man den Pass überquert hat, beginnt die Baghlan Provinz. Zur Zeit meines Besuchs ein umkämpftes Gebiet. Deshalb war die Ansage meines Fixers, wir würden für die kommenden ca. 3 Stunden nicht anhalten, um zügig die angrenzende Provinz Samangan zu erreichen.
Kurz bevor wir Pol-e-Khomri erreichten – die Hauptstadt der Provinz – verschärfte sich die ganze Sache nochmal, weil das Gebiet offiziell von den Taliban kontrolliert wird und ab einem gewissen Punkt wurde mir gesagt: “Sorry, aber wir müssen jetzt einfach richtig Gas geben, dürfen auf keinen Fall stoppen und sei bitte vorsichtig mit dem was du fotografierst oder filmst.”
Im Nachhinein war das für mich völlig ok, da diese Gegend nicht sonderlich viel zu bieten hat – Lehmhütten am Straßenrand, hin und wieder Militärposten, die von Granateinschlägen oder Schüssen durchlöchert sind, aufgrund fast täglicher Angriffe und dem Gefühl, das hinter jedem Stein plötzlich jemand hervorspringt, der das Auto stoppen will.
Richtig spannend wurde es als wir in einem kleinen Dorf einen Autounfall hatten. Die Bremsen eines hinterherfahrenden Wagens waren scheinbar komplett hinüber und mitten in der “Danger Zone” hatten wir also einen Auffahrunfall. Das brachte kurzzeitig den ganzen Sicherheitsplan durcheinander. Der Unfallverursacher bot an, den Schaden in einer der ansässigen Werkstätten reparieren zu lassen. Das ist gängige Praxis in Afghanistan, wenn man einen Unfall hat und die Schuldfrage geklärt ist. Allerdings hätte das in unserem Fall bedeutet, einen mindestens dreistündigen Stop in einen von Taliban kontrolliertem Gebiet einzulegen. Mein Fixer und mein Fahrer hielten das aus Sicherheitsgründen für keine gute Idee, wenn ich dort unnötig Aufmerksamkeit erregen würde, während wir in einer Schrauberbutze auf die Reparatur warten. Also fuhren wir weiter und erreichten Mazar-e-Sharif knapp 3 Stunden später.