Khorasan and beyond
Über den südlichen Iran nach Nimroz und Helmand, bis Kunar und Nuristan
2023
Sep
Taliban 2.0 - Jetzt erst recht!
Fast genau 2 Jahre ist es jetzt her, seit dem die Taliban erneut die Macht in Afghanistan übernommen haben. Das Streben nach internationaler Anerkennung ihres Emirats, eröffnet Reisenden wie mir, bisher ungeahnte Möglichkeiten.
Als ich 2018 das erste Mal Afghanistan besuchte, waren weite Teile des Landes für Touristen absolut tabu. Der Besuch von Provinzen wie Helmand, Nimroz, Paktia, Kunar oder Nuristan wären ein reines Selbstmordkommando gewesen – das sage nicht nur ich, das haben mir bei meinem jetzigen Besuch auch sämtliche Taliban bestätigt, mit denen ich darüber gesprochen habe.
Trotz neuer Machthaber gibt es dennoch verschiedene Landesteile, die sehr gefährlich sind, wenn man sich als Tourist dorthin begibt. Das sind hauptsächlich die Provinzen, die sich im Grenzgebiet zu Pakistan befinden und somit in unmittelbarer Nachbarschaft zu den ehemaligen Stammesgebieten – die sogenannten „Federally Administered Tribal Areas“, oder kurz FATA. Offiziell wurden diese kürzlich mit in die Provinz Khyber Pakhtunkhwa eingegliedert. Dort pflegt man einen, sagen wir mal, sehr volkstümlichen Lebensstil. Waffen sind an der Tagesordnung und Konflikte werden hauptsächlich mit eben diesen ausgefochten. Städte wie Dara Adamkhel sind berühmt für ihre Waffenschmieden – dort bekommt man alles was das Herz begehrt: M16, AK-47, aber auch kleinkalibriges, wenn man knapp bei Kasse ist. Die hiesigen Büchsenmacher bauen alles originalgetreu nach und bringen es dann auf dem lokalen Waffenmarkt für wenige 100$ unters Volk.
Das wollte ich mir natürlich anschauen und plante meinen Trip so, dass ich auf dem Landweg ins pakistanische Stammesgebiet einreisen würde. Von pakistanischer Seite aus ist das nämlich nicht ohne weiteres möglich. Klar, für den Besuch der Grenzprovinz ist natürlich auch eine Genehmigung von afghanischer Seite notwendig. Aber wie schon gesagt, seit dem die Taliban an der Macht sind, werden sie nicht müde immer wieder zu betonen, dass das ganze Land sicher sei und man ohne Probleme überall hinreisen kann. Insbesondere Touristen sind herzlich willkommen – nicht zuletzt wegen der dringend benötigten finanziellen Mittel, die dadurch ins Land gespült werden. Deshalb heißt es offiziell: So lange du uns sagst was du machen möchtest und welche Gegenden du besuchen willst, haben wir kein Problem damit, auch Ungläubige willkommen zu heißen. Da ist man flexibel geworden – Lieber arm dran als Kopf ab. Wer ausländische Touristen ins Land lässt, kann doch kein schlechter Mensch sein. Zu dieser taktischen Charm Offensive später etwas mehr.
Eine solche Gelegenheit lässt man sich natürlich nicht entgehen. Wenn der Talib sagt: „Komm vorbei! Alles gut!“, bin ich der Erste, der die Hühner sattelt. Was ich auf meiner Reise erlebt habe und welche Überraschungen beim Grenzübertritt nach Pakistan auf mich warten sollten, erzähle ich in den folgenden Zeilen.
Die Planung
Zurück zur eigentlichen Planung. Mein Fahrer, der mich 2018 durchs Land kutschierte, meldete sich. Er erzählte mir, das unser gemeinsamer Freund, mein Fixer von damals, aus Afghanistan fliehen musste, nachdem die Taliban an die Macht kamen. Dann fragte er mich, ob ich nicht mal wieder vorbeikommen möchte. Etwas skeptisch, aber mit meiner bereits erwähnten These was die aktuelle Sicherheitslage im Land angeht im Hinterkopf, hakte ich nach was denn so alles möglich ist. Kurze Antwort: „Everything is possible!“ Alles klar, jetzt hat er mich.
Ich stürzte mich sofort in die Vorbereitungen und kramte als erstes meine Bucketlist von 2018 heraus, um mir nochmal ins Gedächtnis zu rufen, was damals alles nicht ging. Ich fügte ein paar weitere Dinge hinzu und schickte die Liste an meinen Freund vor Ort, um mir eine Bestätigung einzuholen, ob ich denn alles von der Liste sehen kann. Da geht es nicht darum, ob er Lust hat, mit mir dorthin zu fahren – vielmehr ist es so, das meine Wishlist beim Ministry of Information & Culture in Kabul vorgelegt wird und wenn es von dort ein „Go“ gibt, ist das schon mal die halbe Miete.
Als Ergebnis bekommt man dann ein offiziell signiertes und abgestempeltes Dokument mit Namen, Passnummer und den Provinzen, die man besuchen möchte.
Was mir zu diesem Zeitpunkt nicht klar war: selbst mit diesem, von der höchsten Instanz ausgestellten Dokument, kann man sich innerhalb der Provinzen zwar legal bewegen, aber wenn man tatsächlich bestimmte Sehenswürdigkeiten besuchen möchte, muss man zum zuständigen Ministerium in der jeweiligen Provinz und eine weitere Genehmigung einholen. Will heißen: Wird man während der Durchreise an einem der unzähligen Checkpoints kontrolliert, reicht das Dokument aus Kabul aus. Hält man sich länger vor Ort auf, benötigt man ein weiteres Dokument. Jedes Mal extra zum Ministerium nervt ein bisschen, aber im Großen und Ganzen geht das meist sehr schnell und je nach Gegend bekommt man vom Ministerium bewaffneten Begleitschutz zugeteilt, der offiziell zwar für Sicherheit sorgen soll, aber ich hatte den Eindruck, dass sie nur jemanden von ihren Leuten mit uns schicken wollten, um sicherzustellen, dass ich nix im Schilde führe. In abgelegenen oder von Ausländern wenig besuchten Provinzen wie Helmand, Nimroz, Paktia oder Kunar war ich insbesondere im Ministerium ein absolutes Highlight. Dort war man wahnsinnig stolz, dass sich mal ein Ausländer dorthin verirrt und sie sogar eine ihrer tollen Genehmigungen ausstellen können.
Ok, Letter of Invitation: check, Genehmigung der Talibanregierung: check. Die wichtigsten Dinge, die man zur Beantragung eines Visums benötigt, hatte ich also schon mal beisammen. Jetzt nur noch zum Konsulat in Berlin und dann kanns fast schon losgehen – sollte man meinen. Dazu gleich etwas mehr.
Da ich unbedingt die südlichen Provinzen Nimroz und Helmand besuchen wollte, bevor ich dann über den Peiwar Pass nach Pakistan reise, entschied ich mich über den Iran einzureisen. Allerdings über den südlichen Grenzübergang Milak, der hauptsächlich für Warentransporte aller Art und von Locals genutzt wird.
Bevor ich also mein Afghanistan Visum besorge, was mit all den bereits vorhandenen Dokumenten am einfachsten sein sollte, kümmere ich erstmal um Iran und Pakistan. Easy, beide Länder bieten e-Visa an und innerhalb von 3 Wochen hatte ich es vorliegen. Jetzt noch schnell einen Termin über die Website des afghanischen Konsulats machen und dann kanns fast schon losgehen. Hier begann es kompliziert zu werden. Das lausig programmierte Terminvergabetool wollte einfach nicht funktionieren. Trotz mehrfacher Versuche und ein paar Tricks war nix zu machen. An einem bestimmten Punkt spuckte mir die Website, die plötzlich im Debug-Modus war, sogar sämtliche Zugangsdaten zur internen Datenbank, inkl. E-Mail Passwörter des kompletten Konsulats und ein paar weitere interessante Dinge aus. Mist! Was jetzt? Moment mal! Zugangsdaten…Passwörter…?! Ok, das speichern wir mal lieber ab. Wer weiß wozu das noch gut sein kann. Hilft jetzt aber nicht. Anrufen! Von früh bis spät auf sämtlichen Durchwahlen – entweder besetzt, oder niemand ging ran. Auf der Website steht explizit, dass man sein Anliegen nur vortragen kann, wenn man einen Termin hat. Egal, vielleicht wissen die ja gar nicht das ihre Website nicht funktioniert. Wäre doch gut, wenn ich ohne Termin zum Konsulat gehe und mit meinen neu gewonnenen Kenntnissen über Passwörter und Funktionsweise der Website sogar noch helfen kann. Keine gute Idee.
Dort angekommen musste ich erstmal Überzeugungsarbeit leisten, um nicht schon draußen vor der Tür abgewiesen zu werden. Man gewährte mir Einlass und ich ging in die erste Etage. Dort war man mit Teetrinken beschäftigt und schien ob meines plötzlichen Erscheinens doch bass erstaunt zu sein. Ich präsentierte mein vollständiges Arsenal an benötigten Dokumenten zur Beantragung eines Visums. In sehr schlechtem Englisch wurde mir erneut die Online Terminvergabe nahegelegt. All meine Erklärungsversuche scheiterten und mir war schnell klar, dass mein Gegenüber einfach mal einen Fick darauf gibt, ob ich sämtliche Zugangsdaten des Konsulats habe. Deshalb habe ich gar nicht erst versucht, diese Karte zu spielen. Es folgte eine Moralpredigt, ob ich denn weiß was gerade in Afghanistan los ist und das all die vielen Leute im unteren Stockwerk hier sind, weil sie aus Afghanistan weg wollen. Man wollte mir also kein Visum ausstellen – mein Einwand, dass auf der Website aber steht, dass genau das hier ohne Probleme möglich sei, wurde ignoriert. Da stand ich nun in all meiner Verzweiflung und blickte dem Konsulatsmitarbeiter hinterher, während er sich wieder dem Tee widmete. Er war auf jeden Fall echt angepisst und ich glaube, wenn ich ihm noch eine weitere Frage gestellt hätte, wäre er total ausgeflippt. Tolle Landesvertretung, die Besucher so behandelt und alles andere als Werbung für ihr Land macht. Aus dem tiefsten Westberlin machte ich mich völlig deprimiert wieder auf den Heimweg in den Osten der Stadt und grübelte über Alternativen. Ich war so verzweifelt, dass ich mir einen Flug nach München buchen wollte, um dort ins Konsulat zu gehen. Tja, was soll ich sagen?! Gleiches Terminvergabe-Tool, welches nicht funktioniert und Anrufe werden auch dort gekonnt ignoriert. Jetzt hatte ich ein echtes Problem.
Unterwegs
Über Istanbul gings nach Dubai, wo ich pünktlich 3:00 Uhr morgens ankam. Meinen ursprünglichen Plan, direkt vom Flughafen zum Konsulat zu fahren und warten bis es öffnet, damit ich gleich der Erste bin, habe ich schnell wieder verworfen. Völlig übernächtigt, im Dunklen mit 2 Backpacks vorm Konsulat rumlungern könnte problematisch werden. Stattdessen bin ich in ein Hotel und nach nur 3 Stunden Schlaf gings dann tatsächlich zum Konsulat. Dort lief alles problemlos und nach ca. 4 Stunden Wartezeit hatte ich mein Visum.
Auf dem Weg ins Hotel bekam ich von meinem Kontakt im Iran jedoch eine schlechte Nachricht. Die Fähre für den kommenden Tag wird nicht ablegen. Grund: Die Wetterbedingungen in der Straße von Hormuz. Häh? Ich schmore hier im eigenen Saft auf dem Rücksitz des Taxis, bin kurz vor der Ohnmacht, weils draußen 45° hat und ein paar Kilometer weiter ist das Wetter so schlecht, dass die Fähre nicht ablegt?! Lange Rede, kurzer Sinn…scheinbar ist in der Straße von Hormuz Wind ein großes Problem. Bevor der Kahn also abschmiert und man als Fischfutter endet, cancelt die iranische Fährgesellschaft „Valfajr“ die Überfahrt lieber – auch sehr kurzfristig.
Zu meinem Glück flog aber am nächsten Tag eine Maschine der „Qeshm Air“ von Dubai nach Bandar Abbas. Mein Kontakt im Iran wandelte mir mein Fährticket kurzerhand in ein Flugticket um und mit einer Zuzahlung von nur 50$ war ich für den kommenden Tag gebucht. Wieso das so einfach ging und was die Fährgesellschaft mit der Fluglinie zu tun hat, ist mir schleierhaft. Der Flug verlief ohne besondere Vorkommnisse und nach nur 25 Minuten erreichte ich Bandar Abbas.
Qeshm Island (Iran)
Trotz einiger Bedenken im Vorfeld, was die Einreise in den Iran betrifft, ging alles sehr schnell an dem kleinen Flughafen von Bandar Abbas. Keine Befragung durch Geheimdienst oder sonstige Institutionen, kein Versuch mir zusätzliches Geld abzuknöpfen wegen fehlender iranischer Krankenversicherung…gar nix. Auf dem Gelände vor dem Flughafen habe ich ein paar Taxifahrer „angekumpelt“ und sie gebeten, meinen Freund auf Qeshm Island anzurufen, die Insel in der Straße von Hormuz auf die ich am gleichen Tag noch übersetzen wollte. Meine Anwesenheit war scheinbar so ungewöhnlich für sie, dass gleich noch mehrere Kollegen herbeigerufen wurden, um Fotos zu machen und mir Fragen zu stellen. Damit diese Situation nicht zu einem Flughafenübergreifendem Event ausartet, musste ich irgendwann Einhalt gebieten. Der ein oder andere wird sich fragen: „Warum sagst du nicht wo du hin willst, setzt dich ins Taxi und los geht’s?“ Die Antwort ist einfach: local money. Im Iran wird nur lokale Währung akzeptiert. Die Bezahlung findet fast ausschließlich digital per Handy statt. Iranische Rial kann man z.B. in Dubai nur auf dem Schwarzmarkt tauschen. Da ich jedoch keine Zeit für solche Experimente hatte, stand ich nun in Bandar Abbas ohne Cash und musste per Taxi zum Hafen, um eine Fähre nach Qeshm Island zu bekommen.
Das diese Situation eintreten wird, war natürlich vorher klar, deshalb bot mir mein Freund an, er würde sowohl Taxi als auch Fährticket vorab zahlen. Eine lokale SIM Card am Flughafen zu bekommen war nicht möglich, deshalb musste ich meine neu gewonnenen Taxifahrer Freunde bitten, ihn anzurufen. Nachdem also jeder von ihnen ausreichend Schnappschüsse fürs Familienalbum mit mir gemacht hatte, wurden kurz die Zahlungsmodalitäten festgelegt und nach erfolgtem Geldeingang gings per Taxi zum Hafen. Der nette Taxifahrer half mir noch beim Ticketkauf und kurz darauf saß ich an Bord der Fähre nach Qeshm Island. Die Insel ist 38 Seemeilen (70km) vom Festland entfernt. Die Fähre benötigt ca. 50 Minuten und lässt es ordentlich krachen. Wer nicht seetauglich ist, hat Pech gehabt. Vorbei an den riesigen Öltankern und Frachtschiffen, die wie Hochhäuser an einem vorbeiziehen, gings mit einem Affenzahn durchs hiesige Gewässer.
Voller Erwartungen und mit ein bisschen Kotze einer Mitreisenden am Arm legten wir am Hafen von Qeshm an. Mit dem Auto gings weiter nach Dargahan in ein kleines Hotel. Während der Fahrt wurde das Programm für den kommenden Tag besprochen. Da ich nur 2 Tage auf der Insel bleiben wollte, einigten wir uns auf den Chahkooh Canyon und Stars Valley – die beiden „Hauptattraktionen“ der Insel. Es gibt zwar noch einige andere Orte, wie z.B. den Hara Mangrove Forest oder diverse Salz Höhlen, aber das hab ich mir verkniffen. Es ist nicht so, dass diese anderen Orte, die bei Botanikern oder Geologen bestimmt hoch im Kurs stehen, nicht sehenswert sind. Was Naturschauspiele oder ähnliches angeht, ist es in meinem Fall jedoch so: Solange da nicht jemand ist, dem ein drittes Ei wächst, bin ich eher raus. Zudem war Qeshm ohnehin nur eine Zwischenstation und ich war von Kopf bis Fuß schon auf Afghanistan eingestellt.
Aber wie bereits erwähnt, wer sagt „erodiertes Gestein und Salzablagerungen sind mein Ding.“ – Just go for it! By the way…das „Stars Valley“ verdankt seinen Namen dem Umstand, dass wenn man von oben auf dieses Areal schaut, es aussieht als wären Sterne vom Himmel herab gefallen und hätten diese Steinformationen geschaffen. Ganz ehrlich?! Nicht mal ansatzweise. „Witterungsbedingte Steinformationen, bedingt durch Erosion Valley“ klingt aber auch nicht so sexy. Egal. Vom Boden aus ist es wirklich schön anzusehen und zudem ein beliebtes Ziel für frisch verheiratete Paare, die dort ihre Fotoshootings machen, weil man dort als Frau den Hijab auch mal ablegen kann, ohne das man gleich verhaftet wird. Ich persönlich würde den „Chahkooh Canyon“ allerdings vorziehen. Das Areal ist zwar kleiner und bietet dadurch weniger Möglichkeiten an Fotomotiven, ist aber interessanter was die Formationen angeht.
Iran (Mainland) | Bandar Abbas - Bam - Zahedan - Zabol
Zurück im Hafen von Bandar Abbas erwartete mich ein Freund, der mich in den kommenden 3 Tagen bis zur afghanischen Grenze nach Zabol bringen sollte. Zwar äußerte er vorher Bedenken, da er diese Route bisher selbst nie gefahren ist, aber nachdem ich ihm sagte, für mich sei es auch das erste Mal und gemeinsam kriegen wir das schon hin, ging das für ihn in Ordnung. Mangelnde Ortskenntnisse waren, wie sich herausstellte, überhaupt kein Problem, da es sowieso immer nur eine einzige Straße gab, die uns zum Ziel führen sollte.
Ein weit größeres Problem ist in den südlichen, grenznahen Provinzen die Tatsache, dass man als nicht Ortsansässiger nicht tanken darf. Um seinen Hobel neu besaften zu dürfen, muss man an den Tankstellen eine entsprechende Tankkarte vorlegen. Ist diese jedoch nicht aus, z.B. Hormozgan, sondern aus Kerman, bleiben einem nur zwei Möglichkeiten: laufen oder das etwa 4-fache des normalen Preises zu zahlen. Selbst bei einem Spottpreis von 70 Cent pro Liter ist das Vierfache einfach mal nicht tragbar. Diese Art von lokaler Sanktion führt natürlich dazu, dass man an Tankstellen ewig anstehen und warten muss. In unserem Fall ca. 1.5 Stunden. Auch hier gibt es den ein oder anderen Trick, das zu umgehen, z.B. wenn man statt einer Karte, gleich zwei hat – natürlich muss die dann aus der Region sein. Davon ausgenommen sind allerdings Taxifahrer oder ähnliches. Diese Restriktion hat natürlich einen Grund. Dieser hängt insbesondere mit der geografischen Lage zusammen. Durch die Nähe zu Afghanistan und Pakistan wurde in dieser Region eine große Menge an Treibstoff einfach über die Grenze gebracht und dort weiterverkauft – im Schnitt für das 10-fache. Hauptsächlich nach Afghanistan, weil dort der Bedarf am größten ist.
Wie in allen Grenzregionen auf der Welt, in denen zwischen den angrenzenden Staaten gewisse Mängel bestehen, führt das logischerweise zu noch mehr Schmuggel und höheren Preisen. Gerade in diesem Dreiländereck ist Treibstoff nicht das einzige was geschmuggelt wird. Es ist jedoch das einzige, was ich mit eigenen Augen gesehen habe. Pickups ohne Kennzeichen kommen in bester GTA-Manier aus den Bergen geprescht. Die Ladefläche gefüllt mit großen blauen Fässern, in denen der Sprit transportiert wird. Neben dem Exportschlager Benzin, bzw. Diesel gibt es natürlich auch einen großen Bedarf an Waren jenseits der iranischen Grenze. Aus Pakistan wird unter anderem viel Alkohol über die Grenze geschmuggelt, aus Afghanistan nach wie vor Opium. Letzteres gehört, zumindest im Süden des Iran, zum alltäglichen Leben. Die Menschen haben sogar speziell dafür eingerichtete Zimmer in ihren Häusern, in denen sie sich zum Opium rauchen treffen.
Nach zwei Tagen erreichten wir Zahedan, die letzte Station bevor es dann zur Grenzstadt Zabol gehen sollte. Zahedan, die Hauptstadt der Provinz Sistan und Belutschistan, gilt als Hauptstadt des Opiumhandels. Die hohe Verfügbarkeit und der niedrige Preis der Droge sorgen zusätzlich dafür, dass hier ein gewisser Teil der Leute den „Kotti-Lifestyle“ pflegt. Ein echtes Problem scheint es damit aber nicht zu geben. Wahrscheinlich erledigt sich das mittelfristig auch von selbst.
Nur selten finden Touristen den Weg bis nach Zahedan, weshalb meine Anwesenheit ein scheinbar größeres Highlight für die lokale Bevölkerung war – zumindest für drei Jungs, die wir in einem Restaurant kennenlernten. Da am kommenden Tag mein Grenzübertritt nach Afghanistan auf dem Programm stand, hatte ich für den Rest des Tages und Abends nichts großartiges geplant – bisschen Sightseeing, die lokalen Heroinpreise checken…das Übliche eben. Nix da! Wie sich herausstellte waren die drei stolze Besitzer einer Bar ganz in der Nähe. Die Einladung in besagtes Etablissement konnte und wollte ich natürlich nicht ablehnen. Was soll schon passieren?! Bar…Iran…da wird es wahrscheinlich Tee bis zum Abwinken geben und wenn ich Glück habe, wird noch die ein oder andere Shisha gereicht. Es sollte anders kommen.
Nachdem ich mit meinem Fahrer ein wenig durch die Stadt gedengelt bin und es bereits Abend war, begaben wir uns auf den Weg zur hiesigen Gastwirtschaft. Statt großer, gläserner Fassade, wie man es eigentlich von einer Bar erwartet, zeichnete sich dieses Lokal durch eine 1 Meter breite dunkle Tür zwischen einem Friseursalon und einem Möbelgeschäft an der Hauptstraße aus. Das konspirative Äußere versprach doch etwas mehr als erwartet.
Nach einer überschwänglichen Begrüßung nahmen wir im hinteren Teil der Bar platz und ich checkte erstmal die Lage – es war brechend leer. Was aber ganz in meinem Interesse war. Die Jungs setzten sich zu uns und statt Tee gab es „Black Ram“ Whisky. Wir quatschten stundenlang und hatten eine Menge Spaß.
Als dann gegen 23:30 Opium gereicht wurde, hatte ich schon so dermaßen die Lampe an, dass ich ernsthaft Bedenken hatte, aufgrund von „zu besoffen“ nicht nach Afghanistan einreisen zu dürfen. Bevor eine Stunde später vielleicht jemand mit Spritzbesteck auftaucht, entschieden wir uns gegen 0:30 Uhr den Heimweg anzutreten – gute Entscheidung.
Am nächsten Morgen gings dann um 8:00 los in Richtung Grenze. Vorher sammelten wir noch einen der drei vom Vorabend samt Freundin ein. Ich erinnerte mich dunkel daran, dass wir das irgendwie vorher so vereinbart hatten. Da beide ursprünglich aus Zabol kommen und sie die Gelegenheit nutzen wollten, ihre Familien zu besuchen, bot sich die Mitfahrgelegenheit durchaus an. So ganz uneigennützig war es für uns natürlich auch nicht. Mit den neuen Passagieren an Bord waren wir quasi um eine Tankkarte reicher und hatten keine Probleme mehr an zusätzlichen Sprit zu kommen.
Die Strecke von Zahedan nach Zabol ist weitestgehend ziemlich öde. Im Westen grenzt das Gebiet an die Wüste „Lut“, von deren beeindruckenden Dünen und Felsformationen man allerdings nichts sieht, weil es dann doch zu weit entfernt ist. In Zabol angekommen wurden wir durch einen kleinen Sandsturm begrüßt, der sich aber nach kurzer Zeit wieder legte. Nachdem wir unsere Mitreisenden abgesetzt haben und aufgrund Zeitmangels die Einladung ihrer Familien zum Tee ablehnen mussten, gings dann zur letzten Etappe in der islamischen Republik: Zabol – Milak Border Crossing.
Milak Border Crossing
Dort angekommen sah alles recht unkompliziert aus. Ich reihte mich in die Schlange am Abfertigungsschalter ein und bat meinen Fahrer noch kurz zu bleiben, bis ich meinen Stempel hab, denn: Wer weiß…vielleicht bin ich denen zu suspekt, dann steh ich da und glotz blöd…und einen Fahrer hab ich auch nicht mehr um wegzukommen. Auch diese Idee war eine kluge Entscheidung. Der Beamte in seinem Häuschen bekam scheinbar zum ersten Mal ein iranisches e-Visa zu Gesicht. Das in Kombination mit meinem „Made in Dubai“ Afghanistan Visum überstieg seine Kompetenz. Ich solle mich bei seinem Vorgesetzten melden, der allerdings – wie ich feststellen musste – nicht in seinem Büro war. Überhaupt schien er wie vom Erdboden verschluckt und niemand wusste wo er ist. Glücklicherweise war mein Fahrer ja noch da, der mir half die Sache zu klären. Nach ca. 40 min. anstehen und nochmal 45 min. Suche nach dem „Head of Grenzübergang“ war es dann endlich soweit – wir haben ihn gefunden.
Ein netter Typ, der wahnsinnig interessiert an mir und meinem persönlichen Umfeld war. Englisch wird an diesem Grenzübergang scheinbar wenig gebraucht und entsprechend mau sieht es mit den Sprachkenntnissen der im Dienst befindlichen Beamten aus. Deshalb wurde mein Fahrer ebenfalls kurzerhand in das Büro zitiert, um nicht nur zu übersetzen, sondern auch gleich seine Lebensgeschichte zu erzählen und seine Verwandtschaftsverhältnisse aufzudecken. Mit einer solchen Befragung habe ich jedoch vorab schon gerechnet – wäre ja zu schön, wenn da ein westlicher Tourist auftaucht, der nach Afghanistan will und wir lassen ihn einfach passieren. Neeeee, da haken wir lieber nochmal kritisch nach. Da ich nix zu verbergen hatte, plauderte ich wie aus dem Nähkästchen. Nach etwa einer Stunde war die Befragung vorbei. Ich musste noch meinen deutschen Personalausweis abgeben, damit sie den mit meinem Reisepass abgleichen können. Nach 5 Minuten vor der Tür wurde mir dann alles wieder zurückgegeben und ich war ready to go.
Iran und Afghanistan werden an dieser Stelle durch eine Brücke getrennt, die praktisch jedoch noch zum Iran gehört. Ab hier wehte dann ein anderer Wind, was Freundlichkeit des Grenzpersonals betrifft. Zumindest was zwei Taliban anging, die noch auf iranischer Seite das Gepäck aller Ankommenden durchsuchten und scheinbar hier für die schlechte Laune zuständig waren. Um dem etwas mehr Nachdruck zu verleihen, hatte jeder von ihnen einen langen Stock in der Hand, mit dem sie Hiebe gegen die austeilten, die nicht schnell genug ihr Gepäck öffneten oder einer Aufforderung nicht sofort nachgekommen sind. Von meinem Fahrer hatte ich mich mittlerweile verabschiedet und war also auf mich allein gestellt. Ich wusste zwar, dass irgendwo auf der anderen Seite mein afghanischer Freund auf mich wartet, aber wo genau und überhaupt…keine Ahnung. Als ich an der Reihe war kam ein Typ auf mich zu und sprach mich an, das er weiß wer ich bin und er mir hilft. Bevor ich in Erfahrung bringen konnte, wieso ich hier im Niemandsland zwischen Iran und Afghanistan so „fame“ bin und erkannt werde, kam einer der afghanischen Stock-Heinis zu uns und gestikulierte wild mit seinem Stock, dass ich doch meinen Rucksack öffnen soll. Als erstes fiel ihm natürlich meine DSLR Kamera ins Auge. Ohne zu fragen schnappte er sie sich und wollte sie aus dem Rucksack nehmen. Womit er nicht gerechnet hat, war das 200mm Objektiv, welches noch daran befestigt war und geschützt durch meine Klamotten bis zum Boden des Rucksacks reichte. Das führte dazu, dass er seinen Stock beiseite legen musste, um sie herauszuholen. Oh jeh, Stock-Heini ohne seinen Stock ist ja mal einfach nur ein Heini…und darauf hatte er so gar keine Lust. Ohne Rücksicht auf Verluste kramte er das Gerät heraus und verteilte so einen Großteil meines Garderobe-Arsenals direkt vor der Brücke. Er hielt die Kamera hoch als hätte er die Bundeslade gefunden und schrie wild umher. Während ich dabei war, meinen Zwirn wieder in den Rucksack zu räumen, marschierte er samt der Technik in Richtung Iran.
Ja, spinn ich oder was?! Wahrscheinlich wollte er meinen Fahrer noch erwischen, damit er sie nimmt. Bloß nicht nach Afghanistan mit dem Ding. Plötzlich schaltete sich der Typ ein, der mich angeblich kannte. Er zeigte ihm ein Dokument und gab ihm zu verstehen, dass ich für das Equipment eine Genehmigung habe und er mir das Teil sofort wieder aushändigen soll. Etwas widerwillig gab er mir die Kamera zurück, nahm seinen Stock und suchte jemand anders an dem er seine Laune auslassen konnte. Der andere Typ schnappte mich und ging mit mir Richtung Brücke.
Auf dem kurzen Weg erzählte er mir, dass er mit meinem afghanischen Freund geredet und ihm zugesichert hat, dass er sich meiner annimmt sobald ich die Grenze passieren will. Auch wenn es dort teilweise so aussieht, aber da kann nicht jeder einfach irgendwo im Niemandsland rumlungern und stundenlang warten. So ging es nämlich meinem Freund, der deswegen des Platzes verwiesen wurde, weil er schon seit 4 Stunden dort war. Dann kam er jedoch von der anderen Seite auf uns zugelaufen und wir trafen uns genau in der Mitte. Nach einer herzlichen Begrüßung bedankte ich mich bei dem – vermutlich – iranischen Grenzbeamten. So genau weiß man es nicht, weil da fast alle in ziviler Kleidung rumlaufen. Dann gings auch schon in Richtung islamisches Emirat.